Katharina Hagena: Flusslinien
Sonntag, 22. Juni 2025

Roman, der an der Elbe spielt
Ein Roman, der ein gesamtes Jahrhundert überspannt sich aber auf unsere heutige Zeit fokussiert. Drei sehr unterschiedliche stehen im Mittelpunkt, jede Person bekommt eine eigene Stimme.
Drei Hauptpersonen
Margrit, 102 Jahre alt, lebt in einer Seniorenresidenz. Das Management besteht auf diesen Ausdruck, Altersheim ist ihnen nicht fein genug, Hamburg halt. Sie rechnet jeden Tag mit dem Tod, ist dazu auch bereit, macht aber trotzdem immer noch Pläne und sich auch viele Sorgen um die Enkeltochter Luzie.
Das Alter und die damit verbundenen Beschwerden sind dabei auch immer präsent. Ständig Schmerzen, oder im Gegensatz dazu Körperteile die ohne Gefühl sind.
Luzie ist 18, hat kurz vor dem Abi die Schule geschmissen, Die Gründe dafür werden erst nach und nach aufgedeckt.
Arthur, Ende 20. Er arbeitet in der Seniorenresidenz als Fahrer und hat den Verlust seines Zwillingsbruders zu verarbeiten.
römischer Garten
Margrit versucht ihrer im Hamburger Feuersturm gestorbenen Mutter näherzukommen. Dazu lässt sie sich jeden Tag zum römischen Garten an der Elbe bringen. Dort fühlt sie sich ihrer Mutter sehr nahe. Denn die Gärtnerin, die diesen entworfen und gebaut hat, war eine Freundin ihrer Mutter. Diese Gärtnerin, Else Hoffa, war auch der Grund für diesen Roman. Das eine Frau im Anfang des 20. Jahrhunderts die Verantwortung über einen Park bekommt war schon sehr außergewöhnlich. Wie schön, dass Teile dieses Gartens auch heute noch existieren.
Die Elbe bei Hamburg ist die vierte Hauptperson in diesem Buch, sie kommt zwar nicht zu Wort, ist aber immer präsent. So wohnen sowohl Luzie als auch Arthur direkt am Ufer, fast schon in der Elbe. Natur, Umweltschutz ist auch Thema im Roman, besonders durch Arthur wird das angesprochen

Tattoos
Ich bin ja keine Tattoo-Liebhaberin. Wenn meine Töchter mit einem neuen ankommen, schüttle ich immer nur denn Kopf.
Doch hier wird mir der künstlerische Aspekt erklärt. Luzie ist Tattoo Künstlerin. Sie sticht anderen Bilder in die Haut und auch sich selbst.
Da kommt ihre Großmutter auf die Idee, dass sie auch eines möchte. Die Beschreibung des Bildes, oder eher der Bilder hört sich wunderbar an. Und die Idee eines Pop-Up-Tattoo-Studios in einer Seniorenresidenz ist einfach klasse.
Sprachen
Arthur denkt sich neue Sprachen aus. Manchmal werden diese sogar aufgekauft, zum Beispiel für Phantasiefilme oder Computerspiele.
Sprache und korrekter Ausdruck ist ein häufiges Thema in diesem Buch. Er philosophiert häufig über noch nicht erfundene Sprachen, die bestimmte Ausdrücke, die es auf Deutsch nicht gibt enthalten.
Zum Beispiel
„Sigé, jene Sprache mit den einhundertdreiundvierzig Wörtern für Stille. Die ist noch gar nicht fertig. Vielleicht wird sie nie fertig, wird für immer unsprechbar sein. Das wäre eine angemessene Existenzform für eine Sprache des Schweigens.

Sehr gut gefiel mir „die Stille die entsteht, wenn der Besuch gegangen ist“. Eine besondere Empfindung die ich auch kenne.
Stimme
Passend dazu ist auch Stimme und Atmung ein immer wiederkehrendes Thema. Denn Margrit war Stimmbildnerin. Sie hat vielen geholfen ihre Stimme auszubilden und manchmal wiederzufinden. Dabei geht es häufig um die Atmung. Ein Thema, das mir, als Yogi, auch sehr nahekommt. Und ein starkes Symbol für das Leben
Fazit
Flusslinien von Katharina Hagena ist eines meiner Lieblingsbücher in diesem Jahr. Alle drei Hauptpersonen haben schwer an ihren Problemen zu tragen, trotzdem ist das Buch voller Humor, Tiefgang und Leichtigkeit.