[Rezension] Celeste Ng: Kleine Feuer überall
Sonntag, 20. Mai 2018
Kleine Feuer überall im Haus verteilt
Familie Richardson lebt in Shaker Heights (Cleveland, USA). In einem musterhausähnlichen Viertel. Alles groß, schön, bilderbuchmäßig. Die Familie hat 4 Kinder im Teenageralter. Beide Eltern sind beruflich sehr eingespannt. Das Leben von Bill und Elena Richardson ist so, wie sie es geplant haben und es geht ihnen gut. Finanziell leisten sie sich viel. Ein Auto für das Kind, sobald es Autofahren darf, viele Reisen, Restaurantbesuche und Klamotten.
Mia Warren ist das genaue Gegenteil. Alleinerziehende Mutter einer Teenietochter. Sie sind schon 26mal umgezogen. Mia ist eine sehr kreative Fotografin, verdient aber nicht viel Geld mit ihrer Kunst. Immer muss sie zum Überleben Aushilfsjobs annehmen. Besitzen tut sie nur das, was in ihren alten VW Golf reinpasst.
Eines Tages kreuzen sich die Wege der Richardsons und Mia Warren mit ihrer Tochter Pearl. Mrs Richardson gehört ein Zweifamilienhaus, das sie vermietet. Gerne an Menschen, denen es nicht so gut geht wie ihr. Sie vermietet die obere Wohnung eines Tages an Mia, da diese gerne seßhaft werden möchte. Pearl soll ein normales Leben kennenlernen. Länger als ein paar Monate in eine Schule gehen können und Freunde finden. Zum ersten Mal in ihrem Leben bekommt Pearl ein eigenes Zimmer.
Pearl geht in dieselbe Schule wie die Richardsonkinder. Sehr schnell freundet sie sich mit Moody, dem Sohn der Vermieter an. Bald geht sie ein und aus bei den Richardsons und fühlt sich dazugehörig in dieser Bilderbuchfamilie.
Da war Mrs Richardson, die in der Küche ausgerechnet Plätzchen backte – etwas, das ihre Mutter nie tat.
Elena Richardson will Mia aus ihrer schlechten finanziellen Situation heraushelfen und zwingt ihr den Job als Haushälterin in ihrer Familie auf. So kommt es, dass Mia morgens und abends jeweils ein paar Stunden im Haus der Richardsons ist und die Familie in ihren intimsten Bereichen kennenlernt.
Eines Tages brennt das Haus der Richardsons. Auf allen Betten brennt ein kleines Feuer. Wer hat es gelegt? Wo ist die jüngste Tochter?
Das Buch beginnt mit dem Brand des Hauses und der Leser erfährt in Rückblicken immer mehr Details aus dem Leben seiner Bewohner.
Was erwarte ich von meinem Leben?
Dieser Roman stellt viele Fragen. Ist es erstrebenswert, sein Leben nach Plan verlaufen zu lassen, wie es in Lebensläufen so gerne gesehen wird, wenn man auf Jobsuche ist? Oder ist ein Leben, dass absolut nicht nach Plan verläuft, das chaotisch ist und von vielen nicht verstanden wird, vielleicht genauso lebenswert? Welche Werte sind wirklich wichtig im Leben? Muss es der hochbezahlte Job sein, der einem aber nicht viele Freiheiten lässt? Oder kann man auch mit einem Mindestlohnjob eine gute Mutter sein, auch wenn die Kinder keine Markenklamotten anziehen können?
„Kleine Feuer überall“ behandelt auf fast 400 Seiten viele, manchmal zu viele Themen. Am Ende überschlagen sich die Ereignisse, das Buch avanciert zum Pageturner und ich fühle mich als Leser manchmal überrumpelt von der Vielzahl an neuen Entwicklungen. Vielleicht wäre weniger mehr gewesen.
Den Ort Shaker Heights gibt es tatsächlich und die Autorin hat dort selbst zeitweise gewohnt. Sie ist ein Kind chinesischer Einwanderer, vielleicht war das Motivation für die Chinesin Bebe im Buch, die ihr Kind aus Verzweiflung abgibt, später aber das Sorgerecht zurück möchte.
Tolle Fotos entstehen im Kopf
Wer sich für Fotografie interessiert, kommt in „Kleine Feuer überall“ übrigens voll auf seine Kosten. Es gibt zwar leider keine Fotos zu sehen, aber im Kopf entstehen tolle Bilder. Mia ist eine begnadete Fotografin, die aus ihren Aufnahmen Kunst macht. Allein ihren fotografischen Werdegang zu verfolgen, macht unglaublich Freunde.
Fazit
„Kleine Feuer überall“ ist ein spannungsgeladener Roman über zwei Familien, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Die Familien lernen sich immer näher kennen bis es irgendwann zur Katastrophe kommt.
Dieses Buch beinhaltet so viele unterschiedliche Themen, dass es manchmal fast zu viel wird.
Ein interessanter Roman, der schnell gelesen ist, aber noch lange nachhallt.
Warum spielen Romane gerne in Nicht-digitalen Zeiten?
In letzter Zeit frage ich mich immer öfter, warum Romane in der Zeit spielen, wo das Internet noch in den Kinderschuhen steckte, Telefone noch Telefone waren und keine tragbaren kleine Computer. Macht es die Welt spannender, wenn Geheimnisse noch Geheimnisse sind und nicht sofort eine Suchmaschine Ergebnisse ausspuckt? Oder ist es einfach nur Zufall, dass ich solche Bücher lese?
Bibliografische Daten
Kleine Feuer überall
ISBN978-3-423-28156-0 dtv |
Irgendwo habe ich mal ein Interview mit einem Krimiautor gelesen, ich weiß aber nicht mehr genau wer es war. Jedenfalls meinte er auch, dass er den Eindruck hat, dass es so einen Trend gibt, Krimis eher früher spielen zu lassen, da es früher eben ganz anders funktionierte. Für die Kriminellen war es einfacher, die Arbeit der Ermittler schwieriger.
Mittlerweile kann ja auch jeder sein Handy zücken, falls man in eine gefährliche Situation gerät und der Plot hängt. Oder man muss erst großartig erzählen, warum derjenige jetzt kein Handy hat, denn „Akku leer“ gerade im wichtigsten Moment, das ist dem Leser auch zu banal. Was für ein Zufall, oder?
Ich glaube, Geschichten ohne Smartphones, Computer usw. können einfach sehr intensiv erzählt werden. Ob es aber wirklich so ist, dass deshalb die Autoren ihre Geschichten in der entsprechenden Zeit spielen lassen, das ist nur Spekulation.
Ach, das ist ja interessant, dass Du das von einem Autor auch schon mal gehört hast. Bei mir kann es ja absoluter Zufall sein, hängt ja sehr von den Büchern ab, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Ich werde mal verstärkt darauf achten und mal andere fragen, was sie dazu meinen. Vielleicht ergibt sich auf der LitblogConvention in zwei Wochen eine Gelegenheit.
Hallöchen 😀
EIne echt tolle Rezi! Habe euren Blog gerade durch Litnetzwerk erst entdeckt und bleibe gerne auch gleich als Leserin!
Liebe Grüsse
Elodie 😀
Oh wie schön! Ich hoffe, wir haben die richtige Auswahl für Dich!
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