Eine Paar-Geschichte in vier Jahreszeiten
Dienstag, 10. Mai 2016
Die vier Liebeszeiten
Rena ist süße 17. Mit Jungs hatte die Gymnasiastin noch nicht so viel am Hut. Da feiert ihre beste Freundin Geburtstag und lädt ihren Cousin Hauke ein. Hauke ist ein Mann. Der Fünfundzwanzigjährige studiert. Im Jahr 1970 bedeutet das fast gleichzeitig, dass er auf das Establishment pfeift! Revolution liegt in der Studentenluft. Die ernsthafte Rena fühlt sich bei den Studenten wesentlich wohler als bei den gleichaltrigen Schülern.
Das Wunder passiert: Hauke verabredet sich mit der jungen Rena. Sie führen gute Gespräche und machen eine wunderbare Radtour an der Elbe entlang.
Elbe
Apropos Elbe. Sie ist die dritte Hauptfigur dieses Romans. Sie ist der „Sehnsuchtsknoten“, bedeutet Erinnerung an schöne Zeiten. Die Elbe ist für beide, Rena wie auch Hauke gleichbedeutend mit Heimat.
Die schönen Jahreszeiten-Bilder von der Elbe in diesem Beitrag hat Astrid gemacht.
Frühling
Rena vertraut Hauke schon beim zweiten Treffen Dinge an, über die sie mit sonst fast niemanden je gesprochen hat. Sie vertrauen sich blind. Sie fühlt sich ernstgenommen und irgendwie angekommen.
Das Buch beschreibt diese harmonische, liebevolle und vor allem gleichberechtigte Beziehung aus Renas Sicht anhand von vier Stadien im Leben und bedient sich dabei dem passenden Vergleich mit den vier Jahreszeiten.
Im Frühling lernen sich die beiden kennen, sind jung, haben Frühlingsgefühle und das ganze Leben liegt strahlend vor ihnen.
Sommer
Im Sommer sind sie in den Berufen soweit angekommen und gründen eine Familie.
Es folgen Herbst und Winter. In jeder Jahreszeit wird ein bestimmtes Ereignis herausgenommen und genauer beschrieben. So ganz nebenbei erfährt man auch die wichtigsten Ereignisse in den übersprungenen Jahren. So wird der Roman nie zu detailliert oder gar langweilig. Trotzdem kann man sich die Figuren anhand der beschriebenen Ereignisse sehr gut ausmalen.
Auch im Text selbst taucht die Jahreszeiten-Symbolik wieder auf:
Mit der gespeicherten Wärme des Frühlings in ihren Blicken, mit der Erinnerung an die Hitze des Sommers, lässt es sich im Herbst ihres Lebens lieben ohne hitzige Hast.
Rena wird Astrophysikerin, Hauke Schriftsteller. Er passt auf die Kinder auf, sie macht Projekte in der ganzen Welt. Sie brauchen keinen Trauschein für ihre lebenslange Liebe, die natürlich auch Tiefen umschifft. Man merkt genau: an einer guten Beziehung müssen beide ein Leben lang arbeiten.
Sie sind in einigen Dingen ihrer Zeit voraus und werfen von Anfang an die Geschlechterrollenklischees über Bord. Auch wenn sie Rena immer wieder einholen wollten. Durch Stiefväter, richtige Väter, missgünstige Kollegen und ähnliche Hindernisse.
Herbst
Sehr witzig fand ich die Ähnlichkeiten von Hauke mit seiner Erfinderin Birgit Rabisch: sie schreiben ähnliche Bücher, haben ein ähnliches Segelboot. Es machte mir Spaß die Ereignisse des Buches in der Vita der Autorin wiederzuentdecken. Inzwischen durfte ich auch ein Interview mit Birgit führen. Es wird auch hier auf dem Blog erscheinen.
Hauke und ich haben keine 35 Jahre währende Dauerbeziehung, wir leben eine 35-jährige Liebe, denkt sie trotzig, eine Liebe, die wie ein Jahr verschiedene Zeiten durchläuft. Den Frühling und den Sommer haben wir wohl schon hinter uns, aber auch der Herbst hat seine köstlichen Seiten, sinniert sie weiter, nur vor dem Winter fürchte ich mich. Wann fängt er an?
Winter
Als der Winter sie erreicht, bricht er mit totaler Heftigkeit über Rena herein. Erst jetzt wird der Nachteil einer so traumhaften Beziehung deutlich: der Verlust des Anderen ist kaum zu verkraften. Und doch geht das Leben weiter. Wenn schon nicht das eigene, dann das der anderen Menschen, der Nachkommen, der Folgegenerationen.
Das Buch ist die Beschreibung zweier Leben, einer wunderbaren Beziehung und auch der Gesellschaft, für allen der Geschlechterrollen in Deutschland. Es wirbt mit einer einfühlsamen, aber niemals süßlichen Sprache dafür sich selbst treu zu bleiben und auch dem Partner die Möglichkeit zur Entfaltung zu geben.
Ihr wisst, ich bin kein Freund von reinen Liebesgeschichten, doch dieses Buch hat einfach mehr zu bieten. Ich habe danach viel über meinen zu erwartenden Herbst und Winter und auch über meine Rolle als Frau in meiner Umgebung nachgedacht. Und das ist es, was ich von guten Büchern erwarte: sie sollen mich zum Denken anregen!
Birgit Rabisch:
Die vier Liebeszeiten
Roman aus dem Verlag duotincta
978-3-946086-13-0
ca. 240 Seiten
[D] 14,95 €
Hier noch der Buchtrailer:
Eigentlich stand auf dem Buch doch eher mein Name! Muss ich unbedingt lesen.
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