Jasmin Ramadan im Interview
Mittwoch, 9. November 2016
Das neue Buch von Jasmin Ramadan, „Hotel Jasmin“ hat mich schwer zum Nachdenken gebracht. Da habe ich mich sehr gefreut, dass ich ihre Lesung im Kölner Literaturhaus besuchen konnte und sie bereit war vorher ein Interview per eMail mit mir zu führen.
Das Interview mit Jasmin ramadan
Silvia: Wie ist Dir die Idee für das Buch „Hotel Jasmin“ gekommen?
Jasmin Ramadan: Wie es genau anfing weiß ich nicht mehr. Ich habe viele Notizen gemacht und so hat es sich über Monate entwickelt und präzisiert.
Irgendwann vor drei vier Jahren entschied ich, meine beiden Länder zusammenzubringen und den Teil meiner persönlichen Geschichte, nach dem ich wegen meines Namens und Aussehens meist sofort gefragt werde, vermengt mit viel Fiktion in einen Roman zu bringen. Dafür brauchte ich eine Figur, die wenig mit mir, aber viel mit meinem Herkunftsland zu tun hat: Christiane Tarpenbek. Und ich brauchte eine Figur, die viel mit mir zu tun hat und viel mit dem Land, das mir fremd ist. Also meinen Vater, da er der einzige Ägypter ist, den ich gut kenne.
Silvia: Welcher Protagonist war zuerst da, Christiane oder dein Vater?
Jasmin Ramadan: Das habe ich vergessen. Und ich weiß nicht mehr, wo das Notizbuch ist. Ich hatte im letzten Jahr einen kurzfristigen stressigen Umzug. Seitdem ist einiges verschwunden. Irgendwie befreiend.
Silvia: Im Artikel der Bild stand, dass alle Personen außer deinem Vater fiktional sind. Stimmt das?
Jasmin Ramadan: Ja. Obwohl ich selber ja auch im Buch auftauche. Zumindest für Christiane Tarpenbek.
Silvia: Braucht ein Roman eine Botschaft? Was ist die Botschaft von „Hotel Jasmin“?
Jasmin Ramadan: Nein, ein Roman braucht keine Botschaft. Würde ich Botschaften verbreiten wollen, würde ich welche bei Twitter posten.
Silvia: Wieviel rauchst du so? Hat Christiane noch andere Eigenschaften von Dir?
Jasmin Ramadan: Ich rauche nur, wenn ich ausgehe oder fürs Foto. Nein, Christiane und ich sind sehr verschieden.
Was Du im Buch über das Leben deines Vaters schreibst, würde schon allein für ein ganzes Buch ausreichen. Hast Du schon mal daran gedacht ein Buch über das Leben einer Person aus deinem Umfeld zu schreiben?
Jasmin Ramadan: Nein, ich denke mir über lange Strecken lieber viel aus.
Silvia: Wen würdest du dir selbst als Biographen wünschen?
Jasmin Ramadan: Davon habe ich keine Vorstellung.
Silvia: Christiane ist Lehrerin. Wie denkst du an deine Schulzeit zurück?
Jasmin Ramadan: Ich hab die Schule mit sechzehn Jahren geschmissen. Bis dahin war es schwierig, da ich mich schlecht konzentrieren konnte. Dann hab ich mich mit Neunzehn wieder angemeldet und mit Dreiundzwanzig Abi gemacht. Das waren extreme, aber gute vier Jahre.
Silvia: Während ich das Buch las, hatte ich viele Personen und Szenen plastisch vor Augen. Kannst Du Dir eine Verfilmung vorstellen?
Jasmin Ramadan: Vielen dank, das freut mich. Na klar, unbedingt, ist ja auch ein Film in meinem Kopf gewesen.
Silvia: Hast Du schon mal in der Wüste übernachtet?
Jasmin Ramadan: Nein, das stelle ich mir unheimlich vor. Aber ich war mal tagsüber dort.
Silvia: Bist du aufgrund deiner Herkunft und des Namens schon mal angegriffen worden?
Jasmin Ramadan: Früher in der Schule gab es dann und wann beleidigende Sprüche von Idiotenkindern oder Kindern von Idioten. Es gab auch mal einen älteren Herrn, der mich auf der Straße beschimpfte, ich solle dahin zurück gehen, wo ich herkomme. Und dann dieser „nette“ Rassismus, wenn man vorab in Schubladen gesteckt wird. Aber alles überschaubar.
Ich hab Leute in meinem Umfeld, die kennen größere Probleme mit Rassismus. Leute mit Eltern aus Ghana oder dem Senegal.
Silvia: Schreibst Du schon am nächsten Buch? Was erwartet uns?
Jasmin Ramadan: Ich habe eine Idee und mache derzeit Notizen, dann scheibe ich das Exposé. Mehr verrate ich nicht. Es ist ja noch lange hin, bis es fertig sein wird. Einiges wird sich noch ändern.
Silvia: Hast Du Kontakt zur „Buchbloggerszene“?
Jasmin Ramadan: Nein. Weiß auch gar nicht, was das praktisch bedeuten würde.
Silvia: Was sind deine Lieblingskekse? (gerne mit Rezept)
Jasmin Ramadan: Cantuccini, diese italienischen Mandelkekse, auch gern mit Pistazien. Davon ernähre ich mich manchmal bis zum Mittag. Aber ich koche nur. Backversuche gingen immer schief, da ich mich geradezu zwanghaft nicht an Rezepte halten kann, was beim Backen ja nicht so gut funktioniert. Deshalb kein Rezept, das hätte ich nur irgendwo aus dem Internet geklaut.
Danke
Vielen Dank an Jasmin Ramadan für die offenen Antworten.
Ich habe mich sehr gefreut diese interessante Frau persönlich kennen lernen zu können:
Die Lesung
Die Lesung fand im Literaturhaus Köln statt. Durch den Abend führte Till Strasser, einer der Mitarbeiter.
Till hat sich sehr intensiv mit dem Buch beschäftigt und viele Faktoren daraus in sein Gespräch mit der Autorin eingebracht.
Es wurden einige Handlungsverläufe und Stilmittel des Buches besprochen, ohne die wichtigen Spannungsmomente vorwegzunehmen. Auch die politischen Dimensionen des Romans wurden thematisiert. Sie bezogen sich vor allem auf den Rassismus in Deutschland und die jetzigen politischen Zustände in Ägypten. Auch die Proteste auf dem Tahrir-Platz 2012 fanden Erwähnung.
Jasmin erklärte, dass es ihr bei dem Roman ein Anliegen war, die beiden Kulturen aus denen ihre Vorfahren stammen, literarisch zu verbinden. Deshalb war direkt klar, dass ein Teil des Buches in Deutschland und ein Teil in Ägypten spielen würde.
Und natürlich war auch Rassismus in Deutschland ein Thema. Jasmin zeigte sich etwas genervt, dass einige Menschen sie immer erst mal auf die Herkunft ihres Nachnamens ansprechen. Mit dem Buch und den Passagen über ihren Vater wollte sie sich diesen Aspekt auch ein wenig von der Seele schreiben. Die rassistischen Alltagsszenen des Buches hat sie tatsächlichen Erlebnissen von Freunden, Bekannten oder aus Presseberichten entlehnt.
Jasmin Ramadans Mutter (mit einem wirklich sehr deutschen Vornamen) hat nach der Scheidung den Nachnamen Ramadan bewusst behalten. Wer, zum Beispiel wenn sie auf Wohnungssuche war, bei der Nennung stockte, schloss sie als Vermieter direkt aus, weil sie ja nicht bei Rassisten wohnen wollte.
Der Büchertisch wurde übrigens durch die Forough-Verlagsbuchhandlung betreut. Sie hat die größte Auswahl an persischen Titeln in Deutschland.
Leider war die Lesung nicht so gut besucht. Da war ich froh, dass zwei Freundinnen aus dem Lesekreis mit dabei waren.
Diese nutzten auch die Aufforderung Strassers, doch noch mit ins Restaurant zum traditionellen „nach-der-Lesung-Essen“ mitzukommen (ich musste leider passen). Dort verlebten sie noch einen schönen Ausklang und tauschten mit der Autorin Kontaktdaten aus, um mit ihr vielleicht nächstes Jahr Karneval zu feiern.
Fazit
Jasmin Ramadan ist ganz anders als ich es mir vorgestellt habe und die Antworten im Interview und während der Lesung haben mir das Buch „Hotel Jasmin“ nochmal auf eine andere Weise nähergebracht.