Claudia Endrich: Das nächste Mal bleib ich daheim
Freitag, 10. April 2020
Rezension: Überlegungen einer Globetrotterin
Zuhause bleiben ist momentan für uns alle ein Thema. Gezwungenermaßen. Claudia Endrich plädiert auch dafür, aber aus anderen Gründen und nicht so drastisch. Ihr geht es eher um den ökologischen Aspekt, also um unser aller ökologischen Fußabdruck.
Das Buch ist vielleicht am ehesten ein Reisebericht. Claudia fliegt für ein halbes Jahr nach Südamerika. Dort lebt sie mit ihrem Freund, der ein Auslandssemester macht, erst mal für ein paar Monate in Lima. Schon auf dem Weg dorthin kommen ihr Zweifel an dem, was sie tut. Denn vorher war sie selbst für ein halbes Jahr in Kanada (Studium) und dann an verschiedenen Orten in Europa, um beispielsweise Freunde zu besuchen. Claudia leidet nicht nur unter schlechtem Gewissen wegen der vielen Flugkilometer, sondern auch an einer gewissen Reiseunlust.
Globetrotterin
Claudia hat schon so viel gesehen! Der Vater entfachte bei ihr die Reiselust und unterstütze diese auch mit einem Geschenk: eine gemeinsame Woche in New York. Seitdem hat Claudia schon viele Reisen und längere Aufenthalte im Ausland erlebt. Dadurch konnte sie viele Menschen und andere Lebensweisen kennenlernen und hat sich selbst dadurch entwickelt und verändert. Sie spricht mehrere Sprachen fließend. Da sie wenig anspruchsvoll an Unterkunft und Verpflegung ist, hat sie viel erlebt, was ich schon als recht authentisch bezeichnen würde.
Ich bin ja eher diejenige, die Erholung sucht.
Richtig Reisen?
Doch nicht nur die richtigen Fortbewegungsmittel sind Thema in diesem Buch. Endrich philosophiert auch viel über die richtige Art zu reisen und andere Orte und Menschen kennenzulernen. Auf keinen Fall will sie einfach nur touristische Hotspots abklappern, sondern auch hinter die Kulissen schauen. Gar nicht so einfach, wenn man auf den ersten Blick als Gringa erkannt wird.
Am besten bleibt man lange an einem Ort. Um alles richtig kennenzulernen müsste man aber auch so leben wie die Einheimischen. Auf ihren Reisen hat sie nur einen Mann kennengelernt, der das auch wirklich so macht. Er verschafft sich den Respekt dadurch, dass er ohne Geld unterwegs ist und dieselben harten Arbeiten verrichtet wie die Menschen seiner Umgebung. Doch das kann nicht jeder. Für mich wäre es nichts, auch Claudia geht das für sich selbst zu weit, bewundert aber die Konsequenz.
Sie spricht mit vielen anderen, die in Südamerika unterwegs sind. Fast jeder hat eine andere Geschichte, eine andere Art zu Reisen, andere Beweggründe. Gibt es „richtig Reisen“ überhaupt?
Bekanntschaften
Auf ihren Reisen schließt die aufgeschlossene Claudia schnell Freundschaften. Doch leider sind diese häufig nicht andauernd. Trotz den technischen Möglichkeiten, die wir heute dank Skype und Co. haben. Und trifft man sich doch mal später zuhause, dann funkt es oft nicht mehr so wie an dem anderen Ort. Sie kommt zu dem Schluss:
Reisende sind ständig unter Menschen und doch oft furchtbar allein. S. 35
Facts
Im Buch sind viele Fakten rund um Fliegen und Reisen, viele Quellen angegeben. So wurde ich dazu angetrieben diese zu erforschen und mich weiter in die verschiedenen Themen einzuarbeiten.
Schon ganz am Anfang schreibt sie
… dass bloß drei Prozent der Weltbevölkerung im Jahr 2017 und nur circa achtzehn Prozent aller Menschen überhaupt in ihrem Leben schon mal geflogen sind.
Seite 17
Das war mir nicht bewusst. Folgendes auch nicht
Eine Umfrage in Deutschland im Jahr 2014 ergab, dass Menschen, die „Grün“ wählen, am meisten fliegen.
Seite 16
Allerdings ist das ökologische Bewusstsein seitdem nach meiner Wahrnehmung gestiegen. Doch diese Zahlen musste ich erstmal sacken lassen. Ich weiß, wir hier sind privilegiert, doch an solchen Zahlen wird mir bewusst wie sehr.
Warum?
Claudia hinterfragt auch warum wir überhaupt reisen? Sind wir dort glücklicher? Wollen wir nur dem Alltag entfliehen? Oder wollen wir bestimmte Fotos danach als Statussymbol vorzeigen?
Wollen wir das fremde Land, die Menschen dort wirklich kennenlernen? Warum zieht es dann so viele in die fast austauschbaren Metropolen?
Fragen, die ich mir natürlich auch stelle. Vor allem in dieser Zeit, in der ich kaum vor die Tür darf und gerade einen Urlaub wegen der Coronakrise erst gar nicht antreten kann. Ich traue mich kaum Pläne zu machen. Nach diesem Buch frage ich mich: wäre es so schlimm mal ein Jahr Zuhause zu bleiben? Sich mal auf sich selbst und die Familie zu konzentrieren? Könnte ich mich so auch erholen?
Es kommt auf einen Versuch an. Allerdings habe ich noch soviel von der Welt nicht gesehen. Doch alles „schaffe“ ich sowieso nicht mehr. Verpasse ich wirklich etwas? Oder kann ich nicht auch mittels Büchern, Dokumentationen und Filmen reisen?
Viel Potenzial zum Nachdenken!
Fazit
Claudia Endrich schreibt mit Das nächste Mal bleib ich daheim mehr als einen Reisebericht. Das Buch verursacht viele Gedankenanstöße zu den Themen Reisen, Fortbewegungsmitteln, fremden Kulturen und einem ökologisch bewussten Leben. Falls du nach Lima fahren möchtest, solltest du das Buch auch lesen. Sie selbst möchte Flüge jetzt möglichst vermeiden. Und du?
Noch mehr?
Claudia Endrich gab mir auch ein Interview und spricht darin über die jetzige Zeit, Reisen, Urlaub, Fliegen und ie Entstehung des Buches.
Du suchst noch mehr Anregungen zu mehr Ökologie im Alltag? Dann schau mal in die Beiträge zur Blogtour #wenigerPlastikIstMehr
Das ist ja mal ein interessanter Ansatz! Deine Buchbesprechung regt zum Nachdenken an. Vielen Dank dafür!
Hallo Gabriele,
Danke.
Gerade in dieser Zeit des kollektiven nicht-Reisens haben wir Zeit über Sinn und Unsinn von Flugreisen nachzudenken.
Es geht auch ohne, wie wir gerade alle sehen.
Viele Grüße
Silvia