Nachlese: bunte Mischung
Mittwoch, 18. April 2018
In dieser Nachlese gibt es sehr unterschiedliche Bücher zu entdecken, zum Beispiel ist ein Krimi aus Deutschland dabei. Ein Buch führt uns nach Südamerika und Boston. Gleich zwei Bücher zeigen uns eine mögliche Zukunft. Das Leben eines japanischen Rentners ist das Thema eines weiteren Romans.
Folgende Bücher sind diesmal dabei:
Der große Plan von Wolfgang Schorlau
Herr Kato spielt Familie von Milena Michiko Flasar
Die Geschichte des Wassers von Maja Lunde
Leere Herzen von Juli Zeh
Ein wenig Glück von Claudia Piñeiro
Wolfgang Schorlau: Der große Plan
Wer seine Bücher noch nicht kennt, sollte das dringend nachholen. Die deutsche Krimiserie um den Stuttgarter Privatermittler Dengler greift immer brisante Themen aus unserer Wirklichkeit auf. Wasserwirtschaft, Oktoberfestattentat, Fleischindustrie, NSU-Morde. Der Journalist Schorlau recherchiert dabei so intensiv, dass er schon als Zeuge vor Gericht geladen wurde um seine Erkenntnisse mitzuteilen. Einige Teile der Reihe wurden bereits verfilmt. Die Filme treffen allerdings in der Besetzung nicht meinen Geschmack, ich halte mich lieber an die Bücher. In „der große Plan“ geht es um die EU und die Griechenlandrettung. Auch in diesem Buch habe ich mich wieder gefragt wie naiv ich wohl bin und mich von der Presse und unserer Regierung vorführen lasse.
Ich muss aber zugeben, dass mir dieser Band stilistisch nicht gefallen hat. Der Krimi sollte ursprünglich schon im Herbst erscheinen, doch die Recherchearbeit ließ dies nicht zu. Jetzt habe ich das Gefühl, dass das Lektorat zu sehr in Zeitdruck geriet. Doch Schorlau liest man nicht wegen der literarischen Güte der Texte, sondern wegen des immer brisanten Inhalts.
Ich hoffe sehr, dass der Fall drumherum etwas zu konstruiert ist. Vor allem die Aktionszenen am Ende erfüllen mich mit Angst. Doch lest einfach selbst!
Milena Michiko Flasar: Herr Kato spielt Familie
Flasar hat sich auch in diesem Band wieder einer psychosomatischen Gesundheitsstörung angenommen. Ging es in Sie nannten ihn Krawatte um Hikikomori, wovon vor allem junge Menschen betroffen sind, wird in diesem Buch die ältere Rentnergeneration betrachtet. RHS, das Retired Husband Syndrom. Im Mittelpunkt des Romans steht Herr Kato und seine Frau. Er ist gerade in Rente und weiß nicht wirklich etwas mit sich anzufangen. Da bekommt er durch eine Zufallsbekanntschaft die Gelegenheit für einen außergewöhnlichen Nebenjob.
Der Stil gefiel mir irgendwie nicht, doch der Inhalt hat viel in mir in Gang gesetzt. Ich mache mir schon viele Gedanken über den letzten Lebensabschnitt. Welche Träume möchte ich mir noch verwirklichen? Dieses Buch zeigt auf melancholische Art, dass man nicht damit warten darf und auch mit dem Partner offen darüber sprechen sollte.
Maja Lunde: Die Geschichte des Wassers
Zwei Zeitebenen, ein Problem: die Zerstörung der Umwelt. Im Jahr 2017 macht sich eine Umweltaktivistin auf den Weg, um auf die Zerstörung und Ausbeutung der Gletscher aufmerksam zu machen. Im Jahr 2041 werden die Folgen unserer jetzigen Sorglosigkeit deutlich: Frankreich wird zur Wüste, alles flieht in den Norden. Ein Mann sucht seine Frau und sein Baby und versucht seine kleine Tochter zu beschützen und am Leben zu erhalten. Kein Wasser bedeutet: keine Nahrung, kein Trinkwasser, keine Dusche, schmutzige Wäsche. Und es bedeutet Kampf um das Wenige das da ist. Das Buch ist eher seicht, drückt aber den Finger in die richtige Wunde. Wir stellen jetzt die Weichen für das Leben in den nächsten Jahrzehnten.
Verlagsseite
Juli Zeh: Leere Herzen
Nach dem fulminanten Roman Unterleuten habe ich mich auf das neue Buch von Juli Zeh gefreut. Es spielt in einer nahen Zukunft. Britta führt mit einem Freund eine Firma mit einem sehr eigenwilligen Konzept. Moralisch kaum vertretbar, was Britta allerdings anders sieht. Doch finanziell ist „Die Brücke“ ein Erfolgsrezept. Bis sie Konkurrenz bekommen. Die Story selbst fand ich etwas krude und nicht nachvollziehbar. Schade, denn das gesellschaftliche und politische Umfeld, welches Zeh in einem Deutschland der nahen Zukunft entworfen hat, fand ich sehr stimmig und erschreckend. Daraus hätte sie viel mehr machen können.
Claudia Piñeiro: Ein wenig Glück
Eine Frau steht mit ihrem Auto an einem Bahnübergang. Die Schranke ist unten. Doch sehr oft ist sie unten, obwohl kein Zug kommt. Die Wagen vor ihr fahren über die Schienen, an der Schranke vorbei. Soll sie das auch machen? Alle fahren sonst einfach weiter. Sie fährt. Und es kommt zur Katastrophe.
Es geht im Buch aber nicht primär um das furchtbare Unglück auf den Schienen, sondern viel mehr um die Folgen, die es auf die Fahrerin und ihre Familie hat. Und ein wenig auch darum, wie sich durch viele Kleinigkeiten ein Zufall herausbildet, der das ganze Leben verändert. Die Konstruktion des Buches finde ich super. Immer mehr Häppchen kommen nach und nach hinzu. So veränderte sich laufend mein Bild von der Situation. Auch eine andere Perspektive meldet sich zu Wort. Alles ist wie eine Art Brief oder Logbuch aufgebaut. Es geht um Liebe, Familie, Glück und Unglück. Verantwortung, Depression, Verzeihen und Abweisung. Ein kleiner, berührender Roman mit viel Inhalt. Ein Zitat muss ich an dieser Stelle unbedingt loswerden:
Vielleicht ist Glück überhaupt das, ein erlebter Augenblick, den keine Worte fassen können, denn um ihn zu erzählen, bräuchte man viel zu viele. Zum Erleben stehen, nicht zulassen, dass die Wörter, der Drang zu erzählen, ihm seine Intensität nehmen.
Die Dichte eines Moments, an der das Erzählen scheitert.
Glück, eher ein Bild, das man still betrachtet.
Eine Begegnung.
Diese.
Ich hoffe, ich konnte euch einen neuen Einblick in meinen Lesegeschmack geben.
Geniesst diesen Tag!