Interview: Claudia Endrich
Montag, 13. April 2020

Autorin spricht über ihre Erfahrungen
Claudia Endrich versucht mit ihrem Buch „Das nächste Mal bleib ich daheim“ zum Nachdenken anzuregen. Über unsere globale Mobilität. Mal schnell um den halben Globus zu fliegen ist für viele normal. Ein Thema, das sich wegen Corona zurzeit von alleine erledigt hat. Vielleicht auch eine Chance für uns alle demnächst bewusster mit Flügen und Tourismus umzugehen. Claudia hat mir ein Interview per E-Mail gegeben. Sie erzählt über ihre jetzigen Erfahrungen, einige Aussagen im Buch und ihre Diskussionen mit anderen Menschen über dieses Thema.
Silvia: Corona bringt noch mal einen anderen Aspekt in das Thema Reiseverzicht. Wie gehst du mit der jetzigen Ausgangssperre/Kontaktsperre um?
Claudia Endrich: Ich erlebe diese Ausnahmesituation, so wie viele Menschen vermute ich, als eine Mischung aus ungewohnter Einschränkung und angenehmer Entschleunigung. Ich bin im Home Office, gehe nur zum Einkaufen und Spazieren raus. Ich habe viel Zeit zum Lesen, Kochen, und – leider – auch für Social Media. Seit ich 2018 aus Südamerika zurückgekommen bin, habe ich grundsätzlich keine großen Urlaubs- oder Reisepläne mehr geschmiedet, so gesehen schränkt es mich jetzt nicht ein. Es ist sogar eher so, dass diese Einschränkungen, die inzwischen fast die ganze Welt betreffen, es mir leichter machen, schon lange überfällige Skype-Gespräche mit Freunden in anderen Ländern zu organisieren. Es hat also sogar ein bisschen was Gutes!
Wie entstand das Buch?
Silvia: Auch ich versuche aus der momentanen Situation die für mich positiven Aspekte zu genießen. Wie zum Beispiel den größeren Familienzusammenhalt. Doch erzähl, wie bist du auf die Idee gekommen ein Buch aus deinen Gedanken zu machen?
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Claudia Endrich: Das ist mir mehr oder weniger „passiert“. Die Gedanken waren so drängend, dieser innere Konflikt hat mich so gequält, dass ich es einfach aufschreiben musste. Und irgendwann hat sich in den vollgeschriebenen Notizbüchern eine Struktur abgezeichnet, da war der letzte Schritt zum Buch dann nicht mehr weit.

Flugverzicht
Silvia: Dieses Buch endet damit, dass du dein selbst auferlegtes Flugverbot aus beruflichen Gründen brechen musst. Konntest du Fliegen seither vermeiden?
Claudia Endrich: Derselbe berufliche Grund hat mich ein Jahr später wieder zu einem innereuropäischen Flug „gezwungen“, trotz meiner großen Bemühungen, eine Zugreise daraus zu machen. Da es sich um eine Gruppenreise handelte, wurde der Vorschlag schlussendlich leider abgelehnt. Ansonsten konnte ich es seither vermeiden und habe auch vor, das in den nächsten Jahren weiterhin so zu halten.
Silvia: Viel Erfolg dabei! Meine jüngere Tochter (17) weigert sich seit Jahren zu Fliegen, allerdings primär aus anderen Gründen. Aber als ich ihr von deiem Buch erzählte fühlte sie sich zusätzlich bestätigt. Bist du seitdem privat auf Reisen gegangen?
Claudia Endrich: Ich habe Urlaub gemacht. In Österreich mit dem Fahrrad und in Italien und der Slowakei mit einem ausgeliehenen Auto. Ich unterscheide gerne zwischen Reisen und Urlaub, weil ich Reisen mit dem Anspruch verbinde, etwas zu lernen und meine Komfortzone zu verlassen, während Urlaub für mich Erholung und Genuss bedeutet. Darum waren diese Urlaube auch sehr von Natur und Kulinarik geprägt.
Silvia: Ich bin mehr so der Urlaubstyp, ich brauche einfach die Erholung inmeiner freien Zeit. Du machst in einer Diskussion im Buch mehrere Vorschläge (Buch Seite 90), wie man die Flugkilometer reduzieren könnte. Die Idee mit dem lebenslangen Flugmeilen-Konto gefiel mir sehr. Doch wie kamst du auf den Gedanken, dass nur Menschen bis 35 fliegen dürfen? Ich bin über 50 und habe erst jetzt die Gelegenheit darüber nachzudenken welche Orte auf der Erde ich wirklich besuchen möchte.
Claudia Endrich: An dieser Stelle werfe ich mit einer Vielzahl an spontanen Ideen um mich, wie wir den Flugverkehr reduzieren könnten. Dass man einfach eine Altersgrenze einzieht, ist natürlich völlig unrealistisch und wäre bestimmt auch unfair. Erfahrungen, die wir in jungen Jahren machen, prägen uns besonders stark, davon bin ich überzeugt. Aus diesem Vorschlag spricht mein Wunsch, dass alle Menschen früh lernen, wie verschieden die Lebensrealitäten auf unserem Planeten sind, und gleichzeitig verhindert wird, dass Flugreisen zu einer selbstverständlichen Routine während unseres ganzen Lebens werden.
Silvia: Verschiedene Kulturen und Lebensumstände kennenzulernen ist sicher wichtig für die Ausbildung der eigenen Werte und auch die Erkenntnis wie gut es uns hier geht. Mir kam auch der Gedanke, dass diese Ideen daraus entstanden sind, dass du schon echt viel gesehen hast und vielleicht auch einen gewissen Sättigungsgrad erreicht hast. Wird dir das von Diskussionspartnern nicht auch ein wenig vorgeworfen: dass du so vieles schon bereist hast, während andere erst mal nähere Ziele mit dem Auto kennengelernt haben?
Claudia Endrich: Dieses Argument kommt relativ selten, denn ich möchte vor allem Menschen ansprechen, die schon viel gereist sind. Ich kenne viele, die schon weit mehr Orte gesehen haben als ich und noch lange nicht genug haben. Ich wünsche, wie schon gesagt, jedem und jeder, einmal etwas anderes als die europäische Lebensrealität kennenzulernen. Ich sehe einfach viele Menschen, sowohl in meiner Generation als auch in meiner Elterngeneration, die nie genug bekommen, sondern anstatt eines Sättigungseffekts eher einen Gewöhnungseffekt erleben und darum immer mehr wollen – mehr Exotik, mehr Abenteuer, mehr Flugkilometer. Das kritisiere ich vielmehr, als jene, die nach mehreren Jahrzehnten Italienurlaub das erste Mal Europa verlassen wollen.

Diskussionen
Silvia: Ich kenne auch ein paar Leute die stöhnen, weil sie schon gar nicht mehr wissen wo sie noch hinfahren sollen, weil sie schon fast überall waren. Unglaublich!
Im Laufe des Buches durchläufst du eine gewisse Entwicklung, vor allem was die Art der Diskussionen mit „Fliegern“ angeht. Wie läuft das jetzt ab? Versuchst du immer noch andere Menschen davon zu überzeugen möglichst darauf zu verzichten?
Claudia Endrich: Ich spreche das Thema von mir aus nur noch sehr selten an. Das hat mehrere Gründe: Durch die Entwicklung, die ich im Laufe des Buches erlebe, habe ich auch gelernt, dass Vorwürfe wenig zu Verhaltensänderungen beitragen. Mir fällt es heute leichter, anderen Beweggründe zuzugestehen, die für mich vielleicht schwer nachvollziehbar sind. Andererseits wissen die meisten in meinem Umfeld durch das Buch von meiner Haltung und sprechen ihrerseits ihre Reisepläne ohnehin nur noch an, wenn sie wissen wollen, ob ich sie gerechtfertigt finde! (lacht) Dann halte ich mich erst recht raus und versuche eher, rauszufinden, was die Person selbst dazu denkt. Meine Meinung dazu lautet heute: Wir können tun was wir wollen, das ist das Privileg, das uns geschenkt wurde. Wir sollten uns unsere Entscheidungen aber weder schönreden noch dieses Privileg unverschämt ausnutzen, sondern es behutsam verwenden.
Tourismus
Silvia: Da stimme ich dir vollkommen zu.Für mich kam im Buch auch heraus, dass es nicht nur um die vielen Flugkilometer geht, sondern auch um die Folgen des Tourismus allgemein. Wem nützen unsere Reisen? Wem schaden sie?
Claudia Endrich Das ist, denke ich, immer eine Frage der Menge. Tourismus kann sehr förderlich sein, es bringt Wohlstand, verbesserte Infrastrukturen und im Idealfall sogar gesellschaftlichen Zusammenhalt. Solange die Besuchermenge sich in einem gesunden Maß hält, das Natur und Mensch aushalten, und solange die Mehrheit vom Tourismus profitiert anstelle von Einzelnen. Das hängt zumeist von der gelebten Solidarität ab, das ist mein persönlicher Eindruck. Tourismus beginnt immer dann zu schaden, wenn es zu viel wird, wenn Overtourism beginnt. Wenn ehemals einsame Strände aufgrund der Umweltverschmutzung gesperrt werden müssen, wenn Städte zu Freiluftmuseen werden, wo niemand mehr wirklich leben kann. Es fällt oft schwer, doch ich glaube wir müssen uns darin üben, bei der Auswahl unserer Reiseziele dem Herdentrieb zu widerstehen. Ein Reiseziel, zu dem es online kaum Informationen gibt – das ist wirklich eine mutige Reise. Und bestimmt lohnend!
Silvia: Du hast sicher schon viel Mut auf deinen Reisen bewiesen. Ich frage mich häufig welche Folgen das totale Fehlen von Touristen auf der ganzen Welt hat. Sicher katastrophale für die Menschen, die davon leben, dafür gute für die Natur.
Ich danke dir sehr für das Interview und dein Buch Das nächste Mal bleib ich daheim. Beides hat mir viele Denkanstöße beschert.
