„Wir holen alles nach“ von Martina Borger
Sonntag, 17. Mai 2020

Nach langer Zeit mal wieder ein Buch von Martina Borger. Was ist eigentlich aus Maria Elisabeth Straub geworden? Früher schrieben die beiden doch die Bücher zusammen. Mmh, ich habe da wohl was nicht mitbekommen. Aber ich habe mich gefreut.
Ellen ist in ihren 60er Jahren, verwitwet, 2 erwachsene Söhne und lebt alleine mit ihrem Hund. Die Rente als Buchhändlerin reicht nicht, also trägt sie morgens Zeitungen aus und hat am Nachmittag noch ein paar Nachhilfeschüler. Sie ist zufrieden mit ihrem Leben. Die Spaziergänge mit dem Hund geben ihr viel, auch Bücher kann sie genießen und ab und zu mal Treffen mit ihrer besten Freundin und den ehemaligen Buchhändlerinkolleginnen.
Elvis (wie kommt man auf so einen Namen?) geht in die vierte Klasse der Grundschule und ist einer der Nachhilfeschüler von Ellen. Seine Mutter Sina ist alleinerziehend und neu liiert. Der neue Freund ist gerade bei Elvis und Sina eingezogen. Elvis Vater wird zwar vom Sohn heiß geliebt, macht sich aber rar im Leben seines Kindes und wohnt auch weit weg.
Als Elvis Vater wieder einmal in den Ferien nicht die vereinbarte Zeit für seinen Sohn aufbringen kann, muss eine andere Lösung her. Ellen wird gefragt, ob sie nicht 14 Tage auf Elvis aufpassen kann. Die ist anfangs gar nicht begeistert, aber das Geld braucht sie dringend, also lässt sie sich auf die Tage ein.

Wer die Bücher von Borger und Straub kennt, erwartet keine leichte Kost. „Kleine Schwester“ und „Sommer mit Emma“ habe ich noch gut im Gedächtnis, obwohl es Jahre her ist, dass ich diese Bücher gelesen habe.
Borger und Straub
In „Wir holen alles nach“ warte ich also auf die Probleme, die da kommen müssen. Aber es geht erst einmal ohne große Aufregungen los. Ich bin gar nicht traurig darüber, habe ich doch durch Corona genug Aufregungen im Real Life. Da brauche ich das in den Büchern gerade gar nicht.
Aber nach einiger Zeit geht es dann doch los. Ellen entdeckt bei Elvis blaue Flecken auf dem Rücken. Elvis ist ein lieber Junge, der aber sehr in sich gekehrt ist und seinen Vater vermisst. Viele Freunde hat er nicht, aber er erzählt niemandem woher die Hämatome kommen.
Wer schlägt Elvis?
Ellen entwickelt eine Bilderbuchbeziehung zu dem Jungen. Mit der Mutter und dem neuen Freund kann sie nicht viel anfangen.
Als auch in der Schule auffällt, dass der Junge anscheinend geschlagen wurde, geht die Suche nach dem Täter los. Das Buch macht deutlich, wie schwierig dies ist. Was soll unternommen werden? Mit wem darf man darüber reden? Wann schaltet man das Jugendamt ein?
Auch Ellen macht sich Gedanken. Und auch die Mutter macht sich Sorgen. Aber alle können nur mutmaßen, Elvis hält dicht! Das Buch wird aus der Perspektive von Ellen und der Mutter erzählt, daher haben wir als Leser viel mehr Einblick in die wahren Gegebenheiten. Ellen ist nur eine Außenstehende, die Mutter meint ihre kleine Patchworkfamilie besser zu kennen. aber auch sie traut sich nicht recht, an der Oberfläche zu kratzen.
Wir holen alles nach
Dieses Buch zeigt auch die Zerrissenheit von getrennten Paaren. Alle wollen das beste für die Kinder, aber was ist das immer? Die Mutter ist sehr im Stress. Ihr Job verlangt ihr viel ab, ihr neuer Partner kann auch nicht viel zum Lebensunterhalt beitragen und sie weiß genau, wie wichtig es ist, mit ihrem Kind Zeit zu verbringen. Sie zerreißt sich förmlich und denkt immer häufiger „das holen wir alles nach“ Ein sehr beliebter Spruch, der gerade in Zeiten von Corona eine ganz neue Bedeutung bekommt. Wer weiß schon, was man wirklich alles nachholen kann?
Fazit

„Wir holen alles nach“ ist ein gelungener Roman über die Probleme von Patchworkfamilien, Kindersorgen und auch über das Älterwerden. Das hat die Autorin hervorragend verknüpft. Ich freue mich, das ich über dieses neue Buch von Martina Borger gestolpert bin. Direkt im Anschluss lese ich nun noch einmal ein altes vom Schreiberduo Borger und Strauß.
