[Rezension] Herz auf Eis von Isabelle Autissier
Samstag, 22. April 2017
Und nun ist es auch noch ein Spiegel-Bestseller!
Jetzt ist es mir also auch passiert! Ich bin so unzufrieden mit einer Rezension, dass ich sie nicht veröffentlichen will. Ich beginne noch einmal von vorne – mit einem anderen Ansatz. Zufrieden bin ich immer noch nicht. Heute starte ich den dritten Anlauf und wenn ich es nicht diesmal sofort veröffentliche, kommt alles in die Tonne. Also steht es in den Sternen ob ihr meine Meinung zu diesem Buch je erfahren werdet…
Es geht um das Buch „Herz auf Eis“. Wenn ich 12 Jahre alt wäre, dürfte ich sagen „ALLE finden dieses Buch klasse.“ Bin ich aber nicht!! Also muss ich sagen: Ein Buch, das anscheinend sehr viele Menschen begeistert hat. Und nun auch noch ein Spiegel-Bestseller geworden ist!
Ich beginne an mir zu zweifeln. Warum hat es mir nur bedingt gefallen? Liegt es an mir?
Schon lange habe ich mich nicht so schwer getan mit einem Buch. Voller Vorfreude begann ich „Herz auf Eis“ von Isabelle Autissier. Ich erwartete einen Roman, der mein Interesse an Psychologie befriedigt. Der spannungsgeladene Dialoge bereithält. Der alles aus den Protagonisten herausholt, was im normalen Alltag nie gesagt worden wäre.
Für alle, die noch nichts von dem Buch gehört haben, hier erst einmal der Inhalt:
Inhalt
Ludovic und Louise – ein junges Paar aus Paris – gehen auf Weltreise. Das war für Louise keine leichte Entscheidung. Sie ist eine besonnene Frau, die sich in den Bergen am wohlsten fühlt und am liebsten Bergführerin geworden wäre. Aus Vernunftgründen studiert sie jedoch Jura und arbeitet im Finanzamt.
Ludovic ist Sohn wohlhabender Eltern und nimmt das Leben leicht. Als er in seinem Job als Event-Manager Probleme bekommt, will er eine Auszeit nehmen und um die Welt segeln.
Louise stimmt zu, um Ludovic nicht zu verlieren. Sie war in Liebesdingen bisher eher das graue Mäuschen, dass ganz überrascht ist, das der eloquente Ludovic sich in sie verliebt hat.
Beide verbringen anfangs eine unbeschwerte Zeit auf dem Boot und genießen ihre Auszeit. Im Süd-Polarmeer bei Kap Hoorn geraten sie auf einer Wanderung auf einer unter Naturschutz stehenden Insel in ein Unwetter. Sie schaffen es durch das aufgewühlte Meer nicht, mit dem Schlauchboot zu ihrem Segelboot zurückzukehren. So verbringen sie die Nacht in einer alten verlassenen Walfangstation und warten den Sturm ab. Am nächsten Morgen ist das Boot verschwunden.
Nun beginnt der Überlebenskampf…
Meine Meinung
Der erste Teil von „Herz auf Eis“ enttäuscht mich sehr. Ich hatte mich auf ein sehr psychologisches Buch gefreut. Wie gehen die Partner mit der Situation um? Wie hält die Beziehung das aus? Welche Probleme treten in der Extremsituation zutage, die früher unter Normalbedingungen kein Thema waren? Aber so tief geht dieses Buch leider nicht. Es wird aus einer großen Distanz heraus erzählt und so werde ich nicht wirklich in diese Geschichte eingebunden. Es gibt keine tiefenpychologischen Dialoge.
Auf der Insel geht der Sommer sehr schnell in den Winter über, viel Nahrung gibt es nicht. Aber nie spüre ich die Kälte oder den Hunger! Die Kälte ist auch kein wirkliches Thema in diesem Roman. Die Protagonisten haben nur die Kleidung, die sie bei der Wanderung am Leib trugen. Wie überleben sie den Winter? Haben sie sich Felle genäht? Habe ich etwas nicht richtig gelesen oder zwischen den Zeilen gelesen? Die Bekämpfung des Hungers wird dagegen ausgiebig erörtert. Wie sie auf die Jagd auf Pinguine gehen, wie sie sich das Essen einteilen.
Louise ist eine sehr versierte Bergsteigerin, die genau weiß, was sie tut. Als das Unwetter aufzieht, will sie umkehren. Der leichtsinnige Ludovic macht sich lustig über Louise und sie willigt ein, länger zu bleiben. So ein naives Verhalten passt nicht zu ihr. Die Gegend um Kap Horn gilt als sehr gefährlich und die vernünftige Louise kannte sich sicher gut mit dem Wetter aus. Sie ist gewissenhaft und geht auch beim Bergsteigen keine Risiken ein. Bei solchen extremen Wetterbedingungen geht es nicht „um ein wenig Nasswerden“. Die Geschichte à la Robinson Crusoe ist sehr unglaubwürdig. Heutzutage ist ein Segelboot technisch gut ausgestattet und es ist für mich sehr unwahrscheinlich, dass die Protagonisten aus finanziellen Gründen auf einiges davon verzichten.
Zweiter Teil
Der zweite Teil des Buches überzeugt mich wiederum. Ich habe fast den Eindruck als hätte plötzlich die Autorin gewechselt. Alles wirkt auf mich plausibel und realistisch. Alles ist stimmig. Daher bin ich sehr froh, das ich dieses Buch bis zum Ende gelesen habe.
Die Autorin ist eine erfahrene Seglerin
Die Autorin ist eine sehr erfahrene Seglerin, die schon als Kind von einer Weltumseglung träumte und als Erwachsene auch wahrgemacht hat. Sie ist selbst mehrmals in lebensbedrohliche Situationen gekommen, in der sie nur aufgrund der technischen Sicherungssysteme gerettet werden konnte.
Das macht ihr Buch noch unglaubwürdiger. Warum läßt sie das Buch nicht zu Robinsons Zeiten spielen? Vielleicht wäre es realistischer geworden?
Deutscher Titel und Cover
Wie bei fast allen Maretiteln begeistert mich das Cover. In seiner Einfachheit empfinde ich es als überaus gelungen. Der deutsche Titel „Herz auf Eis“ hingegen ist für mich zu pathetisch und kitschig. Der Originaltitel „Plötzlich allein“ wäre eher nach meinem Geschmack gewesen.
Fazit
„Herz auf Eis“ von Isabelle Autissier ist ein Abenteuerroman. Ein junges Paar gerät auf einer Weltumsegelung in einen Sturm und muss auf einer einsamen Insel ums Überleben kämpfen. Die Idee ist sehr schön, die Umsetzung an vielen Stellen nicht gelungen, aber trotzdem lesenswert.
Eure Meinung
Wenn ihr das Buch schon kennt und nun meine Meinung gelesen habt, würde ich mich interessieren, ob ihr meine Kritikpunkte nachvollziehen könnt. Habe ich vielleicht manches falsch interpretiert?
So, ich glaube, ich drücke jetzt schnell auf den Veröffentlichungsbutton, sonst schwirrt mir dieses Buch noch monatelang im Kopf herum.
BUCHDATEN
Isabelle AutissierHerz auf EisRoman OT: Soudain, seuls 224 Seiten, gebunden Mare Verlag Aus dem Französischen von Kirsten Gleinig ISBN 978-3-86648-256-2 |
Hallo Astrid,
Ich habe das Buch noch nicht gelesen, habe aber auf vielen Blogs sehr positive Rezensionen dazu gefunden. Da fand ich es jetzt wirklich spannend, mal eine etwas andere Meinung zu lesen. Dadurch bin ich aber keineswegs abgeschreckt, sondern eher nur noch neugieriger auf das Buch geworden. Ich hoffe, ich werde bald die Zeit finden es zu lesen.
Liebe Grüße und Danke für die differenzierte Meinung. Man merkt, dass du dich intensiv mit dem Buch beschäftigt hast und ich bin froh, dass du die Rezension jetzt doch veröffentlich hast.
Julia
Hallo Julia,
danke für Deine Meinung! Ich kann zwar selbst nicht segeln, aber in meiner Familie ist es ein großes Thema. Wir haben hier viel über dieses Buch diskutiert. Und kürzlich sah ich ein YouTube-Video, in dem sich ein Segler auf einen Hurrikan vorbereitet hat. Danach ging dieses Szenario im Roman irgendwie gar nicht mehr.
Aber ich bin froh, dass ich dich nicht von der Lektüre abhalte durch meine Meinung. Viel Spaß beim Lesen.
LG Astrid
Liebe Astrid,
ich habe mich bisher noch nicht für das Buch begeistern können. Ich hatte in der Buchhandlung mal reingelesen, aber es hat mich nicht wirklich gepackt.
Du beschreibst sehr gut, warum es dich nicht hundertprozentig überzeugen konnte. Dies kann ich auch absolut nachvollziehen.
Ich werde aber trotzdem mal einen Anlauf wagen – aber nicht deshalb, weil es auf der Bestsellerliste steht, sondern weil ich die Geschichte ansprechend finde.
Liebe Grüße
Rosa
Liebe Rosa,
dann bin ich sehr auf deine Meinung gespannt.
LG
Astrid
Hallo Astrid,
vielen Dank für deine Rezension. Sie spiegelt genau meine Meinung. Ich fand das Buch so schlecht, dass ich es nicht bis zum Ende gelesen habe und wundere mich über die guten Besprechnungen. Manche Autoren sollten lieber bei ihrem Hobby bleiben, dort gut sein und keine Bücher schreiben. Ich frage mich auch, welcher Lektor da zugange war…
Isabell M.A./Buchhändlerin
Hallo Isabell,
tja, aber wir stehen anscheinend ziemlich alleine da mit unserer Meinung. So unterschiedlich sind die Geschmäcker und Wahrnehmungen.
LG Astrid
Hallo Astrid,
ja, so ist es, als Buchhändlerin kann ich ein Lied davon singen.
Hier zwei Tipps von mir:
Osborne, Lawrence; Denen man vergibt
Hochgatterer, Paulus; Der Tag an dem mein Großvater ein Held war
Zwei gnadenlos gute Bücher!
Außerdem: Marion Poschmann; Die Kieferninseln;
Sie hat bei mir gelesen und ist auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Gleich fahre ich nach Frankfurt zur Verleihung. Ich hoffe so sehr, dass sie ihn bekommt. Mitnehmen für unterwegs werde ich die Delacourt, weil du sie so schön besprochen hast und weil mir „Wir sahen nur das Glück“ sehr gut gefallen hat.
LG
Isabell
Liebe Isabell,
danke für die Tipps. Die schaue ich mir mal an. Die Kieferninseln möchte ich auf jeden Fall noch lesen.
Ich bin auch sehr gespannt auf den diesjährigen Buchpreis.
Wie schön, dass Du in Frankfurt dabei bist.
Wir schaffen es leider dieses Jahr nicht. Wirklich sehr schade.
Dir viel Spaß
Astrid
Hallo Astrid, es ist natürlich schade, dass dir der Roman gar nicht gefallen hat. Aber Wahnsinn, wie Geschmäcker sich unterscheiden 🙂 Ich konnte den Roman gar nicht mehr aus der Hand legen. Und so geht es mir wahrlich nicht sehr oft.
Viele Grüße, Christina
Liebe Christina,
ist doch schön, dass dir das Buch gefallen hat. Anscheinend ging es ja den meisten Lesern so! Vielleicht war es für mich einfach das falsche Buch zu falschen Zeit?
Viele Grüße Astrid