Arno Geiger, Lesung im Rahmen der lit cologne (Gastbeitrag von Buchmarie)
Samstag, 4. April 2015
Nach der Buchmesse lag ich flach. Die Erkältung nahm mir erst die Stimme, dann ging gar nichts mehr. So musste ich die Lesung von Arno Geiger im Rahmen der lit cologne auch abschreiben.
Buchmarie war so nett meine Karte zu übernehmen und einen Bericht zu dieser Lesung zu schreiben:
Am 20.03.2015 habe ich stellvertretend für Silvia die Lesung von Arno Geiger zu seinem neuen Roman „Selbstporträt mit Flusspferd“ im Rahmen der LitCologne besucht. Ich war sehr neugierig auf Arno Geiger, der mich schon mit „Alles über Sally“ und „Der alte König im Exil“ begeistert hatte. Durch seine Gespräche mit Literaturredakteur und Kritiker Hubert Winkels habe ich nun einen Autor hinter seinem Werk kennengelernt, der mich vor allem mit seiner Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit überzeugt hat. Arno Geiger hat im Rahmen der Lesung wirkliche Einblicke in sein Denken und seine Motive gegeben, anstatt sich wie manch anderer Autor hinter bloßen Anekdoten und Plattitüden übers Schreiben zu verstecken. Man ist wirklich dem Autor hinter dem Buch begegnet und hat einen sehr intensiven Blick auf den Roman gewonnen, auch dank der klugen Fragen und Beobachtungen von Winkels.
Auf das Kompliment hin, sich so überzeugend in andere Personen hineindenken zu können, wie wenig andere, antwortete Geiger, dass es wohl daran läge, dass er sich selbst bei Seite stehen lassen könne. Er habe selbst kein großes Ego, sondern es reize ihn in andere Perspektiven zu schlüpfen. Darin sehe er eine moralische Verpflichtung, da sich nur durch das Hineindenken in das Leben anderer, in deren Perspektive die Sicht auf die Welt verfeinere, verändere und man sozusagen eine dreidimensionale Sicht auf die Welt gewinne. Etwas das für einen Fundamentalisten mit seiner eindimensionalen Sicht auf die Welt das Schlimmste wäre.
Als es um den zeitlichen Abstand geht mit dem Julian sich dieses Trennungs- und Flusspferdsommers erinnert, erklärt Geiger dass diese Distanz durch das vorgeschobene Kapitel aus dem sich dann der Rückblick entwickelt, notwendig sei. Er selbst habe als junger Mann einmal über das Jungsein geschrieben, aber das hätte nicht funktioniert. Ähnlich wie der Erzähler im „Fänger im Roggen“ sei er zu dicht dran gewesen. Nur mit dem zeitlichen Abstand , den er nun als Mitte Vierzigjähriger habe, sei es ihm möglich gewesen so über das Jungsein und das Suchen zu schreiben. In dem er die Möglichkeit habe zwei Schritte zurück zu treten und dann wieder ganz nah dran, durch das Spiel mit Distanz und Tuchfühlung, hätte er für sich einen Weg gefunden sich in Julian hineinzudenken und zu schreiben.
Arno Geiger widmet sich dem suchenden Julian, der sich einmal alles und einmal nichts vorstellen kann. Der in einer Zeit der großen Unsicherheit lebt, einer Zeit der Ratlosigkeit und der der Normalität entfliehen will. Er möchte Dämonen begegnen und sei auf der Suche nach Tragik. Laut Geiger habe Julian Sehnsucht nach Charakterzügen und Aspekten, die er selbst nicht habe, und suche sich deswegen zum Beispiel Timor als Reibungsfläche. Julian habe noch nicht bei sich selbst Fuß gefasst, ganz im Gegensatz zum Flusspferd, das ganz bei sich sei.
Auf die Frage hin, wie das Flusspferd denn in den Roman komme, holt Geiger weiter aus. Sein Freund Werner, der inzwischen leider verstorben sei, hätte als junger Mann auch bei einem Professor gearbeitet und hätte ähnliche französische Dialoge zwischen Vater und Tochter miterlebt. Werner hätte auch kein Französisch gekonnt und Geiger hat dieses skurrile Setting des Nichtverstehens gereizt. Geiger hat dann aus den Studenten Veterinärstudenten gemacht und war dann lange auf der Suche nach einem Tier, um das sich die beiden kümmern könnten. Vieles habe sich falsch angefühlt, bis ihm dann schließlich das Flusspferd eingefallen sei. Dieses „nutzlose, überflüssige“ Tier. Es sei mit der größten Selbstverständlichkeit dick & träge, es lasse sich nicht umarmen, man könne ihm nichts beibringen und man könne es ökonomisch nicht nutzen. Es sei einfach ein Flusspferd, wie Professor Beham sagt, weiter nichts. Geiger selbst hat im Zoo von Basel und Leipzig ausführliche „Feldstudien“ zum Flusspferd betrieben.
Zum Schluss noch Geigers Antwort auf die Frage, ob Aiko und Julian noch zusammen seien. Dies würde er oft gefragt werden, er wisse es nicht. Dann habe er seine Frau gefragt, die meinte einfach „ja“. Woher sie das wisse, sie wisse es einfach…“Weißt du Arno, es gibt auch Beziehungen, die gehen gut aus.“ Schmunzelnd schiebt Geiger auf dieses Zitat hin noch hinterher, „Ich höre oft auf meine Frau.“
Vielen Dank, liebe Buchmarie, für diesen wunderbaren Bericht. Es war für mich ein wenig so, als ob ich auch dort gewesen wäre.
Das Foto des Autors habe ich ich eine Woche vorher auf der Buchmesse in Leipzig gemacht. Eine Rezension des Buches habe ich hier veröffentlicht.
Toller Bericht! Vielen Dank, Buchmarie! Jetzt bin ich so neugierig auf den Geiger geworden, dass ich doch glatt mal schauen muss, ob er noch einmal nach Hamburg auf eine Lesung kommt. Aber ich fürchte, seine Lesungstour ist vorbei. Schade!