Ein Abend mit Michel Houellebecq
Dienstag, 20. Januar 2015
Am 19.01.2015 war es so weit: Michel Houellebecq gibt sich die Ehre, sein Buch in Köln, im Rahmen einer vorgezogenen litCologne-Veranstaltung, vorzustellen.
Die Karte hat mir eine Bekannte schon Anfang Dezember besorgt. Wir saßen zwar in der letzten Reihe, hatten aber einen guten Ausblick auf das Geschehen.
Und da wurde was geboten: Fernseh-Live-Übertragung, Security, Radio, Journalisten, Fotografen…
Die Lesung
Für die Zuschauer stand vor der Lesung erstmal Spießrutenlauf auf dem Programm. Dauernd hatte man ein Mikrofon vor dem Gesicht, oder gar eine Kamera als Gegenüber. „Haben Sie Angst hier?“, war eine der Fragen. Eigentlich ja nicht, aber angesichts des Rummels, der Geschehnisse in den letzten Tagen und der Sicherheitsbestimmungen kam vielleicht doch ein mulmiges Gefühl auf. Da aber während des Vorverkaufs noch nicht mal das Thema des Buches bekannt war, verflog es sofort wieder. Im Foyer des Depots herrschte das übliche Gewimmel einer ausverkauften Veranstaltung. Jacken und Taschen mussten unbedingt abgegeben werden. Die halb erwartete Filzung der Zuschauer bleib aber doch aus. Die Signierung von Büchern leider auch.
Und alles um einen etwas abgerissenes, dürres, alt wirkendes Männchen beim Rauchen einer Zigarette zuzusehen. Natürlich ist er auch ein außergewöhnlicher Schriftsteller. Aber wie er da in der französischen Variante eines Schimanski-Parkas auf die Bühne schlurfte, wirkte er eher wie ein Mann, dem ich auf der Straße mal ein wenig Kleingeld zugesteckt hätte.
Leider konnte ich aufgrund der Lichtverhältnisse keine annehmbaren Bilder machen. Aber bei der Menge an professionellen Fotografen müssen im Netz Hunderte von Bildern zu finden sein.
Ergeben ließ Michel Houellebecq das Blitzlichtgewitter der Fotojournalisten über sich ergehen. Im Saal war es dabei einigermaßen ruhig, so dass man das sirrende Geräusch der automatischen Schnellauslöser hören konnte.
Fotoapparate ab. Nächster Akt: Erklärung des Autors, „damit er sich vor Journalisten nicht endlos wiederholen muss“. Er bestritt, mit „Unterwerfung“ ein islamophobes Buch geschrieben zu haben. Aber wenn ein Autor so etwas schreiben wollte, hat er auch jedes Recht dazu. Das zeichnet Meinungsfreiheit aus. Er ging nicht auf seine persönliche Betroffenheit bezüglich des Anschlages ein.
Ansonsten wirkte er für mich (die nur sehr rudimentäre Französischkenntnisse hat) ganz gut aufgelegt. Er taute immer mehr auf und wurde im Laufe der Veranstaltung richtig locker.
Neben mir saß der Mann einer Bekannten, selbst Franzose. Er kicherte und lachte öfters. Das konnte ich nach der Übersetzung nicht ganz nachvollziehen. Nach einer besonders auffälligen Erheiterung fragte ich nach. Er meinte, ich solle mich nach der Übersetzung richten. Die Rede des Autors wäre in ein „schickliches Deutsch“ übertragen worden. Danach war ich leider so schlau wie vorher…
Das Buch
Gelesen wurde aus dem Buch „Unterwerfung“, auf deutsch, von dem in Köln bekannten Bühnenschauspieler Robert Dölle. Dieser Vortrag war klasse und bot ein gutes Bild auf den umstrittenen Roman. Die ausgewählten Passagen erschienen mir auch weniger politisch, sondern eher an den kulturellen Aspekten im Buch orientiert. So bedauerte der Ich-Erzähler in einer Szene zutiefst, dass in der islamisch geprägten Gesellschaft der Dystopie keine kurzen Röcke mehr zu sehen wären.
Der Meister selbst las nicht, er stellte sich nur den Fragen des Journalisten Nils Minkmar. Diese waren mir ein wenig zu lang und gestelzt. Eine richtige Unterhaltung kam nicht auf. Ich hatte den Eindruck, dass sie öfters inhaltlich aneinander vorbei redeten. Da der Moderator anscheinend auch ganz gut Französisch verstand (zumindest korrigierte er die Dolmetscherin zweimal, was sich ja wohl auch nicht gehört), verstehe ich nicht ganz, warum man in dieser Richtung nicht auf einen Dolmetscher verzichtet hat. Bei anderen Veranstaltungen mit einem nicht-deutschsprachigen Autor habe ich schon oft erlebt, dass der Gesprächspartner die Beiträge selbst übersetzt und zusammenfasst.
So aber entstand eine merkwürdige Dreier-Beziehung. Houellebecq unterhielt sich mit der blonden Übersetzerin, Herr Minkmar auch.
Die Veranstaltung dauerte gut 90 Minuten und war für mich sehr interessant. Michel Houellebecq hat für mich die Bedrohlichkeit verloren, die er durch Lesen dreier seiner Bücher (Elementarteilchen, Die Plattform, Karte und Gebiet) in mir aufgebaut hat. Nach dieser Einsicht freue ich mich sehr auf die Lektüre seines neuen Romans „Unterwerfung“.
Wie schön, dass die Lesung stattgefunden hat. Im Hamburger Abendblatt stand, dass der Autor seine Lesetour abgesagt hatte.
Bin gespannt auf deine Rezension.
Ja, das scheint die einzige Lesung zu sein, an der er teilnimmt. Damit habe ich bei der Buchung der Karte nicht gerechnet!
Ich gebe zu, ich habe von Houellebecq noch nichts gelesen, aber er ist mir früher schon mal aufgefallen (allerdings fällt mir grad der Zusammenhang und der Buchtitel nicht ein) …
Finde ich übrigens sehr gut, dass ihr auch von Lesungen berichtet, das habe ich in meinem Blog eigentlich auch vor, das Dumme ist nur, dass es in meinem im Verhältnis zu Köln eher kleinen Städtchen nicht so oft für mich interessante Lesungen gibt. Aber das Jahr ist ja noch jung, mal sehen, was sich ergibt :).
Liebe Grüße
Ascari
Ja, in Köln sind wir da schon sehr verwöhnt. Die LitCologne, des Kölner Literaturhaus und einige sehr ambitionierte Buchhandlungen machen es möglich.
Ich bin sehr froh darüber, es ist sehr interessant einen Autor mal live zu sehen.
Danke für diesen launigen und informativen Bericht von der Lesung. ich beneide Dich wirklich um Deine Teilnahme an der Veranstaltung.
Wäre selbst sehr, sehr gerne dabei gewesen, zumal ich zu der Zeit in die Lektüre von »Unterwerfung« nahezu abgeschlossen hatte.
Finde es immer ganz interessant, dann den Autor persönlich zu erleben und in seinen Ausführungen eventuell Neues zu erfahren.
Falls es Du Lust hast, kannst Du hier meinen abschließenden Blogbeitrag zu Houellebecqs Unterwerfung lesen.
lg_jochen
Ich bin froh, dass ich dabei sein konnte. jetzt bin ich mir sicher: auch Michel Houellebecq ist nur ein Mensch!
Liebe Sylvia, habe das alles genauso empfunden wie Du es hier beschrieben hast. Mich hat er auch an einen Strassenpenner erinnert. Ich fand trotzdem, dass er eine gewisse Aura besitzt. Ich hatte das Glück ziemlich weit vorne zu sitzen und war teilweise wie paralysiert von seiner Person. Aber ich glaube das liegt an meiner Vorliebe für französisch sprechende Männer 😉
Er ist zumindest ein besonderer Mensch.
Wenn Du mal Begleitung für eine Lesungs suchst: bitte melden!