Der Trafikant
Dienstag, 23. Juni 2015
Nachdem die Mutter ihren Gönner verliert, muss der junge Franz Huchel etwas machen, was er bisher noch nicht kannte: für seinen eigene Lebensunterhalt sorgen.
Aus der österreichischen Provinz kommt er nach Wien um dort bei einem alten Bekannten in einer Trafik auszuhelfen.
Ich wusste nicht was das ist. Wikipedia kann da helfen: „in Österreich eine Verkaufsstelle für Tabakwaren, Zeitungen, Magazine, Schreibwaren, Post- und Ansichtskarten und andere Kleinwaren“. Einer dieser schönen österreichischen Spezialbegriffe.
Franz Chef, der einbeinige Otto Trsnjek, lernt ihn langsam an, den Kunden schon beim Eintreten die Wünsche von den Augen abzulesen.
Franz Lieblingskunde ist der „Deppendoktor“, Siegmund Freud. Die beiden ungleichen Männer freunden sich an. Franz benötigt Hilfe beim Liebeskummer, Freud ist wegen der intelligenten Äußerungen von Franz oft erstaunt.
Diesen Sommer habe ich zwei Tage in Wien verbracht. Tolle Stadt und der Roman ist auch eine Liebeserklärung an diese Stadt. Ich kann das nachvollziehen.
Die politische Lage vor der entscheidenden Wahl in Österreich, der Antisemitismus, die wirtschaftlichen Probleme der Einwohner: alles wird in schönen Sätzen dem Leser sehr einfühlsam erklärt. Sehr gut gefiel mir auch die Beschreibung der Liebesnöte von Franz. Die Verstrickung von Freud mit dem einfachen Träumer vom Lande war meisterhaft inszeniert. Das Ende bietet einen schönen Abschluss.
Sehr gut gefielen mir auch die Korrespondenzen zwischen Mutter und Sohn und die kleinen Traumzettel am Schaufenster. Wer wissen will, was ich damit meine, muss wohl das Buch lesen!
Robert Seethaler: Der Trafikant, Roman, Taschenbuch, ISBN: 978-3-0369-5909-2, 9,90 EUR, 256 Seiten
♌