[Rezension] Chris Kraus: Sommerfrauen, Winterfrauen
Mittwoch, 5. September 2018
Der neue Roman von Chris Kraus
Der Autor von „Das kalte Blut“ bringt ein neues Buch heraus. Ich bin gespannt. Netterweise hat mir der Diogenes Verlag ein Leseexemplar zur Verfügung gestellt.
Jonas, Ende 20, ist Regiestudent und fliegt nach New York. Es ist das Jahr 1996. Jonas soll alles organisieren für seine Mitstudenten, die zwei Wochen später nachkommen. Kostenlose Unterkunft ist vor allem gefragt. Er selber wohnt erst einmal bei einem Bekannten seines Professors. Jeremiah Fulton. Dieser wohnt in einer nicht ganz ungefährlichen Gegend. Schon bei seiner Ankunft wird Jonas überfallen. Trotz sehr widriger Umstände richtet sich Jonas in der vor Unrat verwüsteten Wohnung ein.
Die Filmstudenten sollen in New York einen Film über Sex drehen. So sind jedenfalls die Anfangsüberlegungen.
Mah ist die Freundin von Jonas. Sie arbeitet in einem Hospiz, hat ihre Organe seitenverkehrt im Körper verteilt und ist manisch eifersüchtig. Sie hat Jonas im Krankenhaus kennengelernt, als man ihm nach einem Motorradunfall den Schädel wieder zusammengeflickt hat. Jonas hat überlebt, der Fahrer des Motorrades leider nicht.
Wir sind jetzt seit drei Jahren zusammen. Seit über drei Jahren. Wir sehen keine Risse, fangen aber an zu lauschen. Hin und wieder knackt da was.
Tante Paula lebt in New York. Sie ist alt und krank und sie ist gar nicht die Tante von Jonas. Sie hat Jonas’ Urgroßvater und Großvater im Krieg kennengelernt, als er in Lettland wütete. Später war sie bei dem Großvater als Kindermädchen angestellt, bis sie nach New York ging und Künstlerin wurde. Sie möchte Jonas unbedingt kennenlernen.
Jonas lernt Tante Paula kennen und ist mehr als verwirrt von den Dingen, die er von ihr über seine Familie lernt. Zwar hat Jonas zu seinem Vater keinen Kontakt mehr, aber auf seinen Großvater läßt er (fast nichts) kommen.
Jonas schreibt während seiner New York Zeit Tagebuch. Seine Tochter findet diese Aufzeichnungen nach Jonas Tod und lernt ihn dadurch etwas besser kennen. Ich habe mir angewöhnt, nach Beendigung eines Buches noch einmal den Anfang zu lesen. Das verhilft mir häufig zu einem besseren Verständnis der Geschichte. So auch in diesem Buch.
Ein Buch mit vielen Themen
Die Zeit in New York ist chaotisch für Jonas. So viel passiert um ihn rum. Er lernt viele Menschen kennen und wird immer sofort hineingezogen in ihr Leben. Dabei scheint es in seinem Umfeld keine „normalen“ Menschen in New York zu geben. Mich erinnert das an Woody Allen Filme, in denen jeder neurotisch ist. Viele Menschen werden erwähnt, ich kenne die meisten nicht. Viele von Jonas Bekannten kommen und gehen und der Leser darf sie auch wieder vergessen. Das Holocaustthema ist auch nur ein Teil dieses Durcheinanders. Schwangerschaften, Selbstmordversuche und die Eifersucht und die Macken der Freundin nehmen einen großen Teil der Geschichte ein. Mir fehlt wie auf einem unscharfen Foto der Fokus. Der Autor springt von einem Thema zum nächsten, mir fehlt die Konzentration auf ein Hauptthema.
Das klischeehafte New York
New York stellt sich so dar, wie man es aus Filmen kennt. Egozentrische Menschen, Raubüberfälle, Wetterkapriolen. Ich freue mich, dass ich auch etwas von „meinem“ New York in dem Buch wiederfinde.
Die Sprache von „Das kalte Blut“ ist famos. Sprachlich gefällt mir auch dieses Buch, nur die vulgären und sehr männlichen Ausdrücke brauche ich nicht für ein begeisterndes Leseerlebnis.
Was es mit dem Titel des Buches auf sich hat? Sommerfrauen, Winterfrauen. Das ist etwas komplizierter und braucht schon das ganze Buch, um es zu verstehen.
Fazit
„Sommerfrauen, Winterfrauen“ ist ein in New York spielendes Drama. Es geht um neurotische Menschen, um Schwangerschaften, den Holocaust und filmverrückte Studenten. Jonas, der Protagonist, erlebt eine aufregende und erschütternde Zeit. Für mich ein paar Themen zu viel, aber trotz allem ein sehr lesenswertes Buch.
Liebe Astrid,
danke, dass Du es für mich gelesen hast. Dann weiß ich, für welche Stimmung ich es mir mal gönnen werde. Es rutscht jetzt im Sub erst mal etwas nach hinten.
Liebe Grüße
Erika
Liebe Erika,
ich hoffe, du liest es noch! Bin sehr gespannt auf deine Meinung.
Viele Grüße
Astrid