Cecilia Engler: Die Geschenke meiner Mutter
Sonntag, 21. Dezember 2014
„Ich war schon länger darauf vorbereitet, dass der Tag kommen würde, aber nur als ein Tag in ferner Zukunft. Der Tag kommt am Samstag, dem 13. November 2010“
Ein autobiografisch gefärbter Roman der Autorin Cecilia Engler, die in Norwegen sehr bekannt ist.
Die Autorin und Journalistin muss das Haus ihrer Mutter auflösen. Die ist dement und kann ihr Leben nicht mehr alleine in dem großen Haus meistern. Die Familie hat lange Jahre dort gelebt und so kommen viele Erinnerungen zurück. Eines Tages findet die Autorin viele Listen ihrer Mutter, auf denen diese die Geschenke der letzten Jahrzehnte festgehalten hat.
Anhand der Listen lässt die Autorin ihr Leben Revue passieren. Sie erzählt von den Eltern, Geschwistern, Großeltern, Tanten, Onkels, Freunden und Bekannten. Aufhänger sind die Geschenke der einzelnen Jahre.
Ein Großteil des Buches beschreibt die Mutter, als sie noch voll im Leben steht. Sich anfangs nur um die Familie gekümmert hat, aber immer aktiv war. Sie hat sich ganz selbstverständlich für eine Schule für autistische Kinder eingesetzt, gegen den Eintritt von Norwegen in die EU. Als der Vater einen hohen Posten in einem Konzern antritt, mit deren Politik sie nicht einverstanden ist, beginnt die Ehe zu kriseln.
Mit Einsetzen der Krankheit verändert sie sich. Sie wird nicht nur vergesslich, sondern ihre ganze Persönlichkeit ist betroffen. Irgendwann muss sie ins Pflegeheim gebracht werden. „Mutter hat immer schöne Dinge geliebt, handgetöpferte Teetassen, und jetzt steht sie hier und bewundert eine massenproduzierte Dreckstasse!“
Die Autorin berichtet auch von den Besuchen bei der Mutter. Sie hofft, dass einige der Dinge aus dem Haus die Mutter an früher erinnern, aber das funktioniert nur bedingt.
Ein einfühlsames, berührendes Buch über eine Zeit, in der plötzlich viele Erinnerungen an früher großen Raum im eigenen Leben einnehmen und über einen langsamen Abschied von einem lieben Menschen.
Ein Buch über eine Krankheit, aber auch über eine Mutter-Tochter-Beziehung. Es erinnert ein wenig an „Der alte König in seinem Exil“ von Arno Geiger.
Und noch zwei Zitate, die so gut zu diesem Buch passen:
„Ein Tag, an dem wir fremd vorübergingen, entschließt im künftigen sich zum Geschenk.“ Rainer Maria Rilke
„Wurde die Weste zu einem Teil seiner persönlichen Geschichtserzählung, oder wurde sie weggeworfen und vergessen? (Viele Dinge bekommen bei einer Haushaltsauflösung eine ganz andere, neue Gewichtung, die ein Außenstehender nicht nachvollziehen kann.)
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 272 Seiten, ISBN: 978-3-421-04652-9, € 18,99 [D], Verlag: DVA Belletristik
Eine wirklich schöne Rezi und gut. Ob ich das Buch lesen würde, ist trotzdem fraglich. Es würde mir vermutlich etwas zu sehr unter die Haut gehen. Wenn ich jetzt schon so nachdenklich geworden bin.
LG und schöne ruhige Tage – Rabin
Liebe Rabin,
ja, Du hast recht, es geht sehr unter die Haut. Aber auch im positiven Sinne. LG und einen gutes Jahr 2016. LG Astrid