Der beste Roman des Jahres
Sonntag, 22. März 2015
„Der beste Roman des Jahres“!
Na, wenn der Titel kein Anspruch an das dazu gehörende Buch ist! Aber dem will der Autor wohl auch gar nicht genügen.
Es geht auch nicht um sein eigenes Werk, sondern um einen britischen Buchpreis. Das Buch begleitet die Jury und andere Beteiligte von der Zusammenstellung der Jury über die Auswahl zur Longlist, dann die Streichung zur Shortlist und die Preisvergabe selbst.
Bitterböse wird ein korrupter, inkompetenter Literaturzirkus geschildert, in dem jeder mit jedem schläft, Morde geplant, Kochbücher als Roman ausgegeben, Lektoren gefeuert, Ehen geschieden, Liebhaber abserviert, die Pariser Kloaken besichtigt, viel getrunken, gestritten und geredet wird.
Klasse sind die Auszüge aus den Romanen, um die es geht. Sehr unterschiedliche Stilrichtungen werden dadurch in diesem Buch vereint. Als Leser spürt man richtig, wie der Autor Spass daran hatte, sich Teile von Büchern wie „Die glitschige Stange“ oder „Was guckst Du?“ auszudenken.
Edward St. Aubyn versteht es viele sehr unterschiedliche Charaktere zu einem Spiel um Erfolg, Glück und Liebe zu vereinen.
Da gibt es die Autorin, deren Buch nicht eingereicht wird, da die Verlags-Sekretärin versehentlich das Kochbuch der Tante eines ehemaligen indischen Fürsten einreicht.
Diese ältere indische Dame, die nicht versteht, warum alle Welt plötzlich behauptet, ihr Kochbuch wäre ein Roman.
Ihr Neffe, der indische, reiche Fürst, der ein über 2000 Seiten schweres Werk erschafft, das aber niemand lesen will.
Der Lektor, der seine Frau verlässt, um mit einer Schriftstellerin zu leben, die sich noch zwei andere Liebhaber hält und dann alle rausschmeißt.
Der Literaturagent, der die falschen Chancen ergreift.
Die Literaturdozentin, die vergeblich einen literarischen Anspruch zu bewahren sucht.
Die Buchmacher, die irre Wetten auf den Gewinner des Buchpreises entgegennehmen.
Der hübsche Schauspieler, der nur an einer Jurysitzung teilnimmt und beim Essen Whiskey trinkt und behauptet gegen Wein allergisch zu sein.
Diese Liste recht amüsanter Protagonisten könnte ich noch weiterführen. Wer sich selbst darüber amüsieren möchte sollte einfach das Buch lesen!
Aber ob ich die Vergabe eines solchen Preises nochmal ernst nehmen kann? Ich weiß es nicht… (aber natürlich will ich hier niemandem etwas unterstellen!!!)
Edward St Aubyn: Der beste Roman des Jahres, Piper Verlag, 256 Seiten, ISBN: 978-3-492-05435-5, € 16,99 [D]
♌
Liebe Silvia,
ich freue mich sehr darüber, dieses Buch in Eurem Blog entdeckt zu haben.
Nach der Lektüre habe ich mich auch gefragt, wie viel Wahrheit in diesem Text steckt und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es in so manchem Literatur-Komitee ähnlich zu geht. (Wenn auch vielleicht nicht so lustig).
Ich war vom „Besten Roman des Jahres“ jedenfalls total begeistert, zumal ich den britischen Humor sehr schätze, und wünsche diesem Buch noch viele Leser.
Vielen Dank für Deinen schönen Text.
Viele Grüße,
Friederike
Vielen Dank für Dein Lob.
Ja, britischer Hmuor ist zwar speziell, aber meistens gut!!!