Rezension Debüt von Yara Lee
Dienstag, 19. Juni 2018
Als ob man sich auf hoher See befände
Der Blog Das Debüt lobt auch dieses Jahr wieder einen Preis für das beste Debüt mit einer Bloggerjury aus. Die Liste der eingereichten Bücher füllt sich langsam. Alle kann ich sicher nicht lesen, doch dieses Buch habe ich mir wegen des Delfins darauf zugelegt. Ich kaufe gerne Bücher wegen des Covers.
Als ob man sich auf hoher See befände ist ein Roman über Liebe, Beziehungen, Familie, das Meer und Delfine. Ein Debütroman mit Wortspielen und aufschlussreichen Kapitelüberschriften. Der Stil wechselt von leichtfüßig bis poetisch. Dazu direkt am Anfang ein Zitat, die Überschrift zu Kapitel 15
Die wiederauferstandene Möwe fliegt davon.
parallel zur aufsteigenden Tinte
des allerblausten Himmels.
Hinein in die blaue Tinte auf dem Papier
Ein Gedicht als Kapitelüberschrift. Wunderschön, nicht wahr?
Inhalt
James und Marla lernen sich kennen und lieben.
Lelius und Estrela lernen sich kennen und lieben.
Im ersten Teil des Buches wechseln sich ihre Geschichten ab, sie gleichen sich auch irgendwie und irgendwie doch auch nicht. Lieben ist eben individuell.
Ulysses ist eine weitere Hauptperson im Buch. Nach und nach wird auch klar, wie alle miteinander verbunden sind.
Marla lernte ich am intensivsten kenn. Sie ist Kunsthistorikerin und verblüfft ihre Gesprächspartner und auch mich mit ihrem detaillierten Wissen. Kunst, Kultur, Geschichte. Sie wirkt wie ein wandelndes Lexikon und gibt Antworten auf Fragen, die nie jemand stellt. Ihre Art zu kommunizieren? Im realen leben würde sie mich damit nerven.
Beobachtungen
Die Autorin Yara Lee hat eine sehr gute Beobachtungsgabe und die Fähigkeit diese Beobachtungen in Worte zu fassen.
[Ulysses] ging die Straße entlang mit jenem speziellen Gang, an dem man Verzweifelte erkennt, die sich ihrer Verzweiflung nicht anmerken lassen wollen, nämlich bemüht aufrecht und Ausschau haltend, ohne so recht zu wissen, wonach.
Musik
Die Autorin ist Pianistin. Doch Musik ist nicht das beherrschende Thema in diesem Buch. Doch kommt sie natürlich auch vor. Wie zum Beispiel in dieser Szene, in der James und Marla in einer Bar Musik hören:
Es ist Musik mit viel Rot, aber auch Gelb- und Brauntönen, ein Aquarium an Tönen.
Direkt mehrere Assoziationen zu Musik. Farben und das Aquarium. Ich sehe, wenn ich intensiv Musik höre, eher Bruchstücke von Landschaften: Gewitter, Wälder, Licht-Schattenspiel oder Wellen. Doch die Empfindungen zu Musik sind sehr individuell.
Delfine
Ihre Bedeutung für das Buch ist mir nicht ganz klar. Sie kommen häufiger vor. Erwähnt werden zum Beispiel das Tier Pelorus Jack, oder auch Opo und Jill Baker. Mir sagte das vorher nichts. Ich kenne nur Flipper…
Auch moderne Kommunikationsforschung mit Delfinen ist ein Thema. Einen Delfinforscher, ein passendes Institut, lernen wir kennen. Doch welche Bedeutung haben diese schönen, intelligenten Tiere für das Buch? Ich las es recht gern, weiss aber nicht, ob ich vielleicht vieles einfach nicht erfasst habe.
Kommunikation
Marla, für mich die Hauptperson, hat wohl Probleme mit Kommunikation. Oder eher mit Gefühlen und diese zu bestimmen und zu artikulieren? Sie nimmt Wörter auseinander, versucht ihre Herkunft und Verwandtschaft untereinander zu bestimmen. Diese kleinen Wortspielchen fand ich schön, Angelika wohl eher nicht. Ist dies und die Fakten, mit denen sie in jeder passenden und unpassenden Situation aufwartet eine Verdeutlichung ihrer Probleme mit der Außenwelt?
Odyssee
Eine der Personen im Buch ist Ulysses, der nicht nur den Namen mit Odysseus gemeinsam hat. So trifft er zum Beispiel auf Kirke und lässt sich gerne von ihr verführen. Diese bringt ihn im Gegenzug von seinem geplanten Selbstmord ab. Denn er ist alt, nicht mehr gesund und unglücklich, auf ewiger Suche.
Das letzte bisschen Würde, die ein Mensch haben kann, dass er sein Ableben nicht dem Zufall überlässt.
Recht hat er. Doch reichen seine Gründe aus um sich das Leben zu nehmen? Gibt es nicht immer doch noch Hoffnung? Wann, wenn überhaupt jemals, ist der richtige Zeitpunkt gekommen?
Fazit
Dieser Debütroman hat mich gepackt und gefordert. Ich habe das Buch unheimlich gerne gelesen, aber es liess mich auch etwas ratlos zurück. Es liest sich leicht und ist doch poetisch. Fraglos ein wunderbarer Sprachstil. Doch konnte ich die Bedeutung nicht ganz erfassen. Doch ist das wirklich wichtig?
Yara Lee hat sich bereit erklärt mir ein paar Fragen zu ihrem Buch und zu sich selbst zu beantworten. Das Interview werde ich in den nächsten Tagen veröffentlichen.
Infos zum Buch
Als ob man sich auf hoher See befände
192 Seiten |