Wer sagt es?
Mittwoch, 24. August 2016
Du sagst es
Connie Palmen verpackt das gemeinsame Leben des Literatur-Traumpaares Sylvia Plath und Ted Hughes in einen Roman. Dabei bedient sie sich Ted Hughes als Ich-Erzähler und lässt ihn mit diesen Worten beginnen:
Für die meisten Menschen existieren wir, meine Braut und ich, nur in Büchern.
Dieses Buch macht klar: auch Schriftsteller die ein Kultbuch geschrieben haben sind nur Menschen. Menschen die Lieben, leben, sterben. Menschen die heiraten, ein Haus einrichten, Kinder in die Welt setzen und (in diesem Fall) Selbstmord begehen.
Der Roman von Palmen umfasst die sieben Jahre, die Ted und Sylvia miteinander hatten. Aus jeder Zeile strömt die Liebe und Verehrung die Ted ihr entgegenbrachte. Trotzdem wird hart mit ihr ins Gericht gegangen:
Ich war nie zuvor jemandem begegnet, bei dem lieben und hassen so nah beieinander lagen, dass es fast keinen Unterschied gibt.
Connie Palmen geht mit beiden recht schonungslos um. Die Leidenschaft, die beide umtreibt, zusammenhält, auseinandertreibt. Ein Paar wie Feuer und Eis. Beide leben dafür schreiben zu können und versuchen dem anderen jeweils Raum dafür zu geben.
Für mich geht es in diesem Buch um die Wiedersprüche, die die Person Sylvia Plath in sich vereint:
Sie ist Dichterin, sie ist schön und geistreich, belesen und brünstig, talentvoll und grimmig, sie ist genial und gefährlich.
Die Quellen
An vielen Stellen in diesem Buch findet man Stellen aus „Die Glasglocke“ wieder, Palmen zeigt, wie stark autobiographisch das Buch war, das wahrscheinlich auch nicht zuletzt durch den Suizid der Autorin diesen Weltruhm erlangte.
Palmen hat sicher alles, was Hughes und Plath geschrieben haben, jedes Gedicht, jeden Essay, jeden Brief, alles was sie auftreiben konnte gelesen, intensiv und studiert, um sich so in Hughes hieneinv ersetzen zu können.
So hat sie beiden ein Denkmal gesetzt. Durch den Fokus auf die Empfindungen von Hughes, setzt sie ein Gegengewicht zu „Die Glasglocke“. Der nicht so berühmte Gatte, der den berühmten Roman seiner Frau nach ihrem Tod veröffentlicht hat, kommt hier zu Wort, erzählt von den Schwierigkeiten mit einer kranken Frau zusammenzuleben. Er fühlt sich schuldig am Selbstmord seiner Frau, musste da auch wohl nach ihrem Tod viel einstecken. Aber durch dieses Buch wird klar: sie hätte sich auf jeden Fall umgebracht. Irgendwann. Es ist, als ob sie nur nach dem richtigen Anlass suchte. Und Ted gab ihr durch den Ehebruch ein sehr gutes Motiv.
Doch es wird auch klar, dass er sehr, sehr viel für ihre geistige Gesundheit tat. Ohne ihn wäre sie vielleicht schon viel früher gestorben.
Meine Verwirrung
Doch irgendwie hatte ich auch meine Probleme mit dem Ansatz des Buches. Ich fragte mich immer wieder: wie konnte es Palmen wagen, Hughes Gedanken und Gefühle so darzustellen? Ich hatte immer wieder Probleme mir vor Augen zu halten: dies ist ein Roman. Fiktiv mit realem Hintergrund. Die beiden Hauptdarsteller sind tot, können darauf nicht mehr reagieren. Mir viel es schwer auseinanderzuhalten, was davon von Plamen kam und was von den agierenden Personen.
Oft finde ich Bücher, die sich eines Ich-Erzählers bedienen spannend. Dadurch werde ich stärker in die Geschichte hineingesogen. Doch hier stockte ich immer wieder daran, hier geht es um reale Personen. Hughes prangert selbst im Buch Menschen an, die über ihn, seine Frau und deren Beziehung schreiben.
Meine Braut wurde von Bluthunden von mir weggerissen und gefressen, die Geschichte unserer Liebe wurde annektiert und verstümmelt, und ich war zu stolz und zu beschämt, um Teil einer publizierenden Meute zu werden, die ich moralisch verachtete und die meine persönliche Verarbeitung des Dramas fortwährend behindert hatte.
Was maßen Die Bluthunde sich an, angeblich die Wahrheit zu berichten? Also fragte ich mich: wie kann dann Connie Palmen sich anmaßen in diese Rolle zu schlüpfen? Prangt sie sich durch solch einen Satz nicht selbst an?
Wird die Autorin Palmen durch dieses Buch selbst zum Teil dieser Meute? Und auch ich, die dieses Buch liest? Dies war ein Teil meiner verwirrten Gedanken während der Lektüre dieses Buches.
Versteht mich nicht falsch: natürlich hat sie das Recht in diese Rolle zu schlüpfen, dieses Buch auf diese Art zu schreiben. Das ist ihr auch gut gelungen. Aber ich war innerlich immer wieder verwirrt: wer spricht zu mir? Connie Palmen, die versuchte sich in Ted Hughes hineinzuversetzen? Reicht es dafür alles über und von ihm und seiner Frau zu lesen?
Die Lösung
Ganz am Ende gibt der Ich-Erzähler die Antwort auf meine inneren Verwirrungen. Das Buch ist darin eingebettet, das Ted Hughes seinen eigenen Tod vor Augen hat, er starb an Krebs, und hier, kurz vor seinem Tod eine Art Beichte abgibt. Er (bzw. Palmen, jetzt fängt das schon wieder an, die Verwirrung) bezieht sich auf sein Werk „Birthday Letters“, Briefgedichte, die er an die Liebe seines Lebens schrieb:
Nur mittels der Entschleierung der ersten Person Singular, die ich hinter der Maske einer Metapher oder Analogie vor allen verborgen gehalten hatte, konnte ich mich wieder mit meiner Braut vereinen, sie aus der Unterwelt zurückholen und gemeinsam mit ihr zu Sonne laufen.
Connie Palmen versucht mit diesem Buch beiden Dichtern und ihrer Liebe zueinander gerecht zu werden. Beide existierten für mich bisher nur durch ihre Werke Dieses Buch hat sie mir auch als Menschen näher gebracht.
Nachdem ich den ersten Satz oben zitierte, möchte ich auch den letzten, der auf den Titel hinweist, hinzufügen. Palmen lässt Hughes diese im Angesicht des Todes sagen, erklärt damit den Titel und die Erzählperspektive:
Und ich, der so lange der Feind des enthüllendsten Wortes der Sprache war, goss meine bleierne Seele in diese zarte Gestalt, ging mit ihr hinaus, und ich sagte es, ich.
Connie Palmen: Du sagst es.
Aus dem Niederländischen von Hanni Ehlers
Diogenes Verlag, Hardcover, 288 Seiten, ISBN 978-3-257-06974-7, € (D) 22.00, auch als eBook erhältlich
Danke für die tolle Besprechung! Das Buch liegt noch ungelesen hier und ich weiß nun viel besser, auf was ich mich da einlasse.
Ich freue mich sehr auf deine Rezension. Es war mein erstes Buch der Autorin, es werden sicher weitere folgen.