Joanna Rakoff: Lieber Mr. Salinger
Donnerstag, 16. April 2015
Rezension + Lesung auf der Leipziger buchmesse
Auf das Buch bin ich kurz nach seinem Erscheinen aufmerksam geworden. Obwohl ich noch nie einen Salinger gelesen hatte, sprach mich dieses Buch auf eine ganz besondere Art und Weise an. Allein das Cover ist so wunderschön gestaltet, dass ich es in jeder Buchhandlung in die Hand genommen hätte.
Dieses Buch gibt uns Einblicke in die frühere Arbeitwelt von Joanna Rakoff. Nach dem Studium fängt sie 1996 bei einer renommierten New Yorker Agentur an zu arbeiten. Die Agentur vertritt einige berühmte Schriftsteller.
J. D. Salinger gehört zu Ihnen. Joannas Chefin vertritt ihn und zu Joannas Aufgaben kommt sehr schnell die Beantwortung der Fanpost vom Autor des Romans „Der Fänger im Roggen“. Der berühmte Autor lebt sehr zurückgezogen und möchte keinen Kontakt zu seinen Lesern.
Obwohl Joanna selbst auch anfangs keine Salingerbücher kennt, gibt sie sich bei der Beantwortung der Leserbriefe sehr viel Mühe. Eigentlich soll sie Standardbriefe verfassen, aber das bringt sie bei vielen sehr emotionalen und schönen Briefen nichts übers Herz und schreibt sehr persönliche Briefe an die Absender.
Außer den Leserbriefen tippt sie in ihrer Arbeitszeit anfangs fast ausschließlich Briefe nach Diktafon. Ihre Chefin ist dem digitalen Zeitalter weit hinterher und so gibt es zwar bald den ersten PC. Allerdings ist der für alle Mitarbeiter und nur zum Recherchieren gedacht. E-Mails werden ausgedruckt und als normale Post behandelt.
Ein Jahr bleibt Joanna bei dieser Agentur. Durch einen Schicksalsschlag der Chefin übernimmt sie immer verantwortungsvollere Arbeiten und beginnt auch, Manuskripte zu lesen und zu bewerten.
Joanna wandelt sich in dem einen Jahr, in dem sie in der Agentur arbeitet vom Schulmädchen zur erwachsenen Frau, die sehr bald weiß, was sie wirklich will.
Mir hat dieses Buch sehr gefallen, unter anderem auch dadurch, dass es in New York spielte. Sehr spannend waren für mich die Berichte, wie man mit sehr wenig Geld in dem teuren NY zurechtkommt. Essen, Wohnen, Kleidung für einen Agenturjob mit einem kleinen Gehalt, das nicht zum Überleben reicht.
Auch die Arbeit in einer amerikanischen Agentur war spannend zu lesen. Da es in Deutschland keine Agenturen für Schriftsteller gibt, war es eine neue Welt für mich, in die ich eintauchen durfte. Sehr informativ.
Auf der Buchmesse in Leipzig hatte ich dann das Glück, Joanna Rakoff auf einer Lesung kennenzulernen.
Ich las das Buch erst später. Als ich an der Textstelle angelangt war, wo das Büro von Joanna beschrieben war, musste ich lachen. Hatten die Organisatoren das vielleicht schon gelesen und danach die Örtlichkeit in Leipzig ausgewählt?
Aber genau das mochte ich ja: den sanften, beruhigenden Lampenschein, die leisen Schritte der Kollegen auf den weichen Teppichböden, die Ledersessel, die Bücherregale aus dunklem Holz. Es war, als würde man in einer Wohnung oder Privatbibliothek arbeiten.
Die Lesung fand bei Horn Erben statt. Eine alte urige Kneipe, wo es im oberen Stockwerk einen kleinen gemütlichen Raum gab. Auf der Bühne beruhigenden Lampenschein und Sessel. Eigentlich fehlten nur ein paar Bücherregale, um es nach Wohnzimmer aussehen zu lassen.
Karla Paul moderierte und übersetzte die Lesung, Pina Bergemann las den deutschen Text.
Joanna Rakoff begann mit ersten Kapitel des Buches, danach war Pina Bergemann mit dem deutschen Part an der Reihe. Schnell entwickelte sich ein angeregtes Gespräch mit der Autorin, die sehr mitteilsam war. Leider waren ihre Passagen immer sehr ausschweifend und mit ihrem amerikanischen Slang und Sprachmelodie war es nicht jedem vergönnt, alles zu verstehen. Karla Paul übersetzte die wichtigsten Teile, aber dabei ging doch leider viel verloren.
Aber nichtsdestotrotz war es ein unterhaltsamer Abend. Die Autorin ist sehr sympathisch und mit ihren weiteren Erklärungen zum Buch machte sie mir das Lesen noch angenehmer.
Wer wie ich selbst in der Schule noch keinen Salinger gelesen hat, aber es nach der Lektüre sicher vorhat, kann sich laut der Autorin auf folgendes einstellen:
Salinger war nicht kitschig. Seine Werke waren nicht nostalgisch. Es waren keine Märchen über irgendwelche genialen Kinder, die durch die Straßen des alten New York flanieren.
Salinger war nicht annähernd so wie ich gedacht hatte. Nicht annähernd.
Salinger war knallhart. Knallhart, witzig und sehr genau. Ich war Feuer und Flamme für ihn und für alles, war er geschrieben hatte.
Stellt sich für mich nur noch die Frage, mit welchem fange ich an?
Joanna Rakoff, Lieber Mr. Salinger, 304 Seiten, ISBN: 978-3-8135-0515-3, 19,99 € [D], Knaus Verlag
Ich kann dir nur zustimmen. Aufgrund des tollen Covers, hätte ich das Buch auf jeden Fall in die Hand genommen und den Klappentext gelesen.
Die Autorin hätte ich auch gerne kennengelernt.
Toller und informativer Beitrag! Danke! Werde den Titel gleich auf meine Wunschliste aufnehmen.
Grüße
Steffi