Benedict Wells: Fast genial
Sonntag, 5. Juni 2016
Fast genial, aber Ganz anders!
Es wird hier niemanden wundern, dass ich schon wieder mit einem Wells ankomme, oder? Nach dem überzeugenden Buch „Vom Ende der Einsamkeit“ komme ich nun natürlich nicht drum herum auch in seine anderen Bücher reinzulesen.
Aufgrund der Örtlichkeit habe ich mich für dieses Buch entschieden. Eine Reise von New York nach LA kam mir reizvoll vor.
Inhalt
Da geht es um einen fast 18jährigen Jungen, dem es anfangs ganz gut im Leben geht. Das Lernen fällt ihm leicht, er ist sehr sportlich und wird von seinem Stiefvater behandelt wie ein eigener Sohn. Erst als dieser ihn verlässt und die Pubertät beginnt, geht es abwärts mit ihm. Da er den sportlichen Erwartungen nicht mehr gerecht wird, hört er einfach auf mit dem Sport. Auch in der Schule verpasst er irgendwann den Anschluss und sein Abschluss ist gefährdet. Alles geht einher mit dem Absturz seiner Mutter. Nach der Scheidung scheint sie den Boden unter den Füßen zu verlieren, wird depressiv, kann nicht mehr arbeiten. Der Umzug in den Trailerpark ist auch für sie das Ende.
Bei seinen täglichen Besuchen bei seiner Mutter in der Psychiatrie lernt Francis eine andere Patientin (Anne-May) kennen und verliebt sich in sie. Als seine Mutter ihm nach einem Selbstmordversuch mitteilt, wer sein leiblicher Vater ist, macht er mit seinem besten Freund Grover und Anne-May einen Trip an die Westküste.
In LA gab es vor Jahren ein Projekt, in dem zwei Professoren Genies wie Nobelpreisträger und hochrangige Wissenschaftler suchten, um sie um eine Samenspende zu bitten. Gleichzeitig suchten sie passende Frauen, die für Geld bereit waren, sich die in der Retorte gezeugten Kinder einplanen zu lassen und aufzuziehen. Francis ist so ein Kind.
Im Buch geht es um Retortenkinder, Genies und unerfüllte Hoffnungen.
Meine Meinung
Die Erlebnisse der drei Jugendlichen auf ihrem Trip sind spannend und aufregend. Auf den letzten Seiten konnte ich die Spannung nicht mehr ertragen und habe schnell die letzten Sätze gelesen, bevor ich dann in Ruhe auch noch die vorletzten Seiten lesen konnte.
Francis ist hin und her gerissen zwischen Nullbockphase und der Erkenntnis, dass er sich aus dem Schlamassel selbst herausziehen muss bevor er vielleicht nie mehr aus diesem Milieu herauskommt.
Der Leser bekommt diesen Zwiespalt mit. Er merkt, wie schwierig das Leben ohne funktionierendes Umfeld wie Freunde, Eltern oder Lehrern ist. Francis Mutter ist nicht in der Lage ihm zu helfen, auch seine Freunde nicht, die haben ihre eigenen Probleme. Dass Francis sich einen Strohhalm sucht, ist verständlich. Er hofft, seinen Vater zu finden und glaubt, dass sich mit ihm alle Probleme in Luft auflösen.
Sprachlich ist dieses Buch nicht mit „Vom Ende der Einsamkeit“ zu vergleichen. Man merkt dem Autor seine Jugendlichkeit an. Sprachliche Höhepunkte gibt es nicht. Aber das hätte auch nicht zu den drei Protagonisten gepasst.
Fazit
Mir hat das Buch gefallen, obwohl ich mich nicht mit dem Protagisten identifizieren konnte. Im Alter seiner Mutter möchte ich ihm häufig gute Ratschläge geben und ihn an die Hand nehmen. Auch anschreien möchte ich ihn manchmal. Auf der anderen Seite zeigt er mir aber auch wieder, wie schwierig dieses Alter sein kann, wieviele Erwartungen man in die Kinder steckt, die sie häufig einfach nicht erfüllen können.
Bei all den heutigen Möglichkeiten, was das Kinderkriegen angeht, sollte man viel mehr an die Kinder denken. Dieses Buch zeigt sehr eindringlich, dass man nicht alle Möglichkeiten der Wissenschaft ausschöpfen sollte.
Dieses Buch erinnerte mich ein wenig an Tschick, dass zur Schullektüre avanciert ist. Dieses Buch hätte auch das Zeug dazu. Vielleicht kommt es ja noch irgendwann.
Inzwischen gibt es viele neue Wellsfans. Welches Buch gefiel Euch bisher am Besten?
hört sich nach einem interessanten Titel an. Mal schauen, ob ich nach „Ende der Einsamkeit“ noch Lust auf mehr Wells habe. Hatte den Autor kurz am diogenes-Stand in Leipzig getroffen. Er macht jedenfalls einen sehr sympathischen Eindruck und hat in jedes Buch einen ziemlich langen Signiertext geschrieben.
Falls du noch mal die Möglichkeit hast, den Autor zu persönlich zu treffen, nutze sie. Mir hat er – gerade wegen seines Alters – sehr imponiert