Rezension und Interview: Mein schlimmster, schönster Sommer von Stefanie Gregg
Mittwoch, 19. April 2017
Erst wenn man das Leben loslässt, kann das Leben neu beginnen.
Isabel trägt ein Geheimnis mit sich herum. Einen „männerfaustgroßen“ Tumor. Zwei Wochen hat sie eine Auszeit, danach soll sie zur OP wieder im Krankenhaus erscheinen.
Die pflichtbewusste, total verplante Isabel macht vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben etwas ganz Spontanes: Sie mietet auf der Straße einen buntbemalten VW-Campingbus. Mit Anhnag, denn der Vorbesitzer Rasso muss erst noch etwas damit transportieren. Sie fahren also zusammen los. Eine Liebesgeschichte kommt auch noch hinzu, ebenso wie ein streunender Hund und Wim Wenders „Himmel über Berlin“.
Das Buch ist eine Roadnovel mit sehr ernstem Hintergrund. Isabel ist todkrank, weiß aber nicht wie schlimm es wirklich steht. In ein paar Tagen wird aus der absoluten Businessfrau eine Art Hippie: verbotenes Bad im See und Nacktyoga gehört zu den neuen Erfahrungen die sie unterwegs macht.
Einerseits erlebt man mit Isabel ihre Metamorphose, andererseits auch die Gedanken ihres Freundes Georg, der keine Ahnung hat wo sie steckt. Dann ist da noch der Arzt, der verzweifelt versucht ihr eine dringende Nachricht zu übermitteln.
Sehr gut gefällt mir die Tour durch Deutschland, einige der besuchten Orte kenne ich auch. Das Holocaust-Denkmal in Berlin leider noch nicht, das Buch machte mir klar, dass ich diese Lücke bald schließen muss. Der Besuch dort gehört ist meine Lieblingszene im Roman.
Ein Buch über Leben und Tod, sterben und genießen, Glück und Unglück, Gesundheit und Krankheit. Über die Frage: was ist wirklich wichtig im Leben? Beantworten muss sie jeder Mensch für sich selbst.
Dafür kann Stefanie Gregg vielleicht ein paar Fragen zum Buch beantworten:
Interview
Da wir uns dieses Frühjahr leider nicht persönlich treffen konnten, haben wir das Interview per eMail geführt.
Silvia: Warst du schon mal im Wohnmobil unterwegs?
Stefanie: Ja, wenn auch in einem modernen Caravan. – Und ich habe diese Art des Reisens geliebt, und dabei neidisch auf jene geschielt, die das, zum Beispiel mit dem eigenen Bus, immer und als Lebenseinstellung tun.
Die Schauplätze
Silvia: Mir gefiel sehr gut, dass die Reise im Buch quer durch Deutschland verlief. Hast Du alle Orte selbst besucht? Wie hast du die Schauplätze ausgewählt?
Stefanie: Tatsächlich war ich an jedem Ort, der in dieser Roadnovel vorkommt. Jeder hat eine Bedeutung für mich und ein Flair, das ich in den Roman habe einfließen lassen.
Das kleine Lohr im Spessart ist beispielsweise meine Heimatstadt, in der ich groß geworden bin. Obwohl ich beim Schreiben nicht darüber nachgedacht habe, ist es deswegen wohl doch nicht verwunderlich, was meine Isabel gerade in Lohr erlebt. Sie trifft dort eine Mutter mit einem kleinen Kind, die sie zu sich nach Hause einladen. Dort sieht sie, was sie nicht hat, ein Familienleben.
Auch die Ruine Schönrain hat für mich eine persönliche Bedeutung. Dort habe ich oft mit anderen Jugendlichen Partys gefeiert und übernachtet – mit dem Schlafsack unter freiem Himmel, am Lagerfeuer, Blick auf die alten Mauern – eine freie, wilde und schöne Zeit. – Die erlebt auch Isabel dort, wenn sie natürlich auch noch skurrile Menschen trifft, die es meines Wissens dort nie gab. In Füssen habe ich tatsächlich selbst eine Woche in der ‚roten Villa‘ verbracht und mich wie Pippi Langstrumpf gefühlt. Und Berlin – oh ja, Berlin ist für mich Faszination und Moloch zugleich. – Ein Jahr habe ich in Potsdam gelebt!
Ja, jeder Ort hat eine Bedeutung für mich, die für die jeweilige Stelle des Romans sinnbildlich steht.
Über das Buch
Silvia: Die Beziehung zwischen Isabel und Georg ist ja ziemlich traurig. Interessant fand ich nicht nur Isabels, sondern vor allem Georgs Wandel im Laufe des Buches. Warum war dir diese Sicht so wichtig?
Stefanie: Weil es um das richtige Leben im falschen geht. Jeder von uns lebt, und nur die wenigstens ganz. Weil es nicht geht, weil der Alltag einen auffrisst, weil man vergessen hat, was einem wirklich wichtig ist. Wenn jemand das Ende vor sich sieht, kann er besser erkennen, was wirklich wichtig ist, weil der Alltag abfällt. Aber auch wenn man etwas verliert, das man sicher zu haben geglaubt hat, merkt man, was einem wirklich wichtig ist. Das erste geschieht Isabel, das zweite Georg. Für beide ist es zu spät. Und ich hoffe so sehr, dass der eine oder andere Leser merkt, dass es für ihn selbst gerade noch nicht zu spät ist. Aber ich selbst weiß, wie schwer es ist, solche Wünsche und Erkenntnisse im Alltag zu leben. Aber ich als Autorin darf träumen.
Silvia: Du musst dich für das Buch viel mit Sterben und Krankheit beschäftigt haben. Hat dich das auch verändert?
Stefanie: Wie du dir wahrscheinlich vorstellen kannst, hat es mich vorher berührt. Und verändert. Das Schreiben ist Ausdruck und Verarbeiten, Leben und Hoffnung.
Cover und Lesungstermine
Silvia: Das Cover des Buches sieht nach einem sehr fröhlichen Buch aus. Wie ist es entstanden?
Stefanie: Der Aufbau Verlag hat es mir vorgeschlagen, ebenso wie den Titel (meiner war ‚Torock‘) – aber beides habe ich gemocht, weil es zugleich die Leichtigkeit und auch die Traurigkeit, das Endliche der Pusteblume, ausdrückte. Ich mochte es von der ersten Sekunde an. Auch weil es sich von den üblichen Covern abhebt.
Silvia: Läuft schon eine Lesereise? Wo kann man dich live erleben?
Stefanie: Ach je, so oft – seht auf meine website www.stefanie-gregg.de und es werden noch einige Termine dazu kommen! Vor allem aber, ich lese gerne! Und treffe gerne meine Leser – wie dich, liebe Silvia!
Und sonst noch
Silvia: Im Buch kommt die Frage nach dem Lieblingsbuch und dem Lieblingsfilm auf. Wie würdest du sie für dich beantworten?
Stefanie: Ach je, wie schwierig. Soll ich sagen ‚Tschick‘ und ‚Der Himmel über Berlin‘ ? Ja, sie gehören dazu – zu den vielen anderen!
Silvia: Kannst du schon etwas zu deinem nächsten Buch verraten?
Stefanie: Es wird der Roman um eine Psychologin, der mit dem Tod ihrer Mutter der Boden unter den Füßen fortgezogen wird, denn sie erfährt Dinge, die sie nie vermutet hätte. Und dennoch wird die Reise auf den Suchen nach diesen Familiengeheimnissen eine Reise zu ihr selbst.
Silvia: Themenwechsel: hast du einen Lieblingskeks? (Gerne mit Rezept)
Stefanie: Oh mein Gott, ich kann gerade einigermaßen kochen, bin aber eine furchtbar schlechte Bäckerin. Aber wie so oft, können Kinder das, was man selbst nicht kann. Meine Tochter ist eine wundervolle Bäckerin, die mehrstöckige Torten zaubern kann.
Mein Lieblingsrezept für Kekse von ihr ist folgendes: Haferflocken, Banane, Ei, Zimt – nach Geschmack abschmecken. Bei 180 Grad backen bis es außen leicht knusprig ist. Sehr lecker! Und gesund!
Silvia: Vielen Dank, liebe Stefanie für dieses nette Interview. Ich bin gespannt auf dein nächstes Buch und freue mich auf ein nächstes persönliches Treffen.
PS: Für die beiden Fotos mit Stefanie Gregg liegt das Copyrigth übrigens bei ihr.
Infos zum Buch
Stefanie Gregg
Mein schlimmster, schönster Sommer Aufbau Taschenbuch Verlag ISBN 978-3-7466-3321-3 304 Seiten |
Eine sehr schöne Buchvorstellung, die mir wirklich gefällt. Noch besser gefiel mir das recht lockere und informative (die Handlungsorte betreffend) Interview und am allerbesten das Buch selbst. Die Erkenntnisse von Isabel und Georg für ihr eigenes Leben führten sehr sensibel (ich mag es gar nicht, wenn man grob mit der Nase direkt auf die „Lehre“ getunkt wird) durch die gesamte Geschichte.
Hallo Petra,
vielen Dank für dein Lob.
Ein Interview mit Stedanie zu führen ist eine schöne Sache, sie ist sehr nett und offen.
Viele Grüße
Silvia