[Rezension] Viele Himmel über dem Siebten
Dienstag, 5. November 2019
Griet Op de Beeck
Ein Roman, der von fünf Menschen erzählt wird. Jeder dieser fünf führt ein „normales“ Leben. Leider weiß niemand so genau wie das geht.
Wie das genau geht, leben, habe ich noch nicht so richtig raus, aber ich kann ziemlich gut so tun als ob. Was schon ein guter Anfang ist, finde ich. Ich kann anderen Leuten auch mit Erfolg erklären, wie es vielleicht gehen sollte, und manchmal nimmt man meinen Rat an, was mich doch ein wenig wundert.
EVA: Eva ist 36, unverheiratet, keine Kinder. Sie arbeitet als Sozialarbeiterin im Gefängnis und glaubt an das Gute im Menschen, auch wenn sie straffällig geworden sind. Für jeden hat sie Verständnis, kann sich in alle reinversetzen, gibt wertvolle Tipps und kann trösten und aufbauen.
ELSIE: Elsie ist Evas große Schwester, verheiratet, zwei Kinder. Ihr Mann Walter ist Arzt und meist im Krankenhaus. Die Kindheit von Eva und Elsie war nicht immer leicht, aber die beiden Schwestern haben ein super Verhältnis.
JOS: Jos ist der Vater von Eva und Elsie. 71, verheiratet, 3 Kinder. Alkoholiker. Seine Frau Jeanne läßt kein gutes Haar an ihm, er haßt ihre Kommentare und Monologe und hört meist gar nicht mehr hin. Er hat ein großes Geheimnis, dass ihn schon lange quält.
LOU: Lou ist die pubertierende Tochter von Elsie. Sie hat ernsthafte Schulprobleme und weint sich gerne bei ihrer Tante Eva aus. Diese findet immer die richtigen Worte und hilft in allen Lebenslagen
CASPER: Maler, zusammen mit Merel und deren Sohn. Eigentlich ist alles gut. Hier und da mal eine Affäre, um dann doch wieder zu Merel zurückzukehren. Als er Elsie näher kennen lernt ist auf einmal alles anders.
Menschen, die da sind, sind immer noch besser als Menschen, die nicht da sind. (S. 208)
Lesefluss
Puh! Die ersten Seiten sind völlig verwirrend. Ich finde überhaupt keinen Einstieg. Wer sind die ganzen Leute und wie stehen sie zueinander? Häufig machen ich mir Skizzen. Wer gehört zu wem. Aber ich habe keine Lust dazu. Also so die Zusammenhänge finden! Und plötzlich ist alles ganz einfach. Warum nur war der Einstieg so schwer?
Unterschiedliche Perspektiven
Aus unterschiedlichen Perspektiven erfahre ich viel über das Leben dieser Familie und deren Freunde. Auch wenn die Autorin nicht immer alles genau beschreibt – zwischen den Zeilen lesen gehört bei diesem Buch dazu.
Eva kommt sehr häufig zu Wort, da sie für alle Personen eine wichtige Rolle spielt. Sie ist die einzige, die dem Vater nahesteht und Verständnis für ihn hat. Lou hat keine Freunde, dafür aber eine tolle Tante. Elsie kann der Schwester vertrauen. Alle sind begeistert von der tollen Eva, die immer eine Lösung hat. Nur für ihr eigenes Leben nicht. Sie opfert sich für die Gefängnisinsassen auf, aber sogar das dankt ihr niemand. Ein Mann zum Leben ist ihr nicht vergönnt. Vielen ist sie angeblich zu hässlich. Leider ein Thema in dem Buch, das ich als einziges als zu trivial und einfach empfunden habe und mich nicht überzeugt hat. Auch der Ton ihr gegenüber ist häufig gedankenlos und wenig emphatisch. Trotz guter Freunde geht es ihr immer schlechter bis sie irgendwann verschwunden ist.
Gegliedert in Abschnitte
Ich muss gestehen, ich bin immer dankbar, wenn ein Buch Abschnitte hat und Kapitelüberschriften. Wenn ein Buch eine erkennbare Gliederung hat. Nichts ist so ermüdend als eine am Stück geschriebene Geschichte, in der man eigentlich keine Pausen machen soll. „Viele Himmel über dem Siebten“ ist in wunderbare Abschnitte unterteilt, die sehr poetische Überschriften haben. Innerhalb dieser Gliederungen ist es dann noch nach den Erzählern aufgeteilt. Genug Möglichkeiten für kleine Denkpausen, Schlafen oder einen Tee.
Eindringliches Buch
„Viele Himmel über dem Siebten“ ist ein sehr eindringliches Buch, dass viel Zeit für die Nachbereitung braucht. Da ich den Anfang so verwirrend fand, habe ich direkt nach der letzten Seite noch einmal von vorne angefangen. Das hat mir noch einige Dinge bewußter gemacht. Das mache ich in letzter Zeit übrigens häufiger.
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Eigentlich spoilere ich nicht gerne! Aber hier lässt es sich leider nicht vermeiden, weil ich einfach noch mehr loswerden muss in diesem Beitrag.
Es geht nämlich in diesem Roman um Selbstmord. Es gab mal eine Zeit, da hätte ich dieses Buch nicht lesen können! In meinem entfernteren Bekanntenkreis ereignete sich eine sehr traurige Geschichte, die mich sehr mitgenommen hat. Und immer noch beschäftigt. Weil man bei einer Sebsttötung immer nach den Gründen fragt. Scheinbar zufriedene und glückliche Menschen sehen keinen anderen Ausweg mehr. Wissen nicht, wie sie ihr Leben meistern können. Ich bin ein Mensch, der Antworten in Büchern sucht und meist auch findet. „Viele Himmel über dem siebten“ hat mir ein wenig geholfen zu verstehen.
Ich kann das Buch wirklich allen empfehlen, die sich mit diesem Thema auseinander setzen wollen oder müssen, weil “ nie mehr wirklich extrem lang ist“.
Papa hat mal gesagt, Schuldgefühle seien sinnlos. Weil sie niemandem etwas bringen. Aber eine Sache verschwindet ja nicht einfach, bloß weil sie keinen Sinn macht. (S. 239)
Kennt das Buch schon jemand von Euch?