Vanessa Diffenbaugh: Weil wir Flügel haben
Sonntag, 28. August 2016
Weil wir Flügel haben
Kennt ihr das Buch „Die verborgene Sprache der Blumen“? Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich das Buch gelesen habe. Was mich daran ungemein fasziniert hat, war die Wirkung von Blumen. Dass es für jedes Problem die richtige Blume gibt. Also falls es große Blumenliebhaber unter Euch gibt, schaut euch das Buch mal genauer an.
Im neuen Buch der Autorin „Weil wir Flügel haben“ geht es eher um Vögel. Allerdings nur am Rande.
Inhalt
Letty wohnt bereits seit 33 Jahren mit ihren Eltern in einer Wohnsiedlung in der Nähe des Flughafens von San Francisco. Die Siedlung, früher mal gut bewohnt, versumpft zusehens. Überall ist Wasser. Wer es sich leisten kann, zieht um. Lettys Eltern können es nicht. Sie sind illegale Einwanderer aus Mexiko, der Vater ist Künstler, macht Kunstwerke aus Vogelfedern, die aber irgendwann nicht mehr gefragt sind. Nur der Vater hat einen Grund, seinen Wohnort nicht verlassen zu wollen. Die Wohnung liegt genau unter der Vogelfluglinie. Zweimal im Jahr überqueren Massen von Vögeln die Wohngegend.
Letty wird mit 18 ungewollt schwanger, für eine Abtreibung ist es zu spät. Ihre Mutter kümmert sich um das Kind und später auch um das zweite. Da der Vater kein Geld mehr verdient, erwarten die Eltern von ihrer Tochter, dass sie für den Unterhalt sorgt. Da Letty mit den Kindern überfordert ist und wohl auch, weil ihre Mutter ihr die Erziehung ihrer Kinder gar nicht zutraut, tut sie, was ihre Eltern erwarten. Sie arbeitet nachts in einer Bar und ist mit den Trinkgeldern sehr zufrieden mit dem Einkommen.
Als Letty 33 ist, die Kinder 14 und 6, kehren die Lettys Eltern den USA den Rücken und ziehen zurück nach Mexiko. Der Vater hat Heimweh und die Mutter muss sich entscheiden zwischen Mann, Tochter und Enkelkindern. Sie entscheidet sich schweren Herzens für ihren Mann und die alte Heimat.
Fortan muss Letty ihr Leben selbst in die Hand nehmen, was anfangs sehr schwer ist. Kennt sie ihre Kinder doch eigentlich gar nicht.
Aber sie hatte so viele Jahre damit verbracht, die beiden möglichst nicht so genau anzuschauen, dass sie nun kein klares Bild vor Augen hatte.
Auch von Haushaltsführung und Kochen hat sie keine Ahnung.
Letty hat anfangs versucht, sich um ihren Sohn zu kümmern, aber nachdem er aus Unachtsamkeit einmal fast gestorben wäre, traut sie sich nichts mehr zu und überlässt das Kind lieber ihrer Mutter, die sowieso alles viel besser kann. Durch die Arbeit in der Bar ist sie zudem häufig betrunken und schläft tagsüber, wenn die Kinder wach sind.
Als sie plötzlich auf sich alleine gestellt ist, hat sie keine andere Wahl, sie muss sich ihren Problemen stellen. Da sie nun nicht mehr von der Welt abgeschottet wird, registriert sie manche Dinge zum ersten Mal. Sie bemerkt, dass ihr Sohn erwachsen wird, seine erste Liebe erlebt und auch Kontakt zum Vater aufnimmt.
Perspektive
Erzählt wird die Geschichte aus Lettys Sicht und aus der ihres Sohnes. Alex ist ein lieber Junge, der mit 14 eigentlich voll in der Pubertät stecken müsste. Das tut er aber anscheinend nicht. Meistens hat er viel Verständnis für seine Mutter und ist wahnsinnig verantwortungsbewußt. Auch seiner Freundin gegenüber. Letty wird ganz schnell selbst erwachsen, viele Dinge gelingen ihr, ihre Selbständigkeit, die sie als Schülerin hatte, treten wieder mehr an die Oberfläche.
Ein zweites Thema dieses Buches behandelt die Einwanderer aus Mexiko. Letty hat Glück. Ihre Eltern sind zwar immer illegal in den USA gewesen, aber Letty selbst ist in Amerika geboren und somit Amerikanerin. Dieses Glück hat die Freundin von Alex leider nicht.
Meine Meinung
Ein gelungener Roman, der zeigt, was passiert, wenn man seinen Kindern zu wenig zutraut. Der Spruch „man wächst mit seinen Aufgaben“ trifft auf die Kindererziehung perfekt. Die wenigsten wissen vorher, wie man mit Kindern richtig umgeht und erzieht. Die meisten werden mit der Geburt eines Kindes ins kalte Wasser geworfen und was die Erziehung angeht, ist das für alle Beteiligten ein langer Prozess. Immer wieder muss man sich auf neues einstellen.
Mir hat das Buch gut gefallen, es läßt sich leicht lesen und man hat es trotz der 400 Seiten schnell durch. Für meinen Geschmack hätte es noch mehr in die Tiefe gehen können, manche Dinge waren mir doch zu simpel dargestellt. Der Umzug der Eltern war geplant, die Mutter hat für einen ganzen Monat vorgekocht, aber es war keiner in der Lage die Tochter darauf vorzubereiten?
Auch der Charakter von Alex ist mir etwas zu positiv dargestellt. Er ist mir mit seinen 14 Jahren zu erwachsen, zu wenig pubertär.
Die Problematik der mexikanischen Einwanderer kam sehr überzeugend rüber. Ich konnte mich gut hineinversetzen in die Thematik.
Die Problematik des zweiten Buches
Sehr spannend waren für mich auch die Ausführungen der Autorin am Ende des Buches. Wenn man ihren Ausführungen glauben darf, ist ihr dieses zweite Buch sehr schwer gefallen. Und es wird einem mal wieder bewußt, wie schwierig es ist, einen Roman zu verfassen mit Themen, die einem nicht sehr vertraut sind. Und das sind in diesem Buch viele gewesen. Vögel, Medizin, Wissenschaft, Einwandererproblematik.
Fazit
Ein schönes Buch übers Erwachsenwerden. Dieses Buch zeigt sehr eindringlich, was passiert, wenn man Kindern nichts zutraut, sie nicht ihr eigenes Leben leben lässt.
Vanessa Diffenbaugh, Weil wir Flügel haben, ISBN: 978-3-8090-2664-8, Limes
Wieder toll geschrieben. Immer wenn ich deine Rezensionen lese, überdenke ich meine.
Das. Buch steht nun auf meiner Liste und ihr Erstes auch.
Liebe Karminrote Grüße
Andrea
Liebe Andrea,
danke für das Lob. Ab warum musst Du Deine Rezensionen überdenken?
„Die verborgene Sprache der Blumen“ gefällt Dir sicher, Deine Blumenbegeisterung ist auf Deinem Instagram-Account so häufig zu sehen.
LG Astrid
Hallo liebe Astrid,
ich habe das Buch schon einige Male in der Hand gehabt und doch nicht mitgenommen. Nach deiner Rezension sollte ich dies noch einmal überdenken, denn das erste Buch von Vanessa Diffenbaugh hat mir sehr gut gefallen.
Ganz liebe Grüße
Karin
Liebe Karin,
wenn Dir das erste gefallen hat, gefällt es Dir sicher. Und wenn Du die Sprache der Blumen interessant findest, solltest Du Dir noch „Die vier Jahreszeiten des Sommers“ ansehen.
Viele Grüße
Astrid