Alice Greenway: Schmale Pfade
Dienstag, 8. März 2016
Dieses Buch passt perfekt in das Verlagsprogramm des Mareverlags. So viel Meer in einem Buch.
Inhalt
1973: Jim ist ein alter griesgrämiger Mann. Und das nicht erst seitdem ihm vor nicht allzu langer Zeit ein Bein amputiert wurde. Nach der Operation kehrt er nicht mehr an seinen Arbeitsplatz im Naturkundemuseum in New York zurück. Statt dessen zieht er in das Sommerhaus der Familie auf die kleine Insel Fox Island nach Maine. Dort möchte er seine Ruhe haben. Er ist ein anerkannter Ornithologe und hat noch eine Aufgabe vor sich. Einen lange aufgeschobenen Artikel über „Die Schatzinsel“ von Stevenson. Wenn er nicht gerade zuviel Alkohol intus hat, arbeitet er daran.
Eines Tages bekommt Jim Besuch von einem jungen Mädchen von den Salomonen. Sie ist die Tochter seines treuen Begleiters Tosca aus vergangenen Tagen. Der hat ihm während des Pazifikkrieges 1943 mutig zur Seite gestanden und es ist eine tiefe Freundschaft daraus entstanden. Obwohl er sich immer fragt, warum er das Mädchen aufgenommen hat, erfreut er sich sehr an ihr. Ihre Gegenwart macht es ihm nach Jahren möglich, über seine Kindheit und insbesondere die Kriegsjahre nachzudenken. Und letztendlich auch Frieden zu schließen mit sich und vielen schlimmen Ereignissen.
In Rückblenden erfahren wir viel von Jims Leben. Seine Kindheit war unbeschwert bis ein Unfall geschieht, der ihm den Lebensmut nimmt. Auch die gute Beziehung zu seinem Vater endet dramatisch, ebenso wie die Liebe zu seiner Ehefrau. Der Krieg im Pazifik ist die Hölle.
Seine Kollegen im Museum sammeln nach Jims Ausscheiden Informationen über ihn. Für einen Bericht, den man nicht „Nachruf“ nennen möchte. Dabei geben viele Menschen interessante Auskünfte über Jim, die uns Lesern mehr Einblicke in sein Leben bieten. Unter anderem ermöglichte ihm sein vermögender Großvater ein sorgenfreies Leben. Aber Jim will dieses Geld nicht und unterstützt damit viele Menschen in seinem Umfeld.
Meine Meinung
Der alte Mann wird mir im Laufe des Buches immer sympathischer. Durch so viele Schicksalsschläge habe ich Verständnis für seine Launen. Nur schade, dass er keine Liebe für seinen einzigen Sohn empfinden kann. Er ist der einzige, der ihm geblieben ist. Fergus möchte seinem Vater helfen, erfährt aber nur Ablehnung. Von den Kriegserlebnissen weiß er nur soviel:
Ich habe Jungs aus Brooklyn beigebracht, im Dschungel kein Kaugummi zu kauen.
Cadillac, das Mädchen, bringt frischen Wind in diesen Roman. Eine fröhliche selbstbewußte und liebevolle junge Frau, die Jim positiv gegenüber eingestellt ist. Anfangs denkt der Leser, sie wird diesen griesgrämigen Mann zu einem liebevollen Menschen umkrempeln.
Aber die Gespräche mit ihr erlauben ihm einen etwas anderen Blick auf die Geschehnisse auf den Salomonen während des Krieges.
Er muss jetzt ständig an Helen und den Krieg denken. Als drohe seine so lange verdrängte Vergangenheit sich zu erheben, wie eine gigantische Welle über ihm zusammenzuschlagen und ihn unter sich zu begraben. Es hat dreißig Jahre gebraucht, bis er überhaupt damit begonnen hat, Rückschau zu halten. Es hat dieses Mädchen von den fernen Salomonen gebraucht, ihn daran zu erinnern, wie sich Liebe anfühlte.
Alice Greenway erzählt dieses Buch auf drei unterschiedlichen Zeitebenen (1917/1943/1973) und immer wieder aus einer anderen Sichtweise. Dadurch bekommt der Leser sehr unterschiedliche Meinungen über Jim präsentiert.
Inhaltlich passiert so viel, allerdings erfährt der Leser nicht alle Details und man muss sich vieles zusammenreimen. Am Ende bleiben noch Fragen offen.
Dieses Buch hätte gerne noch einige Seiten mehr haben können. Ich habe es genossen und habe zeitweise alles um mich herum vergessen. So viel habe ich schon über den 2. Weltkrieg gelesen, aber selten über den Südpazifikkrieg. Mir war nicht klar, dass es auf den Südseeinseln einen Kriegsschauplatz gab.
Sprachlich ist dieses Buch wunderschön. Jeden Ort kann ich mir bildlich vorstellen. Gerne würde ich auch einmal im Bootshaus sitzen und aufs Meer schauen. Und ein wenig kann ich nun die Begeisterung der Ornithologen für ihre Passion nachvollziehen.
Alice Greenway, Schmale Pfade, ISBN 978-3-86648-232-6, 368 Seiten
Weitere Rezensionen:
Louisa Kröning, Volontärin bei Mare (Was für ein merkwürdiger Zufall! Sie hat das gleiche Zitat ausgesucht wie ich)