Mahtob Mahmoody: Endlich frei
Sonntag, 22. Mai 2016
Auf dieses Buch habe ich lange gewartet
Welcher Mensch wird sein Leben lang gebeten, ein Buch über sich zu schreiben? Welche Mutter kann schon ein Buch der Tochter neben ihrem eigenen in der Buchhandlung finden? Da muss man schon eine ziemliche Berühmtheit sein.
Nicht ohne meine Tochter
Mahtob Mahmoody ist so eine Berühmtheit. Obwohl sie selbst sicher nie eine werden wollte. Als 6jährige ist sie 1986 mit ihrer Mutter aus dem Iran geflohen und ihre Mutter hat nach der Flucht den Bestseller „Nicht ohne meine Tochter“ geschrieben. Den Älteren unter euch wird das Buch ein Begriff sein. So wie mir! Für mich war es so ziemlich die erste Begegnung mit dem Iran und dem Islam. In einer Kleinstadt aufgewachsen, hatte ich nicht viele Berührungspunkte mit diesem Land. Den muslimischen Glauben kannte ich nur aus Schulbüchern und aus dem Fernsehen. Das Buch hatte ich in wenigen Tagen verschlungen und es hat mich für mein Leben sehr geprägt. Und wie häufig las ich später die Berichte über Kinder, die von ihren – häufig muslimischen – Vätern verschleppt wurden. Das Buch von Betty Mahmoody ließ viele Bücher über dieses Thema folgen. Regierungen beschäftigten sich mit neuen Gesetzen zum Thema Kindesentführungen.
Endlich frei
In „Endlich frei“ erzählt Mahtob Mahmoody ihre Geschichte. Wie sie als Kind einer Amerikanerin und eines Iraners in den Iran reist und dort von ihrem Vater gefangengehalten wird. Sie ist ein von Natur aus ruhiges und schüchternes Mädchen und klammert sich in der Fremde noch mehr an ihre Mutter. Der in Amerika liebevolle Vater wird im Iran zu einem anderen Menschen, misshandelt ihre Mutter und lässt sie nicht in ihre Heimat zurückkehren. Mutter und Tochter unternehmen eine abenteuerliche Flucht über die Berge in die Türkei, an die Mahtob sich nur noch bruchstückhaft erinnern kann.
Zurück in den USA haben die beiden weiterhin große Angst vor dem Vater, da er der Mutter immer wieder gesagt hat, dass er sie umbringen werde und Mahtob bei sich haben möchte.
Mahtob lebt teilweise unter einem anderen Namen und zieht fast jedes Jahr um. Die Häuser werden streng gesichert und jeder in der Umgebung kennt die Gefahren.
Mahtob bleibt lange Zeit sehr zurückhaltend und schüchtern. Ihre Mutter macht ihr klar, dass sie auch ihr iranisches Erbe leben und akzeptieren muss. Dem Vater kann sie vergeben, möchte ihm aber unter keinen Umständen wieder begegnen.
Mutter und Tochter erleben ruhige, aber auch turbulente Zeiten. Die Mutter ist viel unterwegs, anfangs um ihr Buch in der Welt vorzustellen, später engagiert sie sich sehr für andere Familien, denen das Schicksal ähnlich mitspielt wie ihr einst.
Das Internet und E-Mails machen der Familie das Leben schwerer. Haben sie früher auch viele Briefe bekommen, empfinden sie die eintreffenden E-Mails als persönlicher. So hat auch der Vater nun eine einfache Möglichkeit, mit seiner Tochter in Verbindung zu treten.
Der Leser erfährt vom Leben des Kindes, des jungen Mädchens und der erwachsenen Frau, die aus Mahtob geworden ist.
Meine Meinung
Ich habe lange auf dieses Buch gewartet. Mich hat immer sehr interessiert, wie ein Kind mit so einer Geschichte erwachsen werden kann und ein normales Leben führen kann.
Zum Glück hat Mahtob einen sehr festen Willen und weiß ihn durchzusetzen. Sie läßt sich nicht von ihrem Vater unterkriegen, findet sich im christlichen Glauben wieder und ist sehr motiviert, was Schule und Studium angeht.
Dieses Buch ist sehr flüssig geschrieben, ich kann kaum glauben, dass Mahtob das alles selbst geschrieben hat. Aber auf der Suche nach einem Co-Autor bin ich nicht fündig geworden. Manchmal wiederholt die Autorin sich und manchmal springt sie in der chronologischen Erzählweise zurück. Das machte mir die Zuordnung zu bestimmten Ereignissen nicht ganz leicht.
Schwierig und etwas undurchschaubar waren ein paar Szenen, in denen anscheinend Fremde in ihrer Wohnung ihr Unwesen treiben. Das ganze klang nicht überzeugend und der Grund hat sich mir nicht ganz erschlossen. Was hätte ihr Vater davon gehabt?
Hatte ich auch früher in den Medien von ihr gelesen, so las ich immer von den Umzügen. Da sie aber anscheinend immer im gleichen Bundesstaat geblieben ist und ihre Schulen nur gewechselt hat, wenn es altersmäßig anstand, habe ich diese Maßnahmen nicht ganz verstanden. Als Leser hatte ich den Eindruck, als wäre die Gefahr des Kidnappings nicht immer präsent gewesen. Aber wie kann ich das beurteilen? Und was bedeutet die „echte“ Gefahr im Vergleich zu den Gefühlen und Ängsten, die diese Menschen gehabt haben. Da werde ich mir kein Urteil zu erlauben.
Aber im Ganzen hat dieses Buch meine Erwartungen erfüllt. Nun habe ich auch für mich das Gefühl, dass die Geschichte abgeschlossen ist.
Fazit
Ein Buch, auf das ich unbewusst lange gewartet habe. Wer das Buch „Nicht ohne meine Tochter“ kennt und gut fand, dem kann ich dieses Buch uneingeschränkt empfehlen. Wer das Buch und den Hype von früher nicht kennt, kann vielleicht nicht so viel damit anfangen.
Was mir bis zuletzt nicht klar wurde. Im ersten Buch war meiner Erinnerung nach immer von Mahtab die Rede, nun heißt das Mädchen Mahtob. Hat dafür jemand eine Erklärung?
Mahtob Mahmoody, Endlich frei, Bastei Lübbe, Autobiografien, 416 Seiten, ISBN: 978-3-431-03919-1
Das Buch erscheint am 10.06. auch als Taschenbuch.
Ich habe gar nicht mitbekommen, das es sozusagen einen „Nachfolgeband“ gibt. Das die Tochter nun auch geschrieben hat. Ich habe dieses Buch, wie du damals, verschlungen. Und ich habe mich als Jugendliche oft gefragt, ob das Mädchen neben mir auch von ihrem Vater verschleppt werden könnte. Dein Fazit hört sich für mich nicht überzeugt an. Vielleicht sollte ich es einfach so im Buchregal stehen lassen.
Liebe Grüße
Andrea
Liebe Andrea,
ich bin in vielen Dingen sehr neugierig, deswegen musste ich dieses Buch unbedingt lesen, aber es wird mir sicher nicht so in Erinnerung bleiben wie das Buch ihrer Mutter. Dafür ist es nicht spektakulär genug, worüber ich ehrlich gesagt aber ganz froh war.
Es wundert mich nicht, dass Du gar nicht mitbekommen hast, dass die Tochter ein Buch geschrieben hat. Ich habe es auch nur durch Zufall mitbekommen, als ich auf der Buchmesse 2015 ihren Namen las.
LG Astrid
Ich hatte davon auch bislang nichts mitbekommen. Werde das Buch sicher lesen. Nicht ohne meine Tochter war eines der ersten „Erwachsenen-Bücher“, die mir im Gedächtnis haften geblieben sind. Ich hatte es aus dem Bücherregal meiner Mutter und war vielleicht 10 Jahre alt als ich es gelesen habe.
Für eine 10jährige sicher kein einfaches Buch!
Momentan gibt es das Hardcoverbuch sehr häufig bei Tauschticket – falls du dort aktiv bist. Ansonsten gibt es ja jetzt auch bald die Taschenbuchausgabe.