Elisabeth Strout: Die langen Abende
Sonntag, 23. August 2020
Originaltitel: Olive again (auch schön)
Wie ist das Leben, wenn die Rente ansteht und auch irgendwann das Alter? Und wie ist das Rentnerdasein für eine Lehrerin, die eigentlich alle Schüler in einem kleinen Ort in Mathe unterrichtet hat?
Olive Kitteridge war wohl keine beliebte Lehrerin und auch als Frau ist sie in ihrem Heimatort nicht bei allen beliebt oder auch nur angesehen. Sie mischt sich einfach zu sehr ein in das Leben der anderen.
Ich habe Olive bereits in „Mit Blick aufs Meer“ kennengelernt und ich muss gestehen, ich mag sie sehr. Irgendwie fühle ich mich sehr verbunden mit ihr. Ich glaube, wir lieben beide die Fettnäpfchen!!
Älter werden
Elisabeth Strout versucht sich in diesem Buch in das Alter hinein zu versetzen. Olive hat kürzlich ihren Mann Henry verloren und fühlt ich ein wenig einsam. Aber sie hat großes Glück, sie findet noch einmal eine neue Liebe, Olive heiratet sogar noch einmal und zieht zu ihrem neuen Mann Jack. Das schöne Haus am Meer wird verkauft und abgerissen.
Das Verhältnis zu ihrem einzigen Sohn Christopfer ist immer noch schwierig. Nun hat sie zwei Enkelkinder und noch zwei Stiefenkelkinder, zu denen sie aber keine Beziehung aufbauen kann. Auch das sprichwörtliche schlechte Verhältnis zur Schwiegertochter bessert sich nicht.
Strout liebt es, ihre Bücher als Kurzgeschichtensammlung aussehen zu lassen. Wieder werden die Geschichten vieler von Olives Mitmenschen erzählt. Häufig kommt Olive darin nur als Nebendarstellerin vor. Und manchmal erzählt ein anderer davon, wie er sie getroffen hat. So ganz nebenbei.
Treffen mit Bekannten aus anderen Büchern
Leider habe ich nicht mehr alle Bücher von Strout parat in meinem Kopf, aber viele der Einwohner von Crosby kommen mir sehr bekannt vor. Irgendwie sind alle Bücher miteinander verwoben, als ob sich Strout nie so wirklich von ihren Protagonisten trennen kann. Besonders schön finde ich die Stelle, als Olive Isabelle im Altersheim trifft. Sie ist die Mutter von Amy aus dem Roman „Isabelle und Amy“, dem Debüt von Strout. So erfahre ich endlich, wie Amy den Wutanfall ihrer Mutter (Isabelle hat Amy die langen roten Haare in einer Verzweiflungstat abgeschnitten) verkraftet hat und was aus ihr geworden ist.
Auch die Geschwister aus „Das Leben natürlich“ erkenne ich wieder. Irgendwie schön, dass es sie noch gibt.
Als alternde Lehrerin trifft Olive häufig ehemalige Schülerinnen und Schüler wieder. Sie kann sich an viele erinnern und fühlt sich ihnen immer noch überlegen. Aus einer unbegabten Schülerin ist eine berühmte Dichterin geworden, Olive hätte es bei ihr am wenigsten vermutet. Als sie sie trifft, glaubt sie, dass diese selbstmordgefährdet ist. Olive leistet ihr bei einem Cafébesuch Gesellschaft und erlebt einige Zeit später eine böse Überraschung.
Olive wird älter und gebrechlicher, das Altern wird schonungslos, aber auch mit sehr viel Selbstironie und Humor erzählt. Und auch der Wechsel ins Altersheim ist viel mehr Erleichterung als Schrecken.
Der Leser liebt diese Frau, die doch manchmal so ruppig scheint, aber durchaus emphatisch und führsorglich sein kann.
Fazit
„Die langen Abende“ ist eine gelungene Fortführung der anderen Romane der Autorin. Elisabeth Strout entwickelt sich immer mehr zu einer meiner liebsten Schriftstellerinnen.