Die letzten Jahre von Francis Scott Fitzgerald
Mittwoch, 22. Juni 2016
Westlich des Sunset
1937 ist Francis Scott Fitzgerald einundvierzig Jahre alt und vollkommen pleite. Seine geliebte Frau Zelda muss er in einer teuren Nervenklinik unterbringen, die einzige Tochter Scottie lebt in einem (ebenfalls teuren) Internat. Ein Heim hat die Familie schon länger nicht mehr.
Francis ist ein hoch verschuldeter Alkoholiker und als Autor überhaupt nicht mehr gefragt. Da bietet sich die Möglichkeit in Hollywood Drehbücher für MGM zu schreiben. An dieser Stelle setzt dieses Buch von Stuart O’Nan ein.
Das Buch beschreibt den endgültigen Niedergang eines bereits am Boden liegenden ehemaligen Supertars. In den „Roaring Twenties“ waren Fitzgerald und Zelda eines der populärsten Jet-Set-Paare. Wilde Parties, provokante Aktionen, Alkohol: sie gaben ihr Geld mit vollen Händen aus. Vorsorge für später wurde nicht getroffen, im Gegenteil, sie machten Schulden als die späteren Romane und Geschichten nur wenig finanziellen Erfolg brachten.
Drei Hauptthemen
„Westlich des Sunset“ beschreibt die letzten Lebensjahre von F. Scott Fitzgerald, die er hauptsächlich in Californien verbrachte. Dort lernt er auch die Journalistin Sheilah Graham kennen. Sie hatten eine enge Beziehung, sie versuchte ihn vom Alkohol wegzubekommen um dadurch seine Gesundheit zu stabilisieren. Er hatte auch starke Lungen- und Herzprobleme, bis er 1940 an einem Herzinfarkt starb. Das Buch beschreibt einen fast gebrochenen Mann, der versucht sich seiner Verantwortung zu stellen, aber immer wieder herbe Rückschläge einstecken muss.
Neben dem Leben und Leiden Fitzgeralds ist die Filmfabrik Hollywood ein großes Thema in diesem Buch. Vor allem die großen Namen von damals werden so erwähnt, dass klar wird: sie sind alle nur Menschen. Da sind es die kleinen Episoden, die mich amüsiert haben und die Ikonen von einst etwas von ihrem Sockel holten. Fitzgerald klingelt an einer Tür und Marlene Dietrich öffnet. Er hat einen Snack zum Lunch und am Nachbartisch essen Spencer Tracy und Katherine Hepburn. Es gibt eine stark alkoholisierte Party und die größten Streiche macht Humphrey Bogart.
Einige Namen werden gar nicht ausgeschrieben, da muss ich selbst durch Andeutungen darauf kommen das z.B. mit Dottie Dorothy Parker gemeint ist. Das mit „Pep“ Nathanael West gemeint war, habe ich erst auf Seite 373 erraten. Ja, auch viele andere berühmte Autoren zog es nach Hollywood, da hier echt viel Geld zu machen war. Wenn man Glück hatte. Zum Beispiel hatte Aldous Huxley ein Büro nur ein paar Räume neben dem von Fitzgerald.
Außerdem gibt das Buch einen schönen Blick auf diese Jahre in den USA. In Europa beginnt der Krieg, viele Künstler fliehen ins Exil, die Nazis zensieren amerikanische Spielfilme, die sonst nicht nach Europa exportiert werden können. Ernest Hemingway (zu dem Fitzgerald eine sehr komplexe Beziehung hatte) sammelt Geld für den Widerstand in Spanien.
Lieblingsstelle
Diese Textpassage zeigt für mich sehr eindrucksvoll die Einsamkeit, die Heimatlosigkeit und die fehlende Hoffnung auf Zugehörigkeit. Sie zeigt einen gebrochenen Mann, der weiß dass er nicht mehr viel Zeit hat. Fitzgerald war zu diesem Zeitpunkt jünger als ich jetzt bin.
Der Autor
Ich hatte das Glück Stewart O’Nan im Juni bei einer Lesung kennenlernen zu können. Er erklärte, dass er eigentlich ein Sachbuch über den amerikanischen Bürgerkrieg schreiben wollte. Bei den Recherchen sah er den Buster Keaton Film „Der General“. Dieser Film entstand 1926, eine Zeit in der Fitzgerald schon mal in Hollywood war. Und irgendwie nahm O‘Nan dadurch seine Fährte auf. Seine Romane haben meistens eine eher tragische Hauptperson (wie z.B. im letzten Roman „Die Chance“), da passt Fitzgerald gut in die Reihe. Er entschied sich für eine fiktionale Biographie, denn dies gibt ihm, wie er sagte, die Möglichkeit sich das Innenleben des Protagonisten auszumalen.
Nach der Lesung ergab sich die Gelegenheit zu einem kurzen Gespräch. Während des Lesens von „Westlich des Sunset“ fielen mir mehrere Szenen auf, die ähnlich auch in Fitzgeralds Kurzgeschichten vorkamen. O’Nan bestätigte, dass in diesen Stories viel Autobiographisches lag und hat diese Szenen, soweit es passte, adaptiert. Ich möchte noch mehr Shortstories von Fitzgerald lesen um noch weitere Stellen in diesem Buch zu finden. Bisher habe ich nur Liebe in der Nacht gelesen.
Ich besuchte die letzte Station auf seiner Lesereise durch Deutschland. Doch er kommt wieder. Sein nächster Roman „City of Secrets“ erschien bereits im April in den USA. Er versprach auf seiner nächsten Lesereise auch wieder in Köln Station zu machen.
Fazit
Ein geschickt konstruiertes Buch, das auch die dunklen Seiten im Leben eines ehemaligen Superstars zeigt. Es gab mir einige Einblicke in Fitzgeralds Leben, macht mich sehr neugierig auf seine anderen Bücher und gab mir außerdem noch viele weitere Lesetipps von Büchern die im Roman erwähnt wurden und meine Wunschliste erweitert haben. O’Nan versteht sich in seine Hauptfigur hineinzuversetzen und ein Bild der Zeit erstehen zu lassen.
Andere Stimmen zu diesem Buch
Gemeinsame Rezi von Maike und Mareike von Herzpotential
Michaela von Mottingers Meinung
Bibliographie
Westlich des Sunset, Ein Roman von Stewart O’Nan
- übersetzt von: Thomas Gunkel
- Verlag: Rowohlt
- 416 Seiten
- ISBN: 978-3-498-05045-0
- Hardcover [D]: 19,95 €, eBook [D]: 16,99€
Eine tolle Rezension mit spannenden Hintergrundinfos hast du da gezaubert! Dadurch bin ich auf ein Buch aufmerksam gemacht worden, an dem ich sonst sicher unbemerkt vorbei gegangen wäre. Danke 🙂
Wenn du das Thema und die Zeit magst, könnte „Dämmerschlaf“ etwas für dich sein, ein toller Roman dieser Zeit und schöner Blick in die gesellschaftliche Situation (vor allem der Frauen) in den Roaring Twenties!
Liebe Grüße, Alex
Vielen Dank für diesen Tipp und Dein Lob. Diese Zeit fasziniert mich tatsächlich sehr.
Ich genieße deine Rezensionen immer. Ich habe dieses Buch auch gleich mal auf meinem Willhabenbücherstapel abgelegt.
Bücher aus dieser Zeit, finde ich immer wieder sehr spannend.
Andrea
Oh ja, die Wunschliste. Der Vor-SUB…
Hast Du auch schon nach dem Tipp von Alexandra „Dämmerschlaf“ geschaut? Die Beschreibung zu dem Roman von Edith Wharton hört sich auch gut an. Liegt jetzt auf meinem Willhabenbücherstapel
Okay, das Buch muss ich unbedingt lesen!
Nach deiner tollen Buchbesprechung ist das genau mein Genre.
Danke dafür, denn sonst hätte ich dieses Buch bestimmt nicht in meiner To-Read-Liste aufgenommen!
Beste Grüße,
Kirsten
Gerne. Ich hoffe, es gefällt dir auch!