Der Sommer im Garten meiner Mutter
Sonntag, 29. März 2020
Ein Roman von Ariela Sarbacher
Stell Dir vor, es ist Indiebookday und keiner geht hin? Normalerweise wären am letzten Samstag viele Buchmenschen zu ihren Lieblingsbuchhandlungen gegangen und hätten Bücher aus unabhängigen Verlagen gekauft. „Der Sommer im Garten meiner Mutter“ ist ein Debüt aus dem Bilgerverlag, wäre also ein echtes Indiebuch gewesen.
Am 21. März 2020 geht das nicht! Wir sollen wegen des Corona-Virus alle zu Hause bleiben. Die Buchhandlungen sind geschlossen! Irgendwie hört sich das an wie der Anfang zu der Rezension eines Buches. Mitnichten! Es ist gerade unser Alltag!
Dieses Buch kommt trotzdem zur richtigen Zeit. Vor ein paar Wochen entschied das Bundesverfassungsgericht, dass auch wir Deutschen ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben haben. In der Schweiz ist das schon lange möglich. Und genau dort befindet sich der Schauplatz des Romans von Ariela Sarbacher.
Sterbebegleitung
Francesca begleitet ihre Mutter beim Sterben. Diese ist unheilbar krank und möchte den Todeszeitpunkt selbst bestimmen. Sie möchte nicht auf die Schmerzen warten, sondern ihnen zuvor kommen. Möchte, dass alles nach ihrem Willen geht. Für Francesca ist das alles nicht so einfach. Für sie ist es ein Selbstmord, den ihre Mutter nun konsequent vorbereitet. Sie ordnet ihr Leben und organisiert ihren Tod.
Francesca lebt mit ihren Eltern in der Schweiz. Ihre Mutter ist Italienerin und entspricht so gar nicht meinen Vorstellungen von einer italienischen Mutter. Francescas Mutter ist nicht impulsiv oder gar liebevoll. Vieles wird unter den Tisch gekehrt, vieles, was wichtig wäre, erfährt Francesca erst in ihrem Erwachsenenleben. Regelmäßig verbringt sie mit der Mutter den Sommer in Italien bei den Großeltern. Das Verhältnis zur Mutter ist nicht einfach, aber es ist ihre Mutter und es gibt wie überall auch gute Zeiten und Momente. Der Vater verlässt die Familie eines Tages wegen einer anderen Frau. Die Mutter bleibt alleine und scheint diesen Zustand zu genießen.
Ich glaubte alle Geschichten, die sie und Nonna erzählten, um eine ganz andere zu verschweigen. S. 81
Francesca hat ihr Leben lang das Gefühl, nicht gewollt gewesen zu sein. Eigentlich wollte die Mutter keine Kinder und das glaubt die Tochter immer zu spüren.
Kaum war ich da, wurdest du unglücklich. S. 35
Wie wird es in Deutschland umgesetzt?
Ich bin sehr glücklich, dass sich das Thema Sterbehilfe momentan wieder in aller Munde ist. Ich beschäftige mich seit Jahren mit diesem Thema. Habe schon einige Bücher über selbstbestimmtes Sterben gelesen und warte händeringend darauf, dass wir auch in Deutschland eine gute Lösung dafür finden. Die Stimmen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgesetzes machen mir allerdings schon wieder etwas Angst. Ob man vielleicht doch wieder Möglichkeiten findet, es in Deutschland zu unterbinden?
Natürlich ist das kein leichtes Thema und es muss noch viele Szenarien geben, damit man weiß, wie eine Umsetzung möglich wäre. Aber vielleicht wäre eine Beratung wie beim Schwangerschaftsabbruch ein Lösung?
Für mich wäre eine Regelung in dieser Sache sehr wichtig. Die Gewissheit zur Selbstbestimmung würde mich ruhiger werden lassen. Ich habe schon vor Jahren meine Patientenverfügung gemacht als noch kaum jemand in meinem Alter sich Gedanken darüber gemacht hat. Aber damals wurde mir auch vor Augen geführt, wie wenig man im Endeffekt darin abklären kann. Viel wichtiger sind die Angehörigen und Ärzte, die das Thema einfach ernster nehmen müssen. Und man muss unbedingt immer wieder darüber sprechen. Auch wenn es nicht einfach ist.
Ist selbstbestimmtes Sterben egoistisch?
Dieses Buch hat mir allerdings auch die andere Seite deutlich gemacht. Francesca wehrt sich gegen den Wunsch der Mutter. Sie möchte, dass ihre Mutter eines natürlichen Todes stirbt. Aber ihre Überzeugungsversuche scheitern und letztendlich ergibt sie sich dem Wunsch der Mutter.
Im Buch „Der Sommer im Garten meiner Mutter“ lässt Francesca ihr ganzes Leben mit der Mutter an sich vorüberziehen. In kleinen kurzen Episoden, die zeitlich nicht immer einfach einzuordnen sind.
Nicht gefallen haben mir die italienischen Gesprächsfetzen, die nicht übersetzt wurden und die ich dadurch leider auch nicht verstehen konnte. Das mag jetzt nichts wichtiges gewesen sein, aber wer weiß das schon?
In einem Interview von Ariela Sarbacher erfahre ich, das das Buch autobiografische Züge hat. Die Mutter der Autorin ist in der Schweiz mithilfe der Organisation EXIT gestorben. Sarbacher erzählt, dass die Schweizer gar nicht so gerne über das Thema sprechen. In anderen Ländern, wie z. B. auch in Deutschland, scheint das Sprechen darüber einfacher zu sein, vielleicht weil es bisher verboten war. In der Schweiz ist man entweder dafür oder dagegen. Dazwischen scheint es nichts zu geben. Ich bin sehr gespannt, wie das Thema „Selbstbestimmter Tod“ in Deutschland weiter diskutiert und vor allem auch umgesetzt wird.
Dieses Buch wurde mir vom Bilgerverlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür!
Weitere Neuerscheinungen aus unabhängigen Verlagen findet ihr in Silvias Debütvorstellungen.
Liebe Astrid,
das Buch hört sich sehr interessant an, denn auch ich finde das Thema selbstbestimmtes Sterben ein sehr wichtiges Thema. Ich kann mir gut vorstellen, dass Angehörige das Thema nicht immer einfach finden. Denn irgendwie hat die Protagonistin ja Recht: Es ist ein geplanter Selbstmord bei dem man ziemlich sicher sein kann, dass er gelingt. Ich finde aber, dass das Thema auch in Deutschland unbedingt weiter verfolgt werden muss. Man muss den Menschen zugestehen, dass sie selbst entscheiden, wann sie aus dem Leben scheiden möchten und das nicht unter heimlichen Umständen, bei denen es im Zweifel schief geht und sie hinterher noch schlechter dran sind, als vorher.
Danke für die Rezension zu diesem sicher spannenden Buch.
LG
Yvonne
Liebe Yvonne,
danke für Deine Meinung. Ich bin wirklich sehr gespannt, wie es mit dem Thema weitergeht. Momentan gibt es ja nur das Corana-Thema, aber ich hoffe sehr, dass wir uns bald auch wieder mit anderen wichtigen Aspekten des Lebens und Sterbens beschäftigen werden.
Dir alles Gute
Astrid