Merkt Ihr was?
Silvia und ich lesen immer häufiger die gleichen Bücher! Das kam früher äußerst selten vor. Aber seit wir diesen Blog gemeinsam schreiben, lesen wir auch manchmal die gleichen Bücher. Ob das bei Blogpartnern so ähnlich ist wie bei alten Ehepaaren oder bei Hunden und Hundebesitzern? Gleichen wir uns immer mehr an, was den Buchgeschmack angeht?
Bei diesem Buch war es vorauszuahnen. Wir haben auf der Leipziger Buchmesse die Autorin kennen und schätzen gelernt.
Inhalt
Fred ist alleinerziehender Vater eines 13jährigen, Angestellter und Sterbebegleiter. Bei seinem ersten Einsatz trifft er auf Karla, die mit 60 Jahren nur noch wenige Monate zu leben hat. Eine selbstbewußte Frau, die lange im Ausland gelebt hat und nun zum Sterben zurück nach Deutschland gekommen ist. Sie hat keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie und Fred ist bemüht, ihr einen würdigen Abschied zu ermöglichen. Es braucht lange bis die beiden eine ebenbürtige Beziehung miteinander eingehen. Auch Phil, Freds Sohn, wird auf ungewöhnliche Weise mit in den Sterbeprozess von Karla eingebunden.
Interview
Astrid: Ich war mir gar nicht so sicher, ob ich dieses Buch lesen wollte. Eigentlich war mir gar nicht nach einem traurigen Buch und ich habe wirklich lange darüber nachgedacht. Aber dann war es ja gar nicht traurig.
Silvia: Nein, traurig war es nicht, ich war überrascht wie dieses Thema so leicht aufbereitet werden kann. Eine Tante von mir befindet sich gerde in der Ausbildung zur Sterbebegleiterin. Sie ist frisch im Ruhestand und möchte gerne in einem nahegelegenen Hospiz arbeiten, deshalb habe ich mich direkt für das Buch interessiert. Ich bin schon sehr gespannt, was meine Tante zu dem Buch sagt. Ich werde es ihr zum Geburtstag schenken
Astrid: In diesem Roman geht es nicht nur ums Sterben. Es geht auch um eine Vater-Sohn-Beziehung. Phil ist 13 und schreibt Gedichte. Seinen Vater lässt er nicht an sich ran, obwohl Fred sich viel Mühe gibt und sogar Erziehungsratgeber liest. Durch einen Zufall kommen die beiden sich langsam wieder näher. Sehr einfühlsam geschrieben und absolut glaubwürdig. Oder?
Silvia: Ja, dieser Part gefiel mir auch ganz gut. Zum Beispiel das „Wörterkrankenhaus“, in das Phil „unheilbar erkrankte“ Wörter einwies. Auch die Entwicklung, die Phil selbst in dem Buch mitmacht. Wie er innerlich und äusserlich wächst. Meine Töchter sind 16 und 14, sie machen auch sehr starke Entwicklungen durch, die mich nur staunen lassen.
Astrid: Schön, dass sich mal jemand getraut hat, einen Teenie in eine Sterbegeschichte hineinzuschreiben. Leider werden Kinder heutzutage immer sehr geschont. Gerade der Tod wird so weit wie möglich von ihnen ferngehalten. Ob das immer richtig ist, bezweifle ich. Ich glaube ja, dass Kinder zu viel mehr in der Lage sind als wir Eltern häufig glauben. Du bist da eher zurückhaltend, stimmt’s?
Silvia: Ich überlasse es meinen Töchtern, wie sie sich mit dem Thema auseinandersetzen. Beide waren zum Beispiel letztes Jahr nicht in der Lage mich im Krankenhaus zu besuchen, sie hatten Angst mich hilflos zu sehen. Doch meine jüngere Tochter setzt sich sehr wohl mit dem Tod auseinander und nutzt auch Beerdigungen um ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen und um Abschied zu nehmen. Die Ältere geht ganz anders damit um.
Astrid: Mir geht dieses Buch gar nicht mehr aus dem Kopf. Ich denke immer wieder daran. Natürlich häufig, wenn im Alltag über das Thema Sterben gesprochen wird. Ich habe es schon vielen Freunden empfohlen. Gerade das Ende hat mich mit meinen eigenen Gedanken übers Sterben sehr versöhnt. Es gibt mir eine Perspektive, die mir gefällt. Wie lange wirkte dieses Buch bei dir nach? Bei dir ist das Lesen ja schon viel länger her.
Silvia: Es hat mich zu vielen Gedankenspielen angeregt. Wie würde ich selbst damit umgehen? Könnte ich mir eine solche Aufgabe zutrauen? Wie werde ich mal begleitet wenn es soweit ist? Ich bin froh, dass wir vieles nicht wissen. Aber ja, das Buch begegnet mir oft in meinen Gedanken.
Astrid: Der Titel gefällt mir wirklich gut. Mir ist die Bedeutung aber lange verborgen geblieben. Und für uns Blogger ist er ziemlich schwer zu verarbeiten. Die URL wird bei diesem Beitrag viel zu lang werden. Vor allem für Twitter ist dieser Titel nicht zu nutzen, oder? Hast du mit dem Titel bereits die 140 Zeichen voll? Meinst Du, die Verlagsleute sollten das in Zukunft mehr berücksichtigen?
Silvia: Lach, ja für Twitter ist der Titel zu lang! Auf der Rückfahrt von Leipzig traf ich noch eine Kiwi-Frau beim Umsteigen in Frankfurt. Sie meinte über den Titel wurde in der Redaktion lange diskutiert, lange Titel sind wohl auch oft problematisch. Doch dieses Bild, dass auch im Buch beschrieben wird, ist einfach so passend und schön: ich finde den Titel toll, trotz der eingeschränkten Möglichkeiten bei Twitter ;))
Fazit
Ein Buch, dass ein schwieriges Thema leicht rüberbringt ohne lächerlich oder kitschig zu werden. Es enthält einige sehr gut gezeichnete Chraktere, die mir mal wieder zeigten, dass ich nicht vorschnell urteilen darf. Es eignet sich für alle Altersgruppen ab 16 Jahren. Das Thema Sterben wird in unserer Gesellschaft oft tabuisiert, dieses Buch zeigt, wie man dagegen angehen kann.
BUCHDATEN
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Susann Pásztor
Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster
Gebundenes Buch,
288 Seiten,
ISBN: 978-3-462-04870-4
€ 20,00
Verlag: Kiepenheuer&Witsch
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