Der Architekt des Sultans
Donnerstag, 7. April 2016
Die Autorin Elif Shafak ließ sich von einem Gemälde des Sultans Süleyman zu diesem Buch inspirieren. Im Hintergrund des Bildes konnte sie die Süleymaniye-Moschee und einen Elefant mit seinem Pfleger sehen. Da sie die herrlichen Bauten des legendären osmanischen Architekten des 16. Jahrhunderts Sinan schon oft in Istanbul bewunderte, beschreibt sie einen großen Teil seines Lebens und Wirkens anhand des Schicksals des fiktiven indischen Jungen Jahan, der mit dem Elefant Chota in die Menagerie des Sultanpalastes einzog.
Das Leben der beiden Inder wurde von den Mächtigen bestimmt und von Zufällen. So helfen Sie bei der Erstellung der riesigen Bauwerke, die zu dieser Zeit in der Stadt entstehen. Jahan wird bei dem führenden Architekten Sihan in die Lehre genommen und erlebt den Bau riesiger Moscheen, Brücken, Aquädukte und weiterer Bauwerke mit. Sie müssen aber auch gemeinsam in den Krieg ziehen und für den Sultan kämpfen. Sie erleben den Tod mehrerer Herren und auch, was der Nachfolger macht, um seine Konkurrenten aus dem Weg zu räumen.
Öfter als einmal muss Jahan Entscheidungen treffen, die über sein Leben bestimmen. Er versucht immer sich selbst gegenüber loyal zu bleiben. Er versucht auch seinem Lehrer und nicht zuletzt Chota, dem Elefanten, mit dem er 50 Jahre zusammenbleibt, gerecht zu werden. Das ist nicht immer leicht:
In diesem Moment verstand Jahan, dass das Leben die Summe aller Entscheidungen war, die man nicht traf, aller Wege, die man beschreiten wollte, aber nicht einschlug.
Im Palast herrschen immer Ränkespiele, je nach der Stimmung des jeweiligen Sultans, wird die Politik weitergeführt. Auch Frauen verfügen im Hintergrund über große Macht.
So lernt Jahan noch als Kind Mihrimah, die Tochter des mächtigen Sultans Süleyman kennen und wird ihr das ganze Leben über ergeben sein. Und das währt lang, denn er wird mit einem Fluch belegt.
Zeiten religiösen Eifers wechseln mit Zeiten, in denen die muslimischen Regeln sehr weit ausgelegt werden. Seuchen, Judenverfolgung und das Leben der Zigeuner bekommt ebenso Raum in diesem Buch wie alles rund um die Pflege eines Elefanten und das Leben der einfachen Menschen zu dieser Zeit in dieser Stadt, die viele Kulturen vereinen musste.
Sehr gut gefiel mir eine Szene, in der Jahan in einer Nacht versucht, einige Bücher aus einer großen Bibliothek zu retten, die am nächsten Tag zerstört werden soll:
Die Bücher und Karten und Manuskripte begannen, ihn bei seinem Namen zu rufen. Erst leise, dann immer schriller flehten sie ihn an, sie mitzunehmen. Jahan sah ihre aufgerissenen Papiermünder vor sich, ihre Tränen aus Tinte… Jahan fühlte sich wie ein Mann in einem Boot, der ein Dutzend Menschen in einem Sturm zu retten versuchte, während Hunderte rings um ihn ertranken.
Eigentlich lese ich in den letzten Jahren selten historische Romane, aber die geschichtliche Einordnung von Sinan im Verhältnis zu den Werken Michelangelos und der Erbauung des Taj Mahals hat mir einige Zusammenhänge aufgezeigt, die mir vorher nicht klar waren. Das Buch hat mich in eine fremde Welt entführt, deren Bauwerke zum Teil heute noch bestehen und von denen ich einige auch schon bewundern konnte. Sprachlich war ich oft an die Märchen von Tausend und einer Nacht erinnert.
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Elif Shafak: Der Architekt des Sultans, eine Übersetzung von Michaela Grabinger, KEIN & ABER Verlag, ISBN 978-3-0369-5715-9 , gebunden, 656 Seiten, € 24,90 [D]
Ich habe diese Buch schon vor einiger Zeit gelesen und habe es zu einem meiner Lieblinge gemacht.
Ich fand es so interessant in die alten Bauten zu schauen und die Intrigen, die an Hofe üblich waren (sind) zu verfolgen.
Du hast es ganz wunderbar beschrieben.
Danke. Ja, das mit den Intrigen war schon eine heftige Sache. Da ist der Macher von „Game of Thrones“ gar nicht so weit weg von der Realität.
Ich habe „Ehre“ von Shafak gelesen und das hat mir sehr gut gefallen …
Ehre habe ich noch nicht gelesen. Es ist aber, glaub ich, anspruchsvoller als dieses Buch.
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