Benedict Wells: Vom Ende der Einsamkeit
Sonntag, 1. Mai 2016
Ich wollte dieses Buch nicht lesen!
Der Hype um diesen Roman war mir nicht sehr angenehm und eigentlich wollte ich im Moment nichts Trauriges lesen. Mir war so viel mehr nach was fröhlichem nach diesem langen Winter.
Aber wie so häufig kam es anders!
In Leipzig auf der Buchmesse hatte ich die großartige Gelegenheit, den Autor persönlich zu treffen. Skeptisch wie viele andere saß ich dort und mit jeder Minute überzeugte mich dieser junge Mann mehr. Hätte ich die Gelegenheit gehabt, ich hätte danach sofort mit diesem Buch begonnen. Sieben Jahre hat er daran geschrieben, um am Schluß alles auf die Hälfte zu verkürzen. Damit die Leser sich auch ihren Teil dabei denken müssen.
Inhalt
Jules ist 10 als er seine Eltern bei einem Autounfall verliert. Er kommt mit seinen älteren Geschwistern auf ein Internat. Er ist seitdem verändert, hat Probleme mit seinen Mitschülern und verliert den Kontakt zu Bruder und Schwester. Nur mit einer Mitschülerin hat er einen guten Kontakt. Doch nach Beendigung der Schule zerstreiten sie sich und erst Jahre später begegnen sie sich wieder.
Nie den Mut gehabt, sie zu gewinnen, immer nur die Angst, sie zu verlieren.
Der frühe Tod der Eltern begleitet Jules sein ganzes Leben lang. Lange Zeit möchte er sein Leben eintauschen, in eines, in dem seine Eltern leben. Auch die Geschwister haben schwere Wunden davongetragen und es ist für alle auch nach Jahren nicht einfach, ein harmonisches Leben zu führen. Der frühe Tod der Eltern wird nicht der einzige Schicksalsschlag für die Geschwister bleiben. Das Leben ist eben kein Nullsummenspiel!
Der erste Satz des Buches macht mir bereits Gänsehaut.
Ich kenne den Tod schon lange, doch jetzt kennt der Tod auch mich.
Meine Meinung
Nach Beenden des Buches hörte ich mir die Lesung bei Lovelybooks mit Benedict Wells an. Dort erzählte er, dass er häufig auch viele Seiten am Stück schreibt. Unter anderem die letzten 100 Seiten in diesem Buch. Er konnte gar nicht mehr aufhören, so leicht ging es ihm von der Hand. Interessanterweise las ich die letzten 100 Seiten in eins durch und das zu einer Uhrzeit, wo ich sonst schon lange schlafe. Die letzten Seiten waren irgendwie anders, mit weniger sprachlichen Höhepunkten, dafür aber umso intensiver.
Sprachlich ist dieses Buch ein absolutes Highlight für mich. Noch nie habe ich so viele Stellen markiert. Eine meiner Lieblingstellen ist diese
Täglich wartete ich auf ein Zeichen von Liz, auf einen Brief, eine Karte oder einen Anruf. Wie ein Schiffbrüchiger, der unermüdlich an den Knöpfen eines Funkgeräts dreht, in der Hoffnung, endlich auf eine Stimme zu stoßen. Doch alles, was von meiner Schwester kam, war jahrelanges Rauschen.
Dieses Buch beinhaltet vielfältige Themen, die der Autor geschickt kombiniert hat. Normalerweise reicht schon eins dieser Themen für ein Buch. Liebe, Freundschaft, Krankheit, Kinder, Geschwister, Einsamkeit, Vater-Sohn-Konflikt, Tod. Und dabei wird das Thema Selbstmord noch nicht einmal beschrieben, dieses Thema muss sich der Leser selbst erarbeiten. Wie der Autor diesen großen Bogen gemeistert hat, ist bewundernswert. Man fragt sich, woher er diese Themen so gut kennt, dass er sie so realistisch beschreiben konnte.
Dieses Buch wird wohl eins meiner Jahreshighlights werden. Und ich kann nur jedem raten, der vielleicht auch wegen dieses großen Wirbels um dieses Buch bisher davon Abstand genommen hat, es doch zu lesen. Es lohnt sich, diesen Autor für sich zu entdecken.
Keine Ebooks
Die Bücher von Benedict Wells gibt es bisher nicht als Ebooks, weil er sich dem verweigert. In „Vom Ende der Einsamkeit“ schreibt er
„Das ist doch Mist“, sagte ich, „auf diese Weise wird die Wirklichkeit ausgeleert. Bücher, Platten und Filme werden weggeworfen und in eine Welt hineindigitalisiert, die man nie betreten kann. Die Kinder der Zukunft werden nur noch in leeren weißen Zimmern sitzen.
Mir imponiert Wells mit dieser Weigerung sehr. Habe ich doch in letzter Zeit das Gefühl, dass es immer mehr ums Geld geht. So eine idealistische Einstellung Dingen gegenüber ist selten geworden und dadurch umso bemerkenswerter. Umso bemerkenswerter finde ich auch, dass der Verlag das akzeptiert. Meine Hochachtung!
Dieser Autor und dieses Buch haben mich beeindruckt. Ich bin froh, beide kennengelernt zu haben.
Benedict Wells, Vom Ende der Einsamkeit, Diogenes, ISBN 978-3-257-06958-7
Verlagsseite
Hallo Astrid,
das Buch habe ich mir vor ein, zwei Wochen gekauft, aber noch nicht angefangen zu lesen. Nach deiner begeisterten Rezension werde ich wohl heute abend damit anfangen müssen. Du machst wirklich Lust auf das Buch. Ich bin gespannt, ob es mir genauso sehr gefällt wie dir.
Liebe Grüße,
Kerstin M.
Hallo Kerstin,
da bin ich natürlich auch sehr gespannt, ob es dir gefallen wird. Ich freue mich immer sehr, wenn ich jemanden mit meiner Begeisterung anstecken kann. Viel Spaß mit dem Buch
LG Astrid
Liebe Astrid,
ich bin soooooo sehr deiner Meinung. Ich habe das Buch letzten Monat gelesen und meine Rezension ist deiner sehr ähnlich. Ich war auch skeptisch wegen dieses großen Hypes, aber das Buch hat mich von den Socken gehauen. Es schmückt jetzt als mein neues Lieblingsbuch mein Regal, mit unzähligen Post-its, mit denen ich meine Lieblingsstellen markiert habe. Obwohl das Buch so traurige Themen behandelt, finde ich es sehr lebensbejahend. Was ich nicht wusste ist, dass Benedict Wells auch ein eBook-Verweigerer ist (ich gehöre auch dazu). Die Stelle im Roman habe ich mir ebenfalls markiert weil der Satz mit den leeren Zimmern so mitten ins Schwarze trifft. Dass er auf die Einkünfte der doch ziemlich großen eBook-Gemeinde verzichtet, finde ich sehr bemerkenswert.
Ich freue mich, falls ihr Lust habt euch über das Buch auszutauschen.
http://tausendleben.de/book-review/was-fuer-ein-buch-vom-ende-der-einsamkeit/
Liebe Grüße
Nadine
Liebe Nadine,
Deine Rezi habe ich auch mit Begeisterung gelesen. Es ist doch immer wieder schön, wenn man so begeistert über ein Buch schreiben kann.
LG
Astrid
Ich kann mich nur anschließen. Habe auch lange einen Bogen um Wells gemacht, weil der mir einfach zu sehr gehypet wurde. Habe Vom Ende der Einsamkeit nun geschenkt bekommen – und war total begeistert. Ein so berührendes Buch! Habe am Schluss wirklich Tränen vergießen müssen. Und dabei wirkt es, als ob Wells die Geschichte einfach so aus dem Ärmel geschüttelt hat. So ein leichter Schreibstil für so schwere Themen und das in dem Alter – das hat mich wirklich beeindruckt.
Viele Grüße
Britta
Liebe Britta,
ich finde es sehr interessant, dass hier so viele diesen Hype um dieses Buch als negativ empfunden haben. Vielleicht sollten wir alle doch nicht so vorschnell urteilen und uns auch an diese Bücher rantasten. Ich freue mich auf jeden Fall für diesen jungen Autor, dass sein Buch so gut ankommt.
LG Astrid
Hey Astrid,
geht mir leider oft bei Büchern so, dass mir der Hype die Lust am Lesen verdirbt. Oftmals lese ich die Bücher dann aber, wenn sich die „Stimmung“ wieder gelegt hat – und freue mich dann ganz für mich alleine, wenn es ein tolles Leseabenteuer war 🙂
Liebe Grüße
Britta
Ich habe ja eher immer Angst, dass diese gehypten Bücher nichts sind.
Mir geht es momentan wie dir. Vor Ostern habe ich dieses Buch gekauft. Und seither liegt es in meinem Regal. Jeden Tag sehe ich es, doch ich kann mich nicht entscheiden, es zu lesen. Noch nicht. Und wenn der Tag kommt, an dem ich die erste Seite lese, hoffe ich, dass ich genauso begeistert bin wie du!
Ich hoffe, Du erwischt den richtigen Moment. Und wenn Du nicht so begeistert bist wie ich, bin ich gespannt auf Deine Gründe. Aber erst einmal viel Spaß beim Lesen.
LG Astrid
Dito ! Herr Wells steht auch bei mir schon auf der Jahresbestenliste und das, obwohl ich ihn bereits im Februar verspeist habe. Ich glaube, ich werde meine Top Five dieses Jahr aufstocken müssen….http://sachenmacherin.blogspot.de/2016/02/vom-ende-der-einsamkeit.html
lg,
Susa
Hallo Susa,
wenn Du im Mai schon Deine Top-Five nicht mehr ausreicht, hast du wohl eine sehr bemerkenswertes Lesejahr bis jetzt. Da muss ich glatt mal stöberngehen.
LG
Astrid
Super schöne Rezension! Ich finde es auch klasse, dass der Autor seine Überzeugung was gedruckte Bücher angeht so durchsetzt und der Verlag da auch zustimmt. Wie du schon sagst, merkt man in solchen Momenten wirklich, dass es nicht immer nur ums Geld gehen muss 🙂
Ich habe schon so viele begeisterte Meinungen zu diesem Roman gehört, dass ich ihn jetzt unbedingt lesen muss, auch wenn er mich normalerweise niemals angesprochen hätte.
Liebe Grüße!
Wenn dich dieses Buch normalerweise niemals angesprochen hätte, bin ich gespannt, wie du es findest. Schöne Weihnachten!