[Rezension] John Boyne: Cyril Avery
Sonntag, 21. Oktober 2018
Schon wieder so ein Wälzer! Aber diese Bücher haben einen großen Vorteil! Ich muss mich nicht so schnell für ein neues Buch entscheiden. Und ich kann viel besser in einem Buch versinken.
Mein dritter John Boyne
Nachdem ich bisher nur „Der Junge im gestreiften Pyjama“ und „Der Junge auf dem Berg“ von Boyne kannte, sollte es dieses Mal ein Erwachsenenbuch sein.
Irland: 1945 – 2015
Ein lange Zeit – ein ganzes Leben.
Cyril ist ein uneheliches Kind. Im Irland von 1945 wird die schwangere Catharine vor versammelter Kirchengemeinde vom Priester aus der Stadt gejagt. Selbst die Eltern lassen sie ziehen. So nimmt sie den Bus nach Dublin, in dem sie erste Kontakte knüpft. So kann sie bei zwei befreundeten Männern kurzfristig unterschlüpfen. Als das Kind geboren wird, hat sie keine andere Wahl als das Kind zur Adoption freizugeben. Cyril wird von wohlhabenden Eltern aufgenommen. Weil das eigene Kind die Geburt nur einige Tage überlebt hat und weil sie als großherzig gelten wollen. Charles und Maude Avery lassen dem Kind eine merkwürdige Erziehung angedeihen. Die beiden können sich nicht auf ein Kind einlassen und es läuft irgendwie mit. Beide Eltern sind sehr egozentrisch. Sie lassen keinen Tag aus, um dem Jungen klarzumachen, dass er kein „echter“ Avery ist.
Cyril kommt früh ins Internat zu den Priestern. Überall in Irland herrschen die strengen Regeln der Katholiken. Schon früh spürt der Junge, dass er sich zu Jungen hingezogen fühlt und mit Mädchen nichts anfangen kann. Er himmelt Julian an, seinen Zimmergenossen im Internat. Aber der ist hinter jedem gutaussehenden Mädchen her und daher keine Option für Cyril.
Homosexualität ist verboten im Irland der damaligen Zeit und wird auch nicht geduldet. Man spricht sogar davon, dass es in Irland keine Homosexuellen gibt. Es ist eine verlogene Gesellschaft! Trotzdem gibt es Gegenden, die bekannt sind für schnelle Begegnungen zwischen Männern, aber dort lauert immer die Gefahr der Polizei zu begegnen. Eine länger währende Beziehung, die auch auf emotionaler Ebene läuft, ist Cyril nicht vergönnt.
Cyril hadert sehr mit seiner Situation. Er kann sich niemandem anvertrauen. Alles läuft im Geheimen und selbst seinem besten Freund Julian kann er sich nicht anvertrauen.
Nach einigen Jahren der Verzweiflung verlässt er Irland, um in einem anderen Land mehr Ruhe und Glück zu finden.
Ein emotionales Buch
Ein Buch, das mich sehr berührt hat. Und ein Buch, das viele Geschehnisse der letzten Jahrzehnte auffrischt. Könnt ihr euch noch an die Gräueltaten der IRA erinnern? Oder an die Anfänge von Aids? Welche Angst damals umging? Als noch niemand wußte, wie mit dieser Krankheit umzugehen ist?
John Boyne ist mit „Cyril Avery“ ein beeindruckender Roman gelungen. Sehr eindringlich erzählt er von den Problemen der Homosexuellen im Laufe der Jahre. Wie sie an allen Fronten kämpfen mussten. Angefangen bei der eigenen Familie, die sich nicht damit abfinden kann, dass der Sohn oder Bruder nicht „normal“ ist. Im Beruf darf man nicht ehrlich sein, da sonst die Stelle gefährdet ist. Nicht selten heiraten die Männer Frauen, damit das Bild eines normalen Lebens bewahrt bleibt. Ihre sexuellen Neigungen leben sie im Geheimen aus. Was für eine verlogene Welt.
Boyne hat mit seinem Protagonisten einen sehr liebenswerten Mann kreiert. Cyril wächst mit sehr merkwürdigen Eltern auf, die er aber trotz allem liebt. Irgendwie hält er die Zurückweisungen aus und entwickelt sich zu einem jungen Mann heran, der sehr früh feststellt, dass er Männer liebt. Boyne beschreibt das alles sehr eindringlich und ich fühlte sehr mit Cyril. Ab der Mitte des Buches konnte ich es nicht mehr aus der Hand legen, manchmal brauchte es allerdings einer kurzen Verschnaufpause, um zu den Taschentüchern zu greifen. Die sollte man bei Boynes Büchern immer in der Nähe haben.
Fazit
„Cyril Avery“ ist ein Roman über ein dunkles Kapitel in Irlands Geschichte. Homosexualität wurde lange totgeschwiegen. Boyne erzählt die Lebensgeschichte des Jungen Cyril, der früh merkt, dass er homosexuell ist und daher große Probleme hat, ein normales Leben zu leben. Ein Buch, das ich bald nicht mehr aus der Hand legen konnte und mich sehr nachdenklich zurücklässt.
Liebe Astrid,
Das Buch klingt ja echt gut. Ich habe bisher auch nur die beiden „Der Junge…“ Bücher gelesen. Die fand ich aber auch richtig gut und wollte schon länger noch etwas von dem Autor lesen. „Cyril Avery“ hatte ich tatsächlich auch schon ein paar mal in der Hand, hab es aber immer wieder weggelegt, weil ich mir nicht sicher war, ob das tatsächlich was für mich ist. Und auch der Umfang hat mich etwas abgeschreckt. Aber was du über die Geschichte schreibst, macht mich jetzt doch sehr neugierig.
Liebe Grüße, Julia
Liebe Julia,
es ist bestimmt ein Buch, dass Dir gefallen könnte. Vor allem, wenn du wie ich schon die zwei Bücher von Boyne kennst. Und wegen des Umfangs brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Es sind keine eng beschriebenen Seiten. Es gibt sehr viele Dialoge, die man schnell lesen kann.
Viele Grüße
Astrid
Na das klingt doch sehr vielversprechend. 🙂