Wilhelm Brasse: Der Fotograf von Auschwitz
Donnerstag, 23. Juli 2015
von Luca Crippa/Maurizio Onnis
Wilhelm Brasse (1917-2012) war ein deutsch-polnischer Fotograf und Überlebender des Konzentrationslagers Auschwitz. Als Häftling dort war er vier Jahre lang Lagerfotograf.
Nummer 3444
Als einer der ersten Gefangenen von Auschwitz kam Wilhelm Brasse 22jährig Ende August 1940 dort an. Er bekam die Nummer 3444. Nach etlichen Arbeitseinsätzen in verschiedenen Bereichen des Lagers, wurden im Lager Fotografen für den Erkennungsdienst gesucht. Mit mehreren anderen Polen begann er als Cheffotograf seine Arbeit im Block 26, in dem ein Atelier und eine Dunkelkammer eingerichtet wurden.
Anfangs wurden alle Häftlinge registriert. Mit Foto, Nummer und Inhaftierungsdatum. Die Deutschen waren sehr gewissenhaft, was ihre Bürokratie betraf. Als im Laufe der Zeit viele Ankömmlinge direkt in die Gaskammern kamen, sparte man sich die Fotos.
So kam es, dass Brasse und seine Mithäftlinge immer mehr zu einem „normalen“ Fotostudio wurden. Viele SS-Angehörige wollten Porträts von sich nach Hause schicken.
Je länger das Lager bestand, desto mehr Experimente an Menschen begannen. Der berüchtigte Lagerarzt Dr. Josef Mengele arbeitete in Auschwitz und wollte seine Forschungen gut dokumentieren. Die Auschwitz-Fotografen mussten unmenschliches auf Fotos festhalten.
Widerstand
Wilhelm Brasse wurde im Laufe seiner Lagerzugehörigkeit immer mutiger. Im letzten Jahr vor der Befreiung hat er sich dem Widerstand im Lager angeschlossen und konnte wertvolle Informationen weitergeben.
Als er kurz vor der Befreiung den Befehl bekam, alle Fotos und Negative zu verbrennen, widersetzte er sich und konnte so viele seiner Fotos retten. Sie waren für die Befreier von unschätzbarem Wert. Im Buch werden viele Fotos abgebildet und das macht das Geschehen für den Leser noch realer. Viele von Brasses Fotos hängen heute im Auswitzmuseum und in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem.
Schwerer Lesestoff
Es ist mir sehr schwer gefallen, dieses Buch zu lesen. Obwohl ich schon unzählige Bücher über den Holocaust kenne, ist dieses eins, dass mich besonders mitgenommen hat. Viele Beschreibungen waren kaum zu ertragen und gerade die Experimente an den Gefangenen waren unbeschreiblich grausam. Man kann sich so gut einfühlen in den Fotografen.
Es ist gut, dass es immer noch neue Bücher über den Holocaust gibt –leider wird das wohl sehr bald nicht mehr so sein. Viele Überlebende von Konzentrationslagern gibt es nicht mehr und so ist es fraglich, wie die Aufklärungsarbeit über die Nazizeit weitergehen wird.
Reiner Engelmann: Der Fotograf von Auschwitz
Vergleich der beiden Bücher
Ein weiteres Buch über den Fotografen von Ausschwitz gibt es von Reiner Engelmann. „Der Fotograf von Auschwitz: Das Leben des Wilhelm Brasse. Dieses Buch ist für Jugendliche ab 13 Jahren. Mich interessierte sehr, wie unterschiedlich diese Bücher wohl sein würden. Also habe ich auch dieses Buch gelesen. Alle Autoren hatten anscheinend das gleiche Ausgangsmaterial und haben ganz unterschiedliche Bücher daraus gemacht. Das Jugendbuch behandelt alle Themen wesentlich oberflächlicher und ohne große Emotionen. Die beiden italienischen Autoren gingen viel mehr ins Detail, was für ein Jugendbuch nicht geeignet wäre.
Enttäuscht haben mich allerdings einige Dinge, die nicht übereinstimmten. Hatte Brasse in einem Buch 3 Geschwister, so waren es im anderen 5. In einem zwei Töchter, im anderen zumindest ein Sohn. Die Geschichten aus Auschwitz deckten sich dagegen, wobei der Zeitrahmen ein anderer war. Hatte ich bei dem Erwachsenenbuch das Gefühl, dass es eine logische Reihenfolge der Geschehnisse gab, so hat man bei dem Jugendbuch darauf verzichtet.
Für Jugendliche ab 13 Jahren geeignet?
Ob ich das Jugendbuch schon 13jährigen empfehlen würde, weiß ich nicht so recht. Da sie in diesem Alter in der Schule noch gar keine Berührung mit dem zweiten Weltkrieg und der Judenverfolgung gemacht haben, würde ich ihnen kein Auschwitzbuch in dem Alter empfehlen. Da ist das „Tagebuch der Anne Frank“ oder „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ wesentlich altersgerechter.
Von dem Buch von Reiner Engelmann gibt es hier noch eine ausführlichere Rezension.
Luca Crippa, Maurizio Onnis, Wilhelm Brasse – der Fotograf von Auschwitz,
Aus dem Italienischen von Bruno Genzler, 336 Seiten, ISBN: 978-3-89667-531-6, € 19,99 [D], Verlag: Blessing
Reiner Engelmann, Der Fotograf von Auschwitz, Das Leben des Wilhelm Brasse, Ab 13 Jahren
Gebundenes Buch, Pappband, 192 Seiten, ISBN: 978-3-570-15919-4, € 14,99 [D], Verlag: cbj
Sicher ist es gut, wenn es immer noch Bücher zu den Geschehnissen gibt. Allerdings war mein erster Gedanke dazu, ich könnte das Buch nicht lesen. Ich glaube, ich würde es nicht zu Ende bringen – dazu habe ich ein zu aktives Kopfkino. Dennoch – danke für deine Rezensionen.
Ich hatte zwischendurch auch manchmal den Wunsch, das Buch einfach wegzulegen. Aber ich tat es nicht, denn wieviel schwerer war es damals für die Menschen, die das erleben mussten. Auch das Schreiben eines solchen Buches ist sicher nicht einfach. Um wieviel einfacher ist dann das Lesen. Aber ich kann jeden verstehen, der sich so ein Buch nicht „zutraut“.
Ich habe schon unzählige Bücher über dieses Thema gelesen und wundere mich bei jedem weiteren Buch, dass ich immer noch nicht alles darüber weiß.
Hallo!
Ich finde es extrem wichtig, dass diese Bücher gelesen werden und die Geschichte aufrecht erhalten wird. Ich mache mir manchmal Sorgen, worauf wir wieder zusteuern und umso wichtiger wird es, dass die Erinnerung, gerade von zeitzeugen, lebendig gehalten wird. Über das Buch von Rainer Engelmann habe ich allerdings schon negative Rezensionen gelesen. Es soll schlecht rechcherchiert sein. Von daher würde ich es jetzt nicht unbedingt empfehlen.
Empfehlenswert für Jugendliche finde ich z. B. auch Im Vorhof der Hölle oder ….aber Steine reden nicht. Beide Bücher sind geschrieben von Carlo Ross
LG
Yvonne
#litnetzwerk