Sarah Moss: Zwischen den Meeren
Sonntag, 4. September 2016
Es gibt eine Fortsetzung von „Wo Licht ist“. Auf dieses Buch habe ich mich schon lange gefreut. Ich hatte sehr gehofft, dass der Mareverlag es diesen Herbst in seinem Programm haben würde.
Als Jugendliche habe ich mir irgendwann geschworen, nicht ständig die gleichen Autoren zu lesen. Irgendwie hatte ich damals den Eindruck, dass es doch immer dasselbe war. Nun habe ich das vierte Buch von Delphine de Vigan gelesen und direkt danach das vierte Buch von Sarah Moss. Die Aussage von früher muss ich streichen. Beide Autorinnen sind durchaus in der Lage, immer wieder interessante Romane zu schreiben.
Inhalt
Das Buch „Zwischen den Meeren“ beginnt, wo „Wo Licht ist“ aufhört. Ally und Tom haben geheiratet. Ally ist ausgebildete Ärztin. Eine von wenigen im späten 19. Jahrhundert. Tom ist Ingenieur und baut Leuchttürme. Einige Wochen nach der Hochzeit fährt er nach Japan, um dort Leuchttürme zu konstruieren. Und so muss sich das Paar, dass sich noch gar nicht lange kennt für ein halbes Jahr trennen.
Ally
Ally fängt eine Stelle in einer Irrenanstalt an. Damals war es für eine Ärztin noch nicht leicht, eine bezahlte Arbeit zu finden und so arbeitet sie erst einmal ohne Entlohnung. Der Alltag in einer Anstalt war damals auch für Ärzte nicht leicht auszuhalten und so verlässt sie nach einem Nervenzusammenbruch die Klinik und kehrt zu ihren Eltern zurück, um dort die Zeit zu verbringen, bis Tom zurückkehrt. Doch die Nähe ihrer Mutter ist für sie nicht zu ertragen und so verbringt sie eine lange Zeit bei ihrer Tante in London, um sich auf neue Aufgaben vorzubereiten.
Ihre Nerven liegen häufig blank und sie hört immer wieder die Stimmen ihrer Mutter und der verstorbenen Schwester. Es ist für Ally nicht leicht, ein normales Leben zu führen. Die Erziehung ihrer Mutter macht ihr immer noch große Probleme. Allys Mutter arbeitet ununterbrochen für die Armen und erwartet das auch von ihrer Tochter. Ally muss erst lernen, dass auch Müßiggang nichts verwerfliches ist.
Es gibt keinen Engel, der jede nicht getrunkene Tasse Tee vermerkt, jeden Rock, der geflickt und noch ein weiteres Jahr getragen wird. Wenn ich mir die Butter auf dem Brot nicht gönne, ändert das nichts am Schicksal der Kinder, die in diesem Land in bittere Armut hineingeboren werden, …
Tom
Tom ist derweil in Japan, um Leuchttürme zu bauen. Für einen Engländer ist das Leben dort sehr schwer zu verstehen. Es gibt anfangs große Verständigungsschwierigkeiten, die sich nicht nur auf die Sprache beschränken. Immer braucht Tom einen Dolmetscher. Er bereist große Teile des Landes und beginnt mehr und mehr dieses Land zu lieben.
…nicht mal, wenn ein Engländer und ein Japaner dieselbe Sprache sprechen, können sie sich verständigen.
Sprache
Das Buch ist aus der Perspektive von Ally und Tom geschrieben. Sie wechseln sich in jedem Kapitel ab. Lediglich am Anfang und Ende des Buches leben sie am gleichen Ort, der Wechsel der Perspektive wird aber beibehalten.
Sarah Moss schreibt sehr detailreich. Vor allem Episoden, die in Japan spielen, beschreiben die Natur und die Eigenarten des Landes sehr ausführlich. Sie formuliert wunderschöne Sätze, die ich sehr genieße.
Meine Meinung
Dieses Buch ist keine leichte Kost. Es liest sich nicht schnell und man muss schon mal zwischen den Zeilen lesen. Und einiges ist auch nicht leicht zu verdauen. Ist mir bei dem ersten Teil die Kindererziehung häufig nahe gegangen, so war es dieses Mal das Leben in der Irrenanstalt. Die antiquierten Behandlungsmethoden lassen einen manchmal nicht so schnell wieder los.
Sehr schade für mich war das Fehlen von Toms Berufstätigkeit. Während das Buch hauptsächlich über Allys Beruf berichtet, wird das bei Toms völlig ignoriert. Dieser wird lediglich in Nebensätzen erwähnt. Dabei hätte es mich brennend interessiert, wie Leuchttürme gebaut werden. Auch Allys Vater hat mich dieses Mal nicht überzeugt. Seine Schilderung passt für mich nicht zum ersten Teil.
Bleibt noch die Frage, ob man das Buch lesen kann, ohne „Wo Licht ist“ zu kennen. Das geht auf jeden Fall. Einfacher und schöner ist es sicher, zuerst den 1. Teil zu lesen. Obwohl ich Ally schon kannte, bin ich erst ab ca. Seite 100 wieder mit ihr warm geworden.
Lieblingzitat
Es fängt an zu regnen, feinste Tropfen, gerade schwer genug, um herabzufallen. Niesel, wie Tom sagt, der lieber echten Regen hätte und den dafür seltener, aber Ally gefällt, wie die Tropfen sich an Blätter, Gras und Haar heften, als komme das Wasser nicht vom Himmel, sondern bilde sich dort, und ihr gefällt, wie der Niesel den schmalen Streifen Land zwischen zwei Meeren einhüllt.
Fazit
Sarah Moss ist wieder einmal ein beeindruckendes Buch gelungen. Sie schreibt vor allem über Japan sehr detailliert und bildhaft. Sprachlich wunderschön, aber auch ein wenig beklemmend, wenn es um das Leben in einer Anstalt geht.
Am Schluss noch ein kleiner Tipp. Unbedingt nach dem Beenden des Buches noch einmal den Anfang lesen. Mir wurde dabei einiges klarer.
Sarah Moss, Zwischen den Meeren, Mareverlag, OT: Signs for Lost Children, Aus dem Englischen von Nicole Seifert, 416 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-86648-257-9
Eine wunderbare Anregung; die Titel habe ich mir gleich notiert. Ich habe noch nie ein buch von Sarah Moss gelesen.
LG, Ingrid
Sarah Moss ist hierzulande leider noch viel zu unbekannt. Ich hoffe Dir gefallen die Bücher.