Franziska Seyboldt: Rattatatam, mein Herz
Sonntag, 4. Februar 2018
2 Blogger, ein Buch
Anfang des Jahres hat gefühlt jeder Blogger ein schönes Geschenk bekommen vom Kiwi-Verlag. „Rattatatam, meine Herz“ von Franziska Seyboldt. Silvia hatte gerade den Vorsatz gefasst, keine Rezensionsexemplare mehr anzufordern. Astrid hatte gerade den Neuerscheinungsbeitrag von Silvia Korrektur gelesen und sich sehr gefreut, dass eins von den vorgestellten Büchern im Briefkasten lag. Da Astrid immer sehr spontan Bücher auswählt und keinen SUB hat, und außerdem gerade ein Buch ausgelesen hatte, fing sie spontan zu lesen an und hörte gar nicht wieder auf.
Astrid: Mich hat dieses Buch sofort in einen Bann gezogen, die Sprache zog mich magisch an. Naja, Du weißt ja, dass ich solche sprachlichen Wunder liebe. Das liegt vermutlich daran, dass ich da einfach nicht mithalten kann. In meinem Kopf gibt es keine Schublade mit außergewöhnlichen Wortschöpfungen! Sehr schade! Es klingt merkwürdig, wenn man am Anfang des Jahres bereits über das Lesehighlight des Jahres 2018 nachdenkt, aber für mich könnte es durchaus dieses Buch werden.
Wann hast Du es eigentlich gelesen? Auch sehr bald oder kam es auf Deinen SUB?
Silvia: Du hast mich ein wenig unter Druck gesetzt, weil du es direkt begonnen hast und wir die Idee hatten, das Buch wieder gemeinsam hier zu besprechen. Ich war 10 Tage später ein paar Tage in Bayern, dort habe ich mir einen Lesetag gegönnt und dabei zu diesem Buch gegriffen. Ich war etwas skeptisch: kein Roman und dann wurde es uns geradezu vom Verlag aufgedrängt. Doch Angst ist ein Thema, das mich beschäftigt. Ich habe zum Beispiel Höhenangst, die sich je nach Tagesform durch Panikanfälle äussern kann. Wie ist es mit dir und der Angst?
Angst
Astrid: Das Thema hat mich ehrlich gesagt noch nie wirklich angesprochen. Meine Ängste halte ich für „normal“. Ich kann damit leben. Im Freundeskreis gibt es auch niemanden, der dieses Problem kennt – soweit ich das weiß! Daher fand ich die Beschreibungen der Autorin sehr spannend. Und erschreckend. Nie hätte ich gedacht, dass Angststörungen so schwer in den Griff zu bekommen sind. Was mich nach Veröffentlichung des Buches wirklich erschreckt, ist die Tatsache, dass anscheinend so viele betroffen sind. Wo ist eigentlich der Unterschied zwischen Angst und Angststörung?
Silvia: Da müssten wir wohl einen Fachmann fragen, ein paar Ansätze zur Unterscheidung bietet ja auch schon das Buch. Ich halte Angst für überlebenswichtig. Sie bewahrt uns vor gefährlichen Handlungen. Doch muss das auch in einem vertretbaren Rahmen bleiben. Panikanfälle sind sicher etwas mehr als normale „vernünftige“ Angst. Nach dem Buch frage ich mich allerdings ob das Zähneknirschen mit den Ängsten zusammenhängt. Bisher habe ich das nicht so gesehen.
Astrid: Mir gefiel die Geschichte aus dem Lanzaroteurlaub total gut. Da hat der Freund den Führerschein vergessen und im Endeffekt fuhr Franziska Seyboldt den ganzen Urlaub über, obwohl sie in Deutschland seit Jahren nicht mehr gefahren war. Manchmal zwingt uns der Zufall zu etwas, über das wir dann doch ganz froh sind.
Mir ist das vor kurzem beim Spinning passiert. Da machte der Trainer ganz spontan aus der Trainingseinheit die 1 1/2 fache Zeit. Ich fühlte mich eigentlich sowieso nicht fit, hätte mich nie aufs Fahrrad gesetzt, wenn ich das vorher gewußt hätte, aber ich merkte sehr schnell, dass die Einheit mir total gut tat. Sonst fühle ich mich beim Ausfahren manchmal sehr traurig, weil ich das Gefühl habe, gerade erst Spaß an der Sache zu bekommen. Jetzt traue ich mir viel mehr zu!
Wann ist Dir so was das letzte Mal passiert?
Silvia: Ich spiele mit meiner Höhenangst. Wenn wir den Sommer in den Bergen verbringen, zwinge ich mich auch einmal Seilbahn zu fahren. Ich habe ein paar Tricks, damit es nicht zu schlimm für mich wird, zum Beispiel muss ich immer in Richtung Berg schauen. Doch die neue Zugspitzbahn ist mir zu krass, da fahre ich lieber ein paar Stunden beim Spinning mit.
Astrid: Ich habe wenig Kontakt mit Menschen, die eine Angststörung haben. Nach der Lektüre von „Rattatam, mein Herz“ frage ich mich allerdings, ob ich das einfach nur nicht weiß. Anscheinend ist das ein sehr verbreitetes Phänomen. Hast Du im Bekanntenkreis jemanden mit Angststörungen?
Silvia: Eine Freundin hat eine Spinnenphobie. Als sie ein altes Haus auf dem Land in Italien gekauft haben und dort mit vielen großen Spinnen zu rechnen ist, machte sie tatsächlich eine Therapie. Konfrontationstherapie. Sie hatte überall Bilder von Spinnen hängen, musste eine riesige behaarte Spinne anfassen und über ihren Arm laufen lassen und hat auf dem Schreibtisch ein beeindruckendes Exemplar in einem Glasbriefbeschwerer. Aber normalerweise ist das kein Thema. Also eher ein Tabu. Niemand spricht groß über seine Ängste. Dieses Buch macht Betroffenen sicher Mut sich zu outen. Mir gefiel auch sehr gut, dass die Autorin im Buch Gespräche mit ihrer Angst führte und vor allem die Vergleiche mit einer Schildkröte und dem Sieb. Das Buch hat mich sehr positiv überrascht!
Fazit
Astrid: Die Autorin Franziska Seyboldt hat die besondere Gabe, aus ihrer Geschichte ein sehr lesenswertes Buch zu machen. Ein Buch, das informiert, aber längst nicht so langweilig ist wie ein Sachbuch sein könnte. Das ist für das Phänomen „Angststörung“ ein großes Glück. Ein Buch, das informiert, aber trotzdem gerne gelesen wird. Was kann es besseres für Probleme geben?
So funktioniert das als Journalistin, als Autorin, das ist ja auch das Wunderbare an diesem Beruf: Wenn einem etwas Schlechtes passiert, kann man immer noch eine gute Geschichte daraus machen.
Uns beiden hat „Rattatatam, mein Herz“ gefallen und wir können es Euch sehr empfehlen.
Rezensionen bei:
Frau Hemingway
FRANZISKA SEYBOLDT
Rattatatam, mein Herz Vom Leben mit der Angst Kiepenheuer&Witsch ISBN: 978-3-462-05047-9 256 Seiten, Pappband Hochwertiger gebundener Pappband mit farbigem Vorsatz |