Joachim Meyerhoff: Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke
Dienstag, 12. Januar 2016
Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke
Das Buch ist das dritte Buch vom Joachim Meyerhoff. Das erste Buch „Alle Toten fliegen hoch“, das zweite „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war?“. Das erste habe ich gelesen, das zweite Silvia. Beide allerdings noch vor Entstehen unseres Blogs.
Alle Bücher sind autobiografisch. Im dritten Teil beginnt der zwanzigjährige Meyerhoff eine Schauspielausbildung in München. Aus dem hohen Norden kommend zieht er bei den Großeltern ein, da er kein Zimmer gefunden hat. Die Großeltern nehmen ihn gerne auf und geben ihm in der fremden Umgebung Halt.
Das Leben im großelterlichen Haus ist bestimmt von Ritualen, die er bereits seit seiner Kindheit kennt, an denen er aber erst im Erwachsenenalter teilnehmen kann, aber auch von intensiven Gesprächen. Seine Großmutter ist selbst Schauspielerin gewesen, sein Großvater Philosoph. Die beiden führen ein großbürgerliches Haus mit Haushälterin und Gärtner. Das Leben in dem Haus ist irgendwann stehengeblieben. Das Zimmer, das Meyerhoff in der Zeit bewohnt, ist seit seiner Kindheit in rosa Farben eingerichtet und auch in den dreieinhalb Jahren, in denen er dort wohnt, darf kein Möbelstück verrückt werden.
Die Anfänge an der Schauspielschule sind für den jungen Mann gewöhnungsbedürftig. Immer wieder stößt er an seine Grenzen, zweifelt an sich und den Lehrmethoden. Alles verlangt ihm unheimlich viel Kraft ab, er kann nicht auf der Bühne weinen, singen, lachen. Es gelingt ihm, sich auf offener Bühne zu verstecken. Ich bin beeindruckt von seinem Durchhaltevermögen.
Dieses Buch ist heiter geschrieben, seine Formulierungen famos und das Lesen macht richtig Spaß. Wörter wie „rotweinverwirrt“, „daunengeblähtes Kopfkissen“ oder auch der Vergleich seines Lebens vor dem Tod des Bruders gefallen mir.
Eine verlässliche zugefrorene Fläche, auf der ich gutbürgerlich herangewachsen und wohlgehütet Schlittschuh gelaufen war. Doch jetzt knirschte und taute es gewaltig unter mir.
Es ist nicht nur ein heiteres Werk. Wie schon in den anderen Büchern belastet Meyerhoff der Tod seines älteren Bruders sehr, der Verlust verlangt ihm einiges ab, was in dem Alter eigentlich nicht sein sollte. Und so beende ich dieses Buch sehr nachdenklich. Es ist eine sehr ungewöhnliche Mischung von Humor und Trauer.
Talkshow im WDR am 11.12.2015
Am 11. Dezember 2015 war Joachim Meyerhoff in der WDR-Talkshow. Ich war sehr gespannt auf den Autor. Immerhin sind seit seiner Schauspielausbildung einige Jahre vergangen und mich interessierte, wie er auftreten würde. Thema war natürlich sein Buch, das Leben bei seinem Großeltern und die Schauspielschule. Da er viel arbeitet, hat er nicht viel Zeit für Lesungen. In seinem Heimatort hat diese Aufgabe daher seine Mutter übernommen. Ein schöne Idee, wie ich finde. Dann kann man wohl davon ausgehen, dass sie einverstanden ist mit den Büchern ihres Sohnes.
Lesung im Schauspielhaus in Hamburg
Am 14. Dezember hatte ich dann das Glück, den Autor persönlich bei einer Lesung zu erleben. Kennenlernen konnte ich ihn dort leider nicht. Meyerhoff ist inzwischen so bekannt, dass er an dem Abend bereits zum zweiten Mal innerhalb von nur zwei Wochen das Schauspielhaus in Hamburg füllen konnte. Zu meinem anfänglichen Bedauern gab es keinen Moderator, der dem Autor Fragen stellen konnte. Daher war die Vorstellung in wahrsten Sinne des Wortes eine Lesung. Es gab keine persönlichen Worte des Autors, was ich etwas befremdlich und enttäuschend fand. Ist der Autor nicht inzwischen ein bekannter Bühnenschauspieler, der sich auf einer Bühne zu Hause fühlen sollte? Meyerhoff las ca. 90 Minuten aus seinem Werk vor, leider nur vom Anfang, den ich schon kannte. Aber nichtsdestotrotz amüsierte ich mich prächtig. Aus seinem Munde klang alles anders und an manchen Stellen fragte ich mich, ob ich wirklich das gleiche Buch in Händen halte. Das Publikum kam aus dem Lachen gar nicht mehr raus und es gab immer wieder spontanen Applaus. Machte ich mir im Buch manchmal Sorgen um seine Karriere als Schauspieler, so bin ich nun zumindest von seinen Lesungsqualitäten überzeugt.
Joachim Meyerhoff: Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke, Verlag: Kiepenheuer & Witsch, ISBN: 978-3-462-04828-5, Erschienen am: 12.11.2015
352 Seiten
Andere Rezensionen gibt es bei „Die Buchbloggerin„
Ich habe noch keines seiner Bücher gelesen. Die Schwiegermutter empfahl es mir an Weihnachten. Ich tu mich ehrlich gesagt schon etwas schwer, mit diesen auf lustig getrimmten Trauerbewältigungen.
Den Autor einmal selbst zu erleben, wäre vielleicht mal was.
Hättest du das Buch anders gelesen, wärst du vorher bei der Lesung gewesen?
Liebe Grüße
Andrea
Liebe Andrea,
dieses Buch ist sicher kein auf lustig getrimmtes Trauerbewältigungsbuch. Wenn es um seine Trauer geht, beschönigt der Autor absolut nichts und diese Stellen im Buch sind auch wirklich nicht zum Lachen. Aber es ist schon erstaunlich wie er den Bogen immer wieder schafft.
Ob ich das Buch anders gelesen hätte? Ich glaube nicht. Allerdings habe ich nach Lesungen immer noch ein paar Tage die Stimme des Autors im Kopf.
LG Astrid
Bin durch Zufall bei Instagram über dieses Buch und dann eure Seite gestolpert. Ausnahmsweise mal ausversehen was Tolles gefunden, was ich eigentlich nicht gesucht habe.
Na, das freut uns aber sehr! Vielen Dank.