Eine Rose für Putin
Donnerstag, 12. März 2015
Auf dem Cover ist eine Matrjoschka abgebildet. Ihr wisst schon, eine dieser lächelnden, madenförmigen Holzpuppen, die man mit beherztem Griff um die Taille aufdrehen kann und darin eine weitere, kleiner Ausgabe der äußeren Hülle findet und darin wieder eine usw.
So ähnlich muss man sich den Aufbau dieses Romans vorstellen. Immer wenn ich dachte: so jetzt habe ich alles durchblickt, fand ich die nächste Puppe.
Zum Inhalt:
Im Osten Deutschlands verschwindet ein kleines Mädchen. Als ein paar Tage später eines auftaucht, denken erst alle es wäre die Vermisste: aber nein. Es ist ein anderes Kind, ausgesetzt und krank.
Johann und M. mieten sich ein Ferienhaus in der Uckermark um an einem Drehbuch über so einen Vermisstenfall zu schreiben. Dabei passieren mysteriöse Dinge.
Und der Untertitel des Buches „Oder Die unvollendeten Aufzeichnungen des Johann Stadt“ lassen auch nichts Gutes für den Hauptprotagonisten ahnen.
Alvart, ein gediegener und frustrierter Kommissar ist an der Aufklärung der Kindesentführung beteiligt. Auch, als 20 Jahre später ein ähnlicher Fall passiert. Diesmal nimmt er eine Spur auf. Diese führt nach Weißrussland in ein Kinderheim.
Dann gibt es noch Sveta, die bereits ein Kind an eine Krankheit verlor. Außerdem ihr Heim und ihren Mann (letzterer war kein so großer Verlust). Sie ist wieder schwanger und bekommt ein süßes Mädchen. Aber ist es gesund? Oder leidet es auch an den Tschernobyl-Spätfolgen?
Was das alles mit Putin zu tun hat? Ein Revolver, den er einmal benutzt hat um einen Aufstand zu verhindern, befindet sich irgendwann in Johanns Besitz. M. hat ihn anscheinend illegal erworben und im Ferienhaus zurückgelassen, als er spurlos verschwand.
Das Buch ist als unvollendete Aufzeichnung von Johann aufgebaut. Auf ca. 70 Blättern die ( laut dem „Herausgeber“ ) als Handschrift mit Skizzen versehen von Johann hinterlassen wurden, baut sich ein sehr verschachteltes Szenario auf (Matrjoschka) . Es wird mit Zeit- und Erzählebenen gespielt. Drehbuch und Realität verbinden sich auf geniale Weise. Und dann ist noch der Hauptdarsteller, Johann, leicht schizophren und verrückt und selbst auf der Suche nach seinen Wurzeln.
Das Buch bietet sehr viele Szenarien, die miteinander verknüpft werden. Es gibt Eltern, die seit Jahrzehnten nach ihrer Tochter suchen, sterbende Schwäne und Postbotinnen, verschwundene Kinder und Männer, russische Verschwörungen, Inzest, Kochrezepte, Marder, Schüsse, Landschaftsbetrachtungen, Scheidungen, Verhältnisse…
Es liest sich wie Butter, trotzdem habe ich oft zurück geblättert, um mein Gedächtnis aufzufrischen und weil ich manchmal Probleme hatte, die Ebenen auseinander zu halten Aber als ich mich damit angefreundet hatte, das Wahrheit und Fiktion miteinander verschwimmen war alles gut. Dieses Buch beantwortet nicht alle Fragen die es aufwirft, aber das muss ein anspruchsvoller Roman meiner Ansicht nach auch nicht.
Oder wie der Autor in der Leserunde bei Lovelybooks schrieb: „ Alles ist fiktiv. Oder? Es ist eine Geschichte über das Erzählen einer Geschichte. Über einen labilen, zuweilen paranoiden Autor, der etwas erfindet, was ihn nicht mehr los lässt.“ Er hatte eindeutig viel Spaß bei der Arbeit an diesem Buch.
Bei „Eine Rose für Putin“ handelt es sich übrigens um den Debütroman des Autors Thomas Wendrich. Dieser hat trotzdem schon Erfahrung mit der Schreibkunst, hat er doch schon zahlreiche Drehbücher verfasst. Ausserdem arbeitet er als freischaffender Autor, Regisseur und Schauspieler.
Wer den Mut hat sich auf dieses sehr ungewöhnliches Buch einzulassen, den lässt es auch nicht mehr los.
Thomas Wendrich: Eine Rose für Putin, ISBN: 978-3-8270-1263-0, 320 Seiten, Gebunden mit Schutzumschlag € 19,99.
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