Charlotte Link: Sechs Jahre
Dienstag, 7. Oktober 2014
In ihrem Buch „Sechs Jahre“ beschreibt Charlotte Link den Kampf ihrer jüngeren Schwester gegen den Krebs. Franziska ist 46 Jahre alt, als sie nach einem 6jährigen – fast permanenten – Kampf stirbt. Mit 23 Jahren hat sie bereits zum ersten Mal Krebs. Morbus Hodgkin – eine Krebsart, die relativ gute Heilungschancen hat. Wie man aber erst nach vielen Jahren feststellt, bezahlen Patienten einen hohen Preis für diese Heilung. Die Behandlungsmethoden sind so aggressiv, dass viele Patienten Jahre später an den Folgen von Chemotherapie und Bestrahlung sterben.
Bei Franziska wird 18 Jahre später Darmkrebs diagnostiziert, mit Metastasen in der Lunge. Viele Ärzte prophezeien ihr nur noch ein sehr kurzes Leben. Aber allen Aussagen zum Trotz übersteht sie diesen Krebs und stirbt Jahre später an den Spätfolgen der ersten Krebserkrankung, dem Morbus Hodgkin.
Charlotte Link berichtet über den 6jährigen Kampf der ganzen Familie. Die Familie kümmert sich rührend um Franziska. Da sind ihre Eltern, ihre eigene Familie, bestehend aus Mann, Sohn und noch sehr kleiner Tochter, sowie die Familie der Schwester. Sie recherchieren immer wieder akribisch im Internet, um mehr Informationen über Behandlungsmethoden, Krankenhäuser und Ärzte zu bekommen.
Franziska verbringt viel Zeit in diversen Krankenhäusern und was die Familie dort erlebt, ist einfach unfassbar. Wie man dort mit todkranken Patienten und deren Familien umgeht, lässt einen völlig an unserem Gesundheitssystem verzweifeln. Viele Ärzte und auch das Pflegepersonal sehen einfach nicht den Menschen hinter den Krankheiten und ein ganzheitlicher Ansatz ist für viele nicht möglich. Außerdem ist die Persönlichkeit vieler Menschen, die die Familie getroffen hat, leider nicht so, dass sie überhaupt in der Lage sind, mit todkranken Menschen umzugehen.
Es ist unheimlich schwer, zu beurteilen, ob eine Behandlungsmethode für Franziska die richtige ist. Häufig müssen sie leider feststellen, dass es sich bei vielen „sogenannten“ Spezialisten um Menschen handelt, die einfach nur auf das Geld der Patienten aus sind. Wie gemein – bei Menschen, die nach jedem Strohhalm greifen.
Die Autorin hat ein schonungslos ehrliches Buch geschrieben, ein sehr persönliches, in dem sie auch ihre Gefühle und Gedanken offen schildert. Es ist ihre Art, das Geschehen zu verarbeiten. Franziska hat sie vor ihrem Tod ermutigt, ein Buch zu veröffentlichen, um über die ganzen Missstände in den Kliniken zu reden.
Diese Veröffentlichung finde ich insofern erstaunlich, da während der Krankheit von Franziska kaum jemand wirklich über ihren Zustand informiert wurde. Sie selber und auch die Familienangehörigen waren irgendwann nicht mehr in der Lage mit Freunden und Bekannten über diese schwierige Krankheit zu reden.
Ich glaube, es ist eines der schrecklichsten und traurigsten Bücher, die ich in meinem Leben gelesen habe. Es ist einfach alles so unfassbar, dass man es eigentlich nicht für möglich hält. Aber da auch ich schon Erfahrungen mit Krankenhäuser gemacht habe – wobei die Erfahrungen sich eher auf ältere Menschen beziehen – habe ich jedes Wort geglaubt.
Dieses Buch kann man nicht in einem Stück durchlesen, obwohl es relativ kurz ist. Ich brauchte immer wieder Pausen, um nicht in diesem Elend zu versinken. Mir wurde immer ganz kalt beim Lesen und ich brauchte Zeit zwischendurch, um mich aufzuwärmen. Dieses Buch ist kein Lesevergnügen, trotzdem kann ich es nur jedem ans Herz legen. Es sollte jeden Angehörigen motivieren, im Krankenhaus vehement für einen Kranken, der gerade selbst nicht in der Lage dazu ist, zu kämpfen.
Charlotte Link, Sechs Jahre – Der Abschied von meiner Schwester,320 Seiten, ISBN: 978-3-7645-0521-9, Verlag: Blanvalet