Verlagsvorstellung duotincta
Sonntag, 24. April 2016
Heute stelle ich einen ganz jungen Verlag vor: der duotincta Verlag erblickte erst im letzten Jahr das Licht der Bücherwelt.
Das Programm ist noch nicht sehr groß, aber vielfältig und interessant. Bisher habe ich aus diesem Verlag das Buch „Dezemberfieber“ von Frank Rudkoffsky besprochen.
Um diesen Verlag vorzustellen führte ich ein eMail-Interview mit Jürgen Volk, dem Mann, der im Verlag für marketing, Vertrieb und PR zuständig ist. Jürgen ist selbst Autor, Lektor und jetzt auch Verleger.
Die Photos von Jürgen stellte er mir zur Verfügung und die Rechte dafür liegen bei ihm.
Zum Aufwärmen ein paar persönliche Fragen
Welches Buch hast Du im letzten Urlaub gelesen?
Der letzte Urlaub liegt schon ein wenig zurück, da habe ich zum Jahreswechsel Der schwarze Obelisk von Erich Maria Remarque gelesen. Aktuell und in Vorfreude auf die Buchpremiere von Wolfgang Eichers Die Insel lese ich Stefan Zweig: Die Welt von Gestern.
Magst Du uns eine persönliche Buchempfehlung geben?
Da fällt mir spontan Sven Heuchert Asche aus dem Bernstein Verlag ein. Und da Lyrik ja immer zu kurz kommt und obwohl ich noch nicht ganz fertig gelesen habe: Der Kairos von Rene Kanzler aus dem Programm des Freigeist Verlags. Ich habe ja u.a. Allgemeine Rhetorik und Philosophie studiert und da springt einen der Titel förmlich an …
Wie sieht dein Arbeitsalltag aus? Was sind deine konkreten Aufgaben?
Wir bei duotincta sind ja so eine Art Verlegerkollektiv, d.h. es wird, was das Programm oder die Zukunft angeht, basisdemokratisch entschieden, was viel Diskussion mit sich bringt. Das ist aber gut so, denn dadurch haben wir einen lebendigen Austausch und ein Verständnis des je anderen. Die wichtigen Entscheidungen werden also zu dritt getroffen. Darüber hinaus hat jeder sein Gebiet, auf dem er tätig ist. Ansgar Köb ist unser Lektor, Michael Wallmeyer übernimmt die Herstellung der Print- und E-Book-Titel, die Auslieferung und die Webseite samt anderen damit verbunden Admin-Aufgaben. Ich hingegen bin der „Reklamechef“ und mache Marketing/Vertrieb/PR, d.h. so ziemlich alles, was das Gesicht und den Auftritt der duotincta nach außen hin ausmacht, alles, grob gesagt, damit es eine Einheit und ein Profil gibt.
Wie hoch ist deine durchschnittliche Wochenarbeitszeit?
Wir sind ja so eine Art Freizeitverlag, wobei wir immer gerne unterstreichen, dass wir Berufsidealisten sind. Ich selbst gehe 20 Stunden die Woche einer regulären Erwerbsarbeit nach und – abzüglich Privatleben und eigener Schriftstellerei – geht der Rest an duotincta, d.h. 20 Stunden plus X in der Woche. Da sind die Tage dann dicht bepackt, aber Samstagnachmittag ist dann meistens Schluss. Außer vor den Messen, da habe ich bisher zwei, drei Wochen unbezahlten Urlaub genommen, damit zur Messe auch die richtige Tapete hängt 😉
Ein paar Fragen zum Verlag duotincta
Wie ist der Name „duotincta“ entstanden?
Das ist ein wenig kompliziert. Ursprünglich hatten wir als Namen fahrenheit232 vorgesehen. In Anlehnung, aber auch im Gegensatz zu Ray Bradburys Dystopie Fahrenheit 451 hatten wir nicht die Temperatur, bei der Papier Feuer fängt, gewählt, sondern diejenige, bei der Papier in der Produktion entsteht. Unsere persönliche Utopie sozusagen, bei der wir digital beginnen wollten, um dann Papier in Form von Büchern entstehen zu lassen … Während unserer Recherchen hatten wir gesehen, dass es in München einmal einen Fahrenheit Verlag gegeben hatte, der dann aber von Piper geschluckt und irgendwo in den Schubladen verschwunden war. Also machten wir uns ans Werk, gingen mit Facebook- sowie Webseite online und merkten einige Wochen später, dass Piper mit fahrenheitbooks ein E-Book-Projekt gestartet hatte. Namensrechtlich hätte das unseren Informationen nach sogar geklappt und wir wollten bei fahrenheit232 bleiben, aber dann sahen wir das Programm von fahrenheitbooks und aufgrund der Namensähnlichkeit wären Verwechslungen wohl nicht zu vermeiden gewesen, was dann wiederum nicht in unserem Sinne gewesen wäre. fahrenheitbooks wurde dann nach einigen Monaten wieder eingestellt. Seit ein paar Wochen gibt es nun Piper Fahrenheit, aber das betrifft uns nun alles nicht mehr. Damals war es allerdings eine Katastrophe. Wir entschieden uns kurz vor Ostern, den alten Namen zu begraben und begannen wieder von Null bei der Namensfindung. Sinnigerweise kam es dann über das Osterwochenende zur Erleuchtung. Die duotincta manifestierte sich vor meinen Augen und wir feierten Wiederauferstehung. Die duotincta steht für die beiden Tintenarten, die wir bedienen: einmal die E-ink auf dem E-Book-Reader und zum anderen die Druckerschwärze bei den Printausgaben. Ein Traum würde sich für uns erfüllen, wenn die Mehrwertsteuer für E-Books an die für Printbücher angeglichen werden würde, damit wir beide Fassungen auch im Duo anbieten könnten. Aber danach sieht es gerade leider nicht aus … Eine weitere Bedeutung der duotincta ist übrigens, dass es sich um eine Orchideenart handelt. Besonders ist sie ja, die duotincta, und zurzeit erfreuen wir uns daran zuzusehen, wie sie blüht …
Was ist das Besondere am duotincta Verlag?
Es wäre jetzt ein wenig billig zu sagen: das Programm. Was uns von anderen, nicht allen Verlagen, unterscheidet, ist der persönliche Umgang mit Autoren, Buchhändlern, Bloggern und Lesern. Dieser Umgang wurde schon mehrfach als familiär bezeichnet. Obwohl wir Freizeitverleger sind, hat jeder von uns Verlagserfahrung, ich beispielsweise als Bereichsleiter Marketing/Vertrieb beim Kunstbuchverlag Schnell & Steiner. Dazu kenne ich die Autorenperspektive, kenne also die Sorgen, Fragen und Herausforderungen, die auf eine Autorin oder einen Autor bei der Erstveröffentlichung zukommen, was in der Kommunikation sehr hilft. Wie gesagt, wir sind klein, und von daher haben die Autoren immer den direkten Draht und auch die Möglichkeit, sich in allen Belangen mit einzubringen, vom Lektorat über die Covergestaltung bis hin zur Vermarktung. Bei uns wird keiner gezwungen. Ein Alleinstellungsmerkmal, das mir noch einfiele, wobei ich mir nicht sicher bin, ob das andere nicht auch machen, wäre, dass auf unserem youtube-Kanal zu jedem Titel nicht nur ein Buchtrailer, sondern auch eine Videoleseprobe mit dem Autor persönlich zu finden ist. Das Allerwichtigste sind aber unsere Autoren, die wirklich nichts zu wünschen übrig lassen. Welcher Verlag hat schon Autoren, die alles geben, sich beispielsweise einen QR-Code, der zur Verlagsseite führt, auf den Oberarm tätowieren lassen?
Was ist das bisher bestverkaufte Buch?
Normalerweise gehört es ja zum guten Ton und auch auf Rücksicht auf die AutorInnen, nicht allzu viel in der Öffentlichkeit über Verkaufszahlen und wer wieviel verkauft hat zu sprechen. Aber nachdem wir nur einen Autor haben, der bisher bei Deutschlandradio Kultur, im BR, auf RTL, n24, ntv, Pro7, im RBB, um nur eine Auswahl zu nennen, zu sehen und zu hören war, ist es wohl offensichtlich, dass es sich um Dominik Forster mit crystal.klar handelt … 😉
Was ist das bisherige Highlight im Programm 2016?
Im Programm für 2016 gab es bisher drei Glanzlichter. Da ist zum einen Wolfgang Eicher, der uns mit Die Insel ins Schwarze Meer, auch der Melancholie, entführt und einen großen Sieg der Liebe beschreibt. Genauso wie Birgit Rabisch es in Die vier Liebeszeiten tut, einem Liebesroman, der dort anfängt, wo das Kino normalerweise aufhört: nach dem Happy End; und der auch männertauglich ist, wie wir drei duotinctaner mit unserer Wahl bewiesen haben.
Auf eine andere Weise glänzt Daniel Breuer mit nathanroad.rec. Dieses Glanzstück ist nicht nur ein sprachliches Wunderwerk, sondern geht auch sonst sehr ins Experimentelle. Um der Schönheit der Geste willen und um ein Motiv Lucas Cranach d.Ä. zu erfüllen, entführen dort zwei der Hauptfiguren drei Zahnärzte, um den Straßenhunden einer Stadt Goldzähne einzusetzen – und erfüllen damit auf einer höheren Ebene die Bestimmung im Leben eines Klavierträgers, dessen Leben im Hong Kong der 1980er Jahre eine unvorhersehbare Wendung nahm … Das glänzt nicht nur, das funkelt in allen Spektralfarben!
Auf welche Bücher können wir uns besonders freuen?
Mit Gerlinde Gerlach und der Tanz der Tierchen von Katharina Gerwens erscheint Ende April nicht nur ein skurriler Roman mit viel schwarzem Humor, sondern auch eine bereits renommierte Autorin bei duotincta.
Vertrauen, das uns für unsere Arbeit belohnt und auch den Debüt-Autoren Sicherheit gibt, weil wir mit ihr und Birgit Rabisch – deren zweiter Roman, der bei duotincta unter dem Titel Wir kennen uns nicht erscheint – zwei Autorinnen haben, die schon bei namhaften Verlagen veröffentlich haben.
Weiter freuen wir uns sehr auf einen Fußballroman. Mit Schattenheld von Holger Dauer wird zur EM ein Roman kommen, der von der Wunder-von-Bern-Elf handelt und der die unabwendbar kommende Hurra-Patriotismus-Fußball-Kommerz-Suppe ein wenig versalzt.
Was sind zurzeit die individuellen Herausforderungen des Verlags?
Ja, das liebe Geld – oder besser gesagt die Kosten … Mittlerweile kann die duotincta auf eigenen Beinen stehen. Wir steuern nichts mehr bei, holen aber auch nichts raus, wodurch es unter gegenwärtigen Bedingungen auf die Dauer schwer sein würde, das bisherige Niveau zu halten. Aber obwohl wir mehr als zwei Jahre Vorarbeit geleistet haben, sind die ersten Bücher ja erst im vergangenen September erschienen. Und der bisherige Erfolg stimmt uns zuversichtlich für die Zukunft. Wir glauben, die duotincta fällt in den Bereich der konkreten Utopie, der docta spes nach Ernst Bloch, und wird weiterblühen.
Was hat es mit der „Kooperative duotincta“ auf sich?
Die duotincta ist ja nicht nur Verlag, sondern auch E-Book-Dienstleister, d.h. wir produzieren und vertreiben für Verlage, deren Programm mit unserem Berührungspunkte aufweist, die E-Books und bauen auf duotincta.de eine Plattform, ein Programm jenseits des Mainstreams. Dabei wollen wir uns konkret über unsere Partnerbuchhandlungen mit dem stationären Buchhandel vernetzen. Mit dem Bernstein Verlag und dem deutsch-französischen Verlag Rodéo d’åme aus Straßburg haben wir schon zwei Partner gefunden und das erste E-Book für den Bernstein Verlag geht in den nächsten Tagen online. Sichtbar davon ist noch nicht viel auf der Webseite, weil wir uns den Vorwurf machen müssen, in letzter Zeit zu viel Bücher für duotincta gemacht zu haben 😉 Zur zweiten Hälfte des Jahres wollen wir die Kooperation mehr nach vorne bringen, weil wir überzeugt sind, nur wer eine Gemeinschaft um sich sammelt, kann in Zukunft bestehen, anstatt in der Flut der Publikationen, zum Beispiel bei amazon, zu Horrorkonditionen unterzugehen … Wir möchten eine Alternative mit überschaubarem Programm zum Stöbern, gebündelt aus verschiedenen Verlagen, bieten. Man kann sich übrigens jetzt schon auf duotincta registrieren und sich für den Newsletter eintragen – wenn wir es jemals schaffen, den zu verschicken 😉
Wie kommen die Kontakte zwischen euch und den Autoren zustande?
Ganz am Anfang, noch bevor wir online waren, erhielten wir viele Angebote aus dem (erweiterten) Bekanntenkreis, weil sich sowas einfach rumspricht. Jetzt geschieht dies auf den Messen oder ganz einfach per Mail. Manchmal auch im Anschluss an eine Veranstaltung, die in einem Ort stattgefunden hat und in der Zeitung angekündigt war. Die Autoren schicken ihre Manuskriptangebote und wir prüfen. Das tun wir bisher noch mit jedem Manuskript, auch wenn sich die Zeit, bis ein Autor eine endgültige Antwort bekommt, nun immer mehr verlängert, aber wir müssen ja auch Bücher machen … Bei Gefallen unsererseits führen wir Gespräche und sagen ganz klar, was wir als kleiner Verlag leisten können und was nicht. Wenn beide Seiten zufrieden sind, machen wir einen Vertrag und dann ein Buch. Wir sind bemüht, diese Reihenfolge einzuhalten und es ist uns jetzt fast immer gelungen – aber Verträge, nun ja …
Falls ich einen Verlag gründen möchte, welchen Fehler sollte ich dann nicht begehen?
Wir stehen ja erst am Anfang und werden wohl noch eine Menge Fehler machen … Grundsätzlich glaube ich aber, dass ein junger Verlag heute nur bestehen kann, wenn er eine klare Linie fährt. Wir haben uns für Gegenwartsliteratur mit Anspruch, für das Ungewöhnliche, für Autoren, die den Finger in die Wunde legen, und das dann auf hohem sprachlichem Niveau tun, entschieden. Daran wird sich auch nichts ändern, außer dass wir ergänzend dazu noch E-Book-Singles machen werden. Wir können uns auch vorstellen, dieses Programm, das immer Kern bleiben wird, künftig, also in ferner Zukunft, mit Lyrik oder thematisch nahen Sachbüchern zu flankieren, aber inhaltlich muss der Verlag, wie auch jeder Roman, ein Versprechen abgeben – und dies dann auch einlösen. Ein Fehler wäre es, aufgrund von Umsatzaussichten oder anderer Interessen das Programm aufzuweichen. Das wäre, glaube ich, der Sündenfall, dem man widerstehen muss. Wer einen Gemischtwarenladen führt, kann nicht das Vertrauen und die Treue einer Leserschaft gewinnen.
Findet man euch auf beiden Buchmessen (FBM/LBM)? Oder anderen Veranstaltungen?
Buchmessezeiten sind die besten Zeiten des Jahres. Es ist fast wie Weihnachten, wo man auch mal das Budget außer Acht lässt, dafür aber alle Lieben trifft und dazu noch an dem arbeitet, wofür man lebt. Deshalb sind wir, wenn auch klein, in Frankfurt und Leipzig vertreten. Gerade Leipzig bietet tolle Möglichkeiten. So hatten wir eine Lesung im Beyerhaus mit allen unseren Autoren und ein volles Literaturforum mit Dominik Forster auf dem Messegelände. Neben den beiden großen Messen sind wir dieses Jahr noch beim Buchquartier in Wien vertreten und überdenken derzeit noch auf andere kleinere Messen zu gehen.
VisionEN!
Bitte vervollständige den Satz: Im Jahr 2025 ist der Verlag duotincta
anspruchsvollen Lesern ein Begriff, hat aber den Mut zum Experiment und zum ungewöhnlichen, nicht kommerziellen Programm nicht verloren.
Blogger
Welche Bedeutung haben Blogger für den Verlag duotincta?
Die Blogger-Gemeinschaft ist für uns als Verlag, aber auch für unsere Autoren als Rückmeldung ungemein wichtig, daran gibt es nichts zu rütteln. Anlässlich des Zeit-Artikels zu Literaturblogs vom 11. Februar 2016 haben wir unseren Standpunkt in einem langen facebook-Post klargestellt und u.a. geschrieben, dass nicht jeder Autor, der den Parnass der Verlagsveröffentlichung erklommen hat, gleichzeitig auf den Olymp der großen Feuilletons erhoben wird und die Blogs gerade für kleinere Verlage wie uns aus den o.g. Gründen extrem wichtig sind. Frank O. Rudkoffsky, duotincta Autor mit dem Roman Dezemberfieber hat in seinem vielbeachteten Blogbeitrag Vernetzung statt Hierarchie dieses Bild noch verfeinert und damit gezeigt, dass die Gegenüberstellung Feuilleton vs. Blog heutzutage einen Antagonismus darstellt.
Vergebt ihr Rezensionsexemplare an Blogger und lohnt sich das für den Verlag?
Aber natürlich vergeben wir Rezensionsexemplare und das sehr gerne. Würden wir uns die Frage „Lohnt sich das denn?“ stellen, dann wären wir keine Verleger sondern Verzweifler, hätten die duotincta wahrscheinlich gar nicht erst gegründet. Wie oben bei den Herausforderungen für den Verlag gerade schon gesagt, ist die wirtschaftliche Situation, so wie sie eben ist, aber etwas Lohnenswertes wird ja – zumindest unserem Verständnis nach – nicht rein über ökonomische Faktoren definiert, und was auf alle Fälle lohnenswert an einer Rezension auf einem Blog ist – auch wenn der Beitrag die Autorin oder den Autor jetzt nicht gerade auf die Spiegel Bestsellerliste bringt –, ist die damit verbundene Rückmeldung. Das sage ich jetzt auch als Autor, der selbst durch alle Höhen und Tiefen einer Veröffentlichung gegangen ist. Es geht nämlich, unabhängig wie das Urteil ausfällt, um die Wertschätzung, darum, dass sich da jemand Zeit nimmt, das Buch zu lesen und darüber zu schreiben. Es kommt für jeden Autoren, gerade bei der Erstveröffentlichung, einem Wunder gleich, dass da draußen jemand ist und sich mit der Arbeit, die in das Buch gesteckt wurde, auseinandersetzt.
Sollte ich als Blogger nur Lobpreisungen veröffentlichen oder auch Verrisse?
Das hängt davon ab, wie Verrisse definiert werden. Es spricht nichts gegen eine kritische Herangehensweise, sie muss sogar sein. Es gibt Lesererwartungen und es gibt auch ein Versprechen, das ein Roman durch Covergestaltung, Klappentext und andere Dinge abgibt. Wird dieses Versprechen nicht eingelöst, dann ist Kritik natürlich berechtigt. Bei der Lesererwartung ist es schon schwieriger. Wenn sie enttäuscht wird, liegt es im Ermessen jedes Einzelnen, inwieweit Distanz zu dieser Enttäuschung genommen wird und in welcher Form diese dann kommuniziert wird. Das würde für mich, würde ich einen Literaturblog betreiben, gerade den Anspruch und die Spannung ausmachen. Unterm Strich glaube ich aber, dass Verrisse und Enttäuschungen mehr durch Missverständnisse, als durch Böswilligkeit zustande kommen. Ein kurzes Beispiel vielleicht: Auf der Frankfurter Buchmesse kam eine sehr nette Bloggerin bei uns am Stand vorbei und wir führten ein kurzes und kurzweiliges Gespräch. Sie nahm auf die Schnelle eines unserer Bücher mit und veröffentlichte dann auch eine Kritik. Leider handelte es sich um eine Bloggerin, die ausschließlich Fantasy liest. Mit einem Roman, wie Letzte Runde von Stefanie Schleemilch, über den Tod, der das Leben feiert und Ausflüge in den Existentialismus und die Mathematik macht, konnte sie nichts anfangen, verglich ihn mit einer Bedienungsanleitung … Ihre Erwartungen wurden enttäuscht. Aber irgendwie fühlte sie sich verpflichtet zu rezensieren, oder wollte vielleicht auch nur dieser enttäuschten Erwartung – trotz eines klaren Versprechens des orkfreien Romans – Luft verschaffen. Wenn diese Bloggerin ihren Beitrag zusätzlich noch auf sämtlichen Foren und Verkaufskanälen postet, dann ist das natürlich der Supergau. Da wäre dann meiner Meinung nach Schweigen angebracht, aber wir leben ja schließlich in einer freien Welt …
Was möchtest Du unseren Lesern sonst noch sagen?
Das, was ich allen Menschen sage: Lest Bücher! Sie sind noch immer das verlässlichste Bollwerk gegen die Barbarei und eine der wenigen Beschäftigungen, bei welchen der Konsum keinen Verbrauch, nach dem nichts übrig bleibt, sondern eine persönliche Bereicherung bewirkt. Den Menschen, die einen Blog lesen, sage ich auch, lest weiter Literaturblogs! Denn die Blogs sind wiederum eine Bastion gegen die anonymen Empfehlungssysteme der großen Plattformen und der damit verbundenen ewigen Wiederkehr des Gleichen. Literaturblogger sind für mich die Kuratoren des literarischen Feldes. Nur, dass sie nicht millionenteure Kunstwerke kuratieren, sondern mit Büchern oder E-Books, die demokratischste Kunstform überhaupt, die für jeden erschwinglich ist.
Dank
Lieber Jürgen, ich danke Dir für die interessanten Einblicke in euer Verlagsleben und die offenen Worte über den Literaturbetrieb.
Für mich ist der duotincta Verlag ein sehr spannendes Unternehmen, das sehr interessante Bücher hervorbringt. Sehr gut gefällt mir auch das Spektrum, das der Verlag mit seinen Büchern abdeckt. Ich freue mich auf viele weitere gute Leseerlebnisse!
♌
Hallo,
das ist aber ein sehr schönes und sympathisches Interview geworden, das mir gestern durch meine eigene Aufregung um meinen Beitrag zu Eurer Blogparade doch tatsächlich komplett durch die Lappen gegangen ist. Gut, dass ich da gerade doch noch darauf gestoßen bin.
Alles Liebe. Kerstin
Danke. Als dein Beitrag dazu letztens erschien, war ich echt froh, dass wir nicht die gleichen Fragen gestellt haben…