Zwei Bücher über den Tod
Sonntag, 30. Juni 2019
Ob ich Bücher über den Tod lesen will, entscheide ich in der Regel immer sehr bewußt. So auch bei „Kurt“. Da war es mir von Anfang an klar, dass es darum gehen würde. Bei „Die Herrlichkeit des Lebens“ war es weder bewußt noch ahnte ich so genau, was da auf mich zukommen würde. Es war nämlich ein Buch für den Lesekreis.
Zwei Bücher, die unterschiedlicher nicht sein können. Obwohl sie beide das Thema Tod zum Inhalt haben.
Kurt
Ein Junge stirbt – er verunglückt in der Grundschule. Niemand hat schuld, es passierte einfach. Lena lebt mit Kurts Vater zusammen als das Unglück geschieht. Wie geht das Leben nach so einem Ereignis weiter? Wie sieht die Trauer aus, wenn man nicht die Mutter des Kindes ist, sondern „nur“ die Lebensgefährtin des Vaters? Wie geht der Vater damit um? Sarah Kuttner beschreibt sehr eindrücklich, wie die ersten Monate nach dem Tod von Kurt die ganze Familie zerreissen.
Kurt lebte vor seinem Tod ein glückliches Leben in seiner Patchworkfamilie: eine Woche bei seiner Mutter und eine Woche bei seinem Vater und Lena, der Lebensgefährtin des Vaters. Wer darf wieviel trauern? Wer darf mitreden bei dem Thema Beerdigung?
Zum Glück musste ich mir bisher über diese Themen keine Gedanken machen und habe auch noch nicht aus dem Bekanntenkreis davon gehört. Aber wenn ich mitbekomme, wie mit dem Thema „Kinder“ in Patchworkfamilien umgegangen wird, kommt mir dieses Buch sehr realistisch vor. Ich kann mir gut vorstellen, dass Trauerarbeit von leiblichen Eltern und den neuen Partnern nicht „gleichberechtigt“ wahrgenommen wird.
Auch wenn ich die Trauerarbeit in Patchworkfamilien noch nicht erlebt habe, so habe ich durchaus Erfahrungen mit Trauer. Und daher leide ich als Leser mit. Und erlebe alle Stadien der Trauer mit den Protagonisten. Zum Glück bringt Sarah Kuttner ihre oftmals flapsige Sprache ein, die das Buch dann doch ertragbar macht. Sehr lesenswert!
Die Herrlichkeit des Lebens
In diesem Roman von Michael Kumpfmüller geht es um das letzte Lebensjahr von Franz Kafka. Schon sehr von der Tuberkulose gezeichnet, verliebt er sich ein Jahr vor seinem Tod noch einmal. In die 25jährige Dora Diamant. Kafka, der seine Schwester an der Ostsee besucht, lernt dort seine letzte große Liebe kennen und zieht mit ihr nach Berlin. Es ist keine leichte Zeit. Im Jahre 1923 macht die Inflation das Leben in Berlin anstrengend. Das Geld verliert täglich an Wert und auch das Wohnen wird unsagbar teuer, da die Heizkosten jeden Tag steigen. Kafka wird zusehends schwächer, Dora kümmert sich rührend um ihn. Bekocht ihn und umsorgt ihn. Als sein Zustand immer schlechter wird, fahren sie in ein Sanatorium in die Nähe von Wien. Aber man kann dem Tuberkolosekranken nicht mehr helfen und so dauert es nicht lange bis er stirbt. Es passiert nicht viel in diesem Buch, trotzdem ist es ungemein lesenswert.
Für mich ein Glücksgriff
Ich bin unglaublich glücklich über dieses Buch. Noch in der Schule habe ich Kafkas „Die Verwandlung“ als Prüfungsthema gehabt und geliebt. Unabhängig von der Schule kaufte ich mir eine kurze Biografie. Dieses Buch habe ich farblich als sehr schwarz in Erinnerung. Kafka selbst als sehr verschroben. „Die Herrlichkeit des Lebens“ vermittelt mir nun ein ganz anderes Bild von Kafka, das sehr viel liebenswerter und realistischer erscheint. Zurück bleibt eine große Lust auf Kafkas anderen Bücher.
Fazit
Beide Bücher behandeln das Thema Tod, aber ganz unterschiedlich. Bei Kurt steht der Tod am Anfang und es geht um das Leben der anderen danach. Bei Kafka steht der Tod am Ende und der Leser weiß das auch von Beginn an. Es wird ein langsames Sterben beschrieben, sehr eindringlich und gut verständlich.
Kennt ihr eins der beiden Bücher? Haben sie euch auch gefallen?
PS: Als ich gerade das Datum für diesen Beitrag geplant habe, bekam ich eine Gänsehaut. Der Tag für die Veröffentlichung dieses Beitrags „Bücher über den Tod“ ist der Todestag meiner Mutter. Was für ein unglaublicher Zufall!
Hallo Astrid,
Vielen Dank für die sehr gute Rezension der beiden Bücher. „ Kurt“ liegt noch auf meinem Nachttisch und wartet darauf, gelesen zu werden. „ Die Herrlichkeit des Lebens“ haben wir vor ein paar Jahren in meinem Lesekreis gelesen. Das Buch kam bei allen Teilnehmern sehr gut an . Mir hat es auch, wie Dir, ein neues Bild von Kafka geliefert. Er kam mir dadurch viel näher.
Ich mache z.Z. sehr viel „Werbung“ für den großartigen Roman „ Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster“ von Susann Pasztor. Hier geht es vorrangig um das Thema Sterbebegleitung und um den Umgang mit Sterben und Tod. Keineswegs deprimierend, sondern lebensbejahend. Unbedingt lesenswert!
Liebe Grüße
Ruth
Liebe Ruth,
ich freue mich, dass dir der Beitrag gefällt.
Deine Werbung für „Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster“ kann ich gut verstehen. Silvia und mir hat es auch sehr gut gefallen. Wir haben auch einen Beitrag darüber geschrieben. https://leckerekekse.de/wordpress/rezension-und-dann-steht-einer-auf/
Und ich muss gestehen, dieses Buch hat immer noch einen besonderen Platz im Regal und in meinem Herzen.
Leibe Grüße
Astrid