Fahrenheit 451
Dienstag, 24. Mai 2016
Fahrenheit 451. Die Temperatur, bei der sich Papier entzündet.
Montag ist Feuerwehrmann. Eine Stütze der Gesellschaft.
Nur ist es eine Gesellschaft, in der Phantasie und Individualität unterdrückt wird.
Die Feuerwehr, die bei uns ja zu den letzten wirklichen Helden zählt, ist in Bradburys Welt nicht dazu da, um Brände zu löschen. Das ist aufgrund feuerfester Überzüge über alles, jedes Haus nicht mehr nötig. Die Feuerwehr hat jetzt zur Aufgabe Brände zu legen und zwar an Büchern. Sie zögern auch nicht mal einen Menschen mit zu verbrennen, wenn er sich von seinem verbotenen Besitz nicht lösen kann.
Die Feuerwehrleute sind immer noch gut angesehen in der Gesellschaft, aber aus total perversen (aus unserer Sicht) Gründen. Ihr Erkennungszeichen ist der Salamander, ein Tier, das angeblich im Feuer überleben kann.
Eine Welt ohne Phantasie, Geschichten, Sachbüchern. Unvorstellbar! Und nicht nur das, auch Werte wie Familie, Beziehung, Freundschaft scheinen nichts mehr zu zählen. Das alles wird durch riesige Fernsehwände im Wohnzimmer ersetzt. Dort wird inhaltslose Unterhaltung für alle geboten. Niemand muss sein Haus verlassen, nur zum Arbeiten.
Kranke werden nicht gepflegt, sondern repariert. Ein Suizid? Kein Problem. Entweder der Selbstmörder schafft es, oder halt nicht. Da denkt keiner groß drüber nach.
Auch sowas wie Spaziergänge sind nicht üblich. Kleine Plaudereien: wozu? Junge Menschen haben Spaß daran sich gegenseitig tot zu fahren. Das ist in Ordnung. Hauptsache sie sind gut versichert.
Auch Montag ist sehr gut integriert. Er ist ein guter Feuerwehrmann und hat Spaß daran, Brände zu legen. Es gibt ihm Macht.
Bis ihm jemand einen anderen Weg aufzeigt. Und das nur durch kleine Begegnungen und Gespräche. Eine junge Frau, die neu in der Nachbarschaft ist und Montag oft begegnet. Sie freunden sich an. Sie rührt etwas in ihm an. Montag beginnt über sein Leben nachzudenken.
Der Autor
Ray Bradburys Dystopie erschien erstmalig 1953. Das Buch erschien in vielen Sprachen, wurde verfilmt, auf die Bühne gebracht, als Comic verarbeitet und wird oft im Unterricht gelesen. Der Roman basiert auf einer Kurzgeschichte, die zwei Jahre früher veröffentlicht wurde. Bradbury galt wegen der berühmten Mars-Chroniken als Science-Fiction-Autor. Dies sieht man dem Cover einer älteren Ausgabe, die sich noch bei uns im Regal fand, auch an. Er veröffentlichte viele Romane, Kurzgeschichten, Gedichte und schrieb Drehbücher. Ray Bradbury starb 2012.
Geschrieben hat Bradbury den Roman übrigens in einem Raum unter der Bibliothek der UCLA. Dort fand der Autor Ruhe vor seiner neugeborenen Tochter und mietete sich eine Schreibmaschine für 10 Cent pro halbe Stunde. Diese nette Geschichte steht in der vom Autor im Jahr 2003 verfassten Einleitung. Auch das Nachwort ist vom Autor selbst. Bitte beides unbedingt lesen! Am besten erst nach dem Buch.
Der Titel
Kleine Anekdote: der Titel beruht wahrscheinlich auf einem Irrtum. 451° Fahrenheit wird hier als die Temperatur angegeben, bei der sich Papier selbst entzündet. Das stimmt wohl so nicht. Hier wird versucht diesen Irrtum zu erklären.
Noch eine: als ich meinem Mann stolz meine Neuerwerbung zeigte, grummelte er und kam ein paar Minuen später mit seinem Exemplar zurück. Jetzt haben wir halt zwei…
Fazit
Bradbury gelingt es, ein komplexes gesellschaftliches Gefüge in einem recht kurzen Roman darzustellen. Andere hätten sicher einen 800-Seiten-Wälzer daraus gemacht. So beschränkt sich der Autor auf die wichtigen Schlüsselszenen. Das Buch ist auch heute gut zu lesen, kurzweilig und ich frage mich, warum ich es nicht schon viel früher gelesen habe. Ich habe mir vorgenommen das Buch auch noch im Original zu lesen. Die von mir gelesene Diogenes Ausgabe ist übrigens in der 1955 erschienen Übersetzung von Franz Güttinger. Ein wichtiges Buch, über das man auch unsere heutige Gesellschaft hervorragend reflektieren kann. Ein Buch, das ich in einem Atemzug mit 1984 nennen möchte.
Dieses Buch steht auch auf der Liste der Bücherkultur Challenge.
Ray Bradbury: Fahrenheit 451, Roman, detebe 20862, 240 Seiten, Erschienen im Juni 2008, Übersetzer: Fritz Güttinger, ISBN 978-3-257-20862-7, € (D) 9.90
…und wieder ist meine Liste der zu lesenden Bücher länger geworden ;).
Danke dafür!
Viele Grüße,
Friederike
Ich freue mich, dass ich auch mal deine Liste verlängern kann ;))
Unheimlich spannende Geschichte. Mich hat sie schon nach wenigen Sätzen gefesselt. Bedrohlich, ehrlich und intensiv – und leider gar nicht so realitätsfern, wie man es sich gerne wünschen würde!
LG Britta
Das hast du sehr passend zusammengefasst!
Ein tolles Buch, das wir letztes Jahr in einer lovelybooks-Lesrunde gelesen haben. Habe vor Jahren mal die Verfilmung gesehen, konnte mich aber kaum noch an die Handlung erinnern. Danke für die schöne Rezension.
Liebe Grüße
Thomas
Danke. Den Film möchte ich auch gerne noch sehen. Und vielleicht das Buch nochmal auf Englisch lesen.
Als absoluter Bradbury-Fan kenne ich Fahrenheit 451 natürlich auch, aber es ist auf keinen Fall mein Lieblingsbuch von ihm. EIGENTLICH ist er ja vor allem Meister der Kurzgeschichte, und ich hoffe, du hast da auch schon was von gelesen. Wenn nicht, darf ich dir „The Smile“ und „The Fog Horn“ ans Herz legen. Voller Wehmut, voller sprachlicher Schönheit, dennoch kurz und auf den Punkt gebracht. Die Interpretation von „The Smile“ hat mir damals eine 1+ in meiner Englisch-Abi-Klausur eingebracht. Ich bin also etwas voreingenommen…
Von Bradbury’s Romanen ist mein Liebling „Dandelion Wine“. Ein Roman (der eigentlich aus zusammengeflochtenen Kindheitsgeschichten über einen Sommer hinweg besteht), in dem Bradbury u.a. die heranreifenden Erkenntnisse eines Jungen über das Leben und den Tod und die eigene Sterblichkeit thematisiert. Beeindruckend.
Ich habe gehört, dass Bradbury im Lesekreis nicht so sonderlich geschätzt wird. Schade, falls das stimmt. Ich finde ihn großartig und war über seinen Tod sehr betroffen. Wenn ich einen Lieblingsschriftsteller habe, dann ist es Ray Bradbury.
Gruß,
Ute
Danke für deine Empfehlungen. Ich habe bisher tatsächlich erst Fahrenheit gelesen, denn für mich stand Bradbury vorher als Science Fiction-Autor (wie es auch auf der alten Ausgabe vermerkt war). Bei der Diskussion im Lesekreis konnte ich leider nicht dabei sein. Ich muss mal fragen wie dieser Abend war.
Ja, das Science Fiction Label haftet Bradbury durch die „Mars Chroniken“ fest an. Er hat auch viel geschrieben über Raketen, fremde Planeten und Zukunftsszenarien. Allerdings hat das wenig mit „technischer“ Sci Fi zu tun, sondern viel mehr mit den Menschen, die darin vorkommen, und mit teils visionären Ideen. Ich sehe Bradbury eher als Phantastikautor, auf einer Linie mit solchen Schreibern wie Neil Gaiman – die bilden ihr eigenes, nicht wirklich zuordnungsbares Genre.
Viele von Bradbury’s Geschichten – so auch Löwenzahnwein – spielen allerdings in einer imaginären amerikanischen Kleinstadt in den späten 20er Jahren, in der ein Junge namens Douglas wohnt. Das ist schlicht und ergreifend Bradbury’s junges Alter Ego, und darum finde ich diese Stories auch so persönlich und berührend. Und düster. Düster ist immer alles ein bisschen bei Bradbury…
Du hast dich echt viel damit beschäftigt. Wir müssen unbedingt beim nächsten Treffen darüber reden.
Hallo
Dies ist meine erste Rezension, die ich über Fahrenheit 451 lese. Natürlich habe ich schon von dem Buch gehört und da ich Klassiker schätze, ist es auf meiner To-Read-List. Und natürlich ist es auch in unserer Challenge drin! Super 🙂
Das Buch scheint auf jeden Fall zu Recht in diese Kategorie zu gehören und ich bin schon sehr gespannt darauf. Danke für Deinen Text.
LG Tabea
Es ist wirklich lesenswert und ich bin sehr froh, dass ich es durch die Challenge endlich gemacht habe.
Ich habe das Buch vor einigen Jahren gelesen und mich hat das Thema gereizt, wobei ich ebenfalls überrascht war, wie kurz das Buch ist. Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn es einige Seiten mehr gehabt hätte, aber auch so funktioniert es sehr gut. Das Thema ist tatsächlich erschreckend wichtig, weshalb ich das Buch auch noch mal für die Schule lesen musste (manchmal gab es eben doch interessante Lektüren). Zwei Ausgaben habe ich dadurch also auch im Regal stehen, wenn auch wissentlich 😉
Ja, sicher ein zeitloses Buch.
Von einigen aschullektüren habe ich hier auch mehrere Ausgaben stehen. Bei mir war es Herr der Fliegen, der mich besonders beeindruckt hat.
Liebe Grüße
Silvia