Die Geschichte der Baltimores
Mittwoch, 29. Juni 2016
Familienroman
Der neue Roman des Autors Joel Dicker bedient sich des gleichen Hauptdarstellers wie der Vorgänger „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert„. Marcus Goldman, der erfolgreiche Schriftsteller, erzählt in „Die Geschichte der Baltimores“ die Geschichte seiner Familie.
Die Geschichte der Goldmans
Eigentlich müsste das Buch „Die Geschichte der Goldmans“ heißen. Es gibt zwei Familienzweige dieser Familie. Die Goldmans aus Montclair (New Jersey): normales Haus, normale Jobs. Und die Goldmans aus Baltimore: Villa, Haus in den Hamptons, alle sind so nett und begabt.
Marcus, der Ich-Erzähler ist ein Montclair. Er beschreibt die Unterschiede so:
Baltimore war die Hauptstadt alles Schönen, Montclair der Hort der Unzulänglichkeiten.
Beide Familienzweige haben gleichaltrige Söhne. Aber Marcus aus Montclair wäre gerne ein Baltimore. Alle Ferien verbringt er dort und bildet mit seinem Cousin Hillel und dessen Ziehbruder Woody (Halbwaise aus sehr einfachen Verhältnissen) die Goldman-Gang. Sie sind glücklich! Auch andere Kinder dürfen mitmischen: Scott und Alexandra. Scott ist sehr krank. Seine Schwester Alexandra ist begabt, hübsch, schlau und nett. Die drei Jungs verlieben sich sofort in sie. Und zwar alle…
Das Buch hat noch eine andere Zeitebene. Im Jahr 2012 schreibt Marcus ein Buch über die Vergangenheit seiner Familie. Und schon auf den ersten Seiten ist klar: es gab eine schreckliche Katastrophe. Etwas, was alles verändert hat. Manchmal hat mich diese unheilvolle Ankündigung auf gefühlt jeder dritten Seite etwas genervt.
„Die Katastrophe“ ist in der Gegenwart allgegenwärtig, sogar die Zeitrechnung richtet sich danach aus. Bei der Angabe der Jahreszahlen wird meist eine Anmerkung dahinter gestellt, wieviel Jahre wir uns vor oder nach „der Katastrophe“ befinden. Doch Dicker hält mit der Ursache lange hinter dem Berg. So baut er über 500 Seiten Spannung auf und hat hier einen echten Pageturner hingelegt. Die Sprünge zwischen den verschiedenen Zeitebenen sind sehr gut gelungen.
Auch Zeitkritisches versteht der Autor humorvoll einzubinden. Folgenden Satz habe ich natürlich direkt meinen Kindern vorgelesen:
Früher waren amerikanische Stars Astronauten und Wissenschaftler. Heute sind es Leute, die nichts tun und sich dabei fotografieren, sich oder ihr Essen.
YouTube lässt grüßen…
Oder hier, für alle Bücherfreunde;
Die Kinder ihrer Kinder werden Bücher mit derselben Neugier betrachten wie wir die Hieroglyphen der Pharaonen. „Großvater, wozu hat man denn Bücher gebraucht?“ werden sie fragen. Und Sie werden antworten: „Zum Träumen. Oder um Bäume zu fällen, ich weiß nicht mehr.“
Ich träume lieber weiter mit meinen Büchern.
Eine temporeiche und irgendwie klassische Familiengeschichte über den Aufstieg, Fall und Untergang einer Familie.
Ich begann mich zu fragen, ob ich als Kind womöglich für sie geträumt habe. Vielleicht hatte ich sie ganz anders wahrgenommen, als sie eigentlich waren. Waren sie wirklich diese außergewöhnlichen Menschen, die ich so sehr bewundert hatte? Und wenn das alles nur eine Schöpfung meiner Fantasie gewesen wäre? Und wenn ich seit jeher mein eigener Baltimore gewesen wäre?
Aber auch ein Buch über Freundschaft, Liebe, Loyalität. Und ein Buch darüber wie Neid und Missgunst Leben zerstören kann.
Lieblingsstelle
So gibt es am Ende so eine Art „Moral von der Geschicht‘“, gleichzeitig meine Lieblingsstelle:
Fazit
Ein Buch für Menschen, die spannende Unterhaltungsromane zu schätzen wissen.
Auf den ersten 30 Seiten dachte ich: das kann doch nicht wahr sein: Dicker schrieb das gleiche Buch nochmal. Einsamer Schriftsteller sucht sich ein einsames Haus um einsam ein Buch zu schreiben.
Außerdem nur so bedeutungsschwangere Andeutungen: die Katastrophe! Doch dann fängt Dicker richtig an zu erzählen. Auf mich wirkte es sehr amerikanisch. Verwunderlich, dass ein Schweizer so was schreibt.
Das Buch war wunderbare, spannende Unterhaltung. Ein richtiger Pageturner. Spannend, berührend, tragisch, lustig: immer unterhaltsam.
Joël Dicker: Die Geschichte der Baltimores, übersetzt von Andrea Alvermann und Brigitte Große, Pieper Verlag, 512 Seiten, Gebunden mit Schutzumschlag, ISBN: 978-3-492-05764-6, € 24,00 [D], Verlagsseite
Weitere Stimmen zu diesem Buch
Inga von schonhalbelf
Jessica von primaballerina’s books
Pferde und Bücher
Wie man auf dem Bild sieht gefällt auch Attli das Buch recht gut. Zumindest schaut er recht interessiert. Was das Buch mit Pferden zu tun hat? Nix. Aber bei meinem letzen Reitwochenende habe ich einen Schwung Bücher mitgenommen, um mal Fotos in einem anderen Umfeld zu machen. Und die Isländer vom Reiterhof zum Hochscheid sind einfach tierisch fotogen. Und nein, ich bekomme kein Geld für diesen Link.
Hallo Silvia,
vielen lieben Dank für die Verlinkung! Bei dem Islandpony bekomme ich direkt Lust, wieder in den Sattel zu steigen – ist sogar nach einigen Jahren Abstinenz wieder fest für die Zukunft eingeplant. 🙂
Viele Grüße
Inga
Ja, mach das! Ich habe auch eine längere Pause gemacht und genieße die Reitwochenenden sehr.