Julia Weber: Immer ist alles schön
Mittwoch, 6. Dezember 2017
Debütroman von Julia Weber
Immer ist alles schön
Dieser Roman steht auf der Shortlist des Bloggerpreises für Literatur des Blogs Das Debüt. Ich versuche meine Eindrücke dazu in Worte zu fassen und führe ein kurzes Interview mit der Autorin.
Eine Mutter, zwei Kinder. Die Tochter Anais, ich schätze sie ist ca. 10-12 Jahre alt, versucht die Familie zusammenzuhalten. Der jüngere Bruder Bruno braucht eine starke Brille und interessiert sich für alles Mögliche. Häufig läuft er mit einem Sachbuch unter dem Arm herum.
Die Mutter der beiden Kinder bemüht sich alles richtig zu machen, scheitert aber fatal. Sie schafft es nicht den Kindern ein Heim zu bieten, eine Beziehung zu unterhalten, einen festen Job zu ergattern oder sich mit ihrer eigenen Mutter auszusöhnen. Sie trinkt sich die Welt mit Wein schön und tanzt für ihr Leben gern. Auch für Geld an einer Stange in einem glitzernden Kostüm.
Dann ist da noch der Riese, der Mann von Jugendamt und die traurige, neugierige Nachbarin.
Alle versuchen glücklich zu werden, alles schön zu machen. Doch das klappt irgendwie nicht.
Tochter
Der größte Teil des Buches ist auch Anais Sicht geschrieben. Kurze Sätze, relativ einfacher Wortschatz sollen den Leser in die Psyche des Mädchens ziehen. Trotzdem entbehrt dieser Stil nicht einer gewissen Poesie.
Es geht um ihren Alltag, die Schule, die Familie und auch um ihre erste Liebe. Sie schwärmt für Peter und versucht seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dazu hat sie gute Vorraussetzungen, denn Anais ist schön. Wie auch ihre Mutter eine Schönheit ist.
Mutter
Die Sicht der Mutter Maria ist sprachlich anders, reifer gestaltet. In diesen Passagen wird erklärt, wie Maria zu dem jetzigen Leben kam. Wie sie an den Erwartungen anderer scheiterte. Wie sie nicht in der Lage war etwas anzupacken und durchzuziehen. Wie das Leben, die anderen Menschen, auch ihre Kinder zu sehr einschränken und die Erwartungen aller sie zu erdrücken drohen:
Ich versuchte frei zu sein, wie die Menschen es von sich behaupteten zu sein und von mir erwarteten. Ich musste frei sein, und je mehr ich frei sein musste, umso unfreier fühlte ich mich.
Freiheit als Zwang, Freiheit als Bürde, weil Freiheit auch Verpflichtung ist. Vor allem die Pflicht Verantwortung für die Kinder und auch das eigene Leben zu übernehmen.
Der Roman beschreibt für mich nachvollziehbar, wie eine Frau in ihrer Rolle als Mutter total überfordert ist. Liebe allein reicht einfach nicht.
Sohn
Brunos Sicht auf die Dinge wird durch Zeichnungen am Ende des Buches verdeutlicht. Er ist sehr wissbegierig, doch recht introvertiert. Als seine Brille abhandenkommt, verliert er den Zugang zur Realität.
Doch Anais steht im Mittelpunkt des Buches. Ihr Handeln kann ich irgendwann nicht mehr nachvollziehen. Warum macht sie Bruno so von sich abhängig? Braucht sie seine Blindheit um ihre Phantasiewelt intensiver erleben zu können?
Taumwelt
Ich habe nicht das Gefühl, dass dieser Roman realistisch sein soll, dafür sind zu viele phantastische Elemente und Andeutungen enthalten.
Alle flüchten sich in eine Traumwelt. Die Mutter in Musik, Alkohol und die Arme fremder Männer. Die Kinder schotten sich irgendwann ganz vom Außen ab und holen die Welt in die Wohnung. Anais versucht mit ihrer Phantasie autark von allen Erwachsenen zu werden. Doch sie kann Bruno nicht die Mutter ersetzen:
Er [Bruno] sagt, ohne eine Mutter sei das Leben kein Leben mehr, in dem ein Kind noch Kind sein könne. Er sagt, er glaube, er sei kein Mensch, der durch Glauben die Welt erlebt, er müsse die Dinge erleben, indem er sie verstehe.
Die Autorin
Julia lebt mit Mann und Kind in Zürich. Sie studierte literarisches Schreiben in Biel. Gründete den Literaturdienst und mit anderen die Kunstaktionsgruppe . Diese Gruppe möchte Flüchtlingen helfen. Sie wurde auch bereits von Das Debüt interviewt.
Das Interview
Silvia: Wenn du das Buch „Immer ist alles ist schön“ mit fünf Substantiven beschreiben müsstest, welche würdest du wählen?
Julia: Oberflächenbeschaffenheit, Innen-Aussen, Lebendigkeit, Wachheit, Maschine.
Silvia: Die letzten vier Begriffe kann ich sofoert einordnen. aber was meinst du mit Oberflächenbeschaffenheit?
Julia: Die Oberflächenbeschaffenheit der Welt.
Silvia: Jetzt sehe ich klarer. Man muss dafür aber das Buch lesen. Gab es einen Auslöser für dieses Buch?
Julia: Der Auslöser war die Möglichkeit der Sprache, die Möglichkeit in den Dingen, die man kennt, Neues zu sehen. Im Normalen Besonderes.
Silvia: Schön gesagt. Im hinteren Teil des Buches finden sich einige Zeichnungen von dir. Was ist zuerst entstanden: die Zeichnungen oder die passenden Passagen im Buch?
Julia: Buch, dann die Bilder, dann wieder Buch.
Silvia: Du hast dieses Jahr bereits den Franz-Tumler-Literaturpreis erhalten. Was bedeuten dir Literaturpreise?
Julia: Ich freue mich sehr über die Anerkennung, am meisten Freue ich mich, dass dadurch noch mehr Menschen mein Buch und somit Anais, Bruno und Maria kennenlernen, das tut der Welt gut (glaube ich).
Silvia: Da stimme ich dir zu. Hast du Kontakte zu Bloggern? Liest du deren Buchbesprechungen?
Julia: Ich habe im letzten Jahr einige BloggerInnen (eigentlich nur Bloggerinnen) kennengelernt. Allesamt Menschen mit viel Energie und grosser Liebe zu Büchern, zum Wort. Ich lese auch die Beiträge von diesen Frauen gerne.
Silvia: Ja, ich weiss aus Erfahrung, dass viel Engagement zum bloggen dazu gehört. Wie sehen deine weiteren literarischen Pläne aus?
Julia: Ich freue mich sehr darauf mich in mein Atelier zurück zu ziehen und wieder zu arbeiten. Ein Anfang oder ein Stück erschriebene Welt gibt es bereits. Nun will ich sie grösser und echter, zu Wahrheit machen, und mich darin schreibend bewegen.
Silvia: Ich bin gespannt, was uns noch erwartet. Und jetzt noch unsere obligatorische Keksfrage: Was sind deine Lieblingskekse (gerne mit Rezept)?
Julia: Spitzbuben. Ich habe leider kein Rezept.
Silvia: das macht nichts, denn wir zufällig haben wir ein Spitzbubenrezept bereits auf dem Blog. Vielen Dank für deine Antworten und viel Glück beim Literaturpreis von Das Debüt.
Bei 10 Seiten kann man Julia Weber lesen sehen und hören.
Fazit
Ein Buch über Familie, Liebe, Unvermögen und den Willen immer alles schön zu machen. Die Last der Freiheit ist für mich das stärkste Motiv im Roman. Ein Buch der leisen Töne, das eine starke Beklemmung in mir auslöste.
Infos zum Buch
Immer ist alles schön Julia WeberLimmat Verlag ISBN 978-3-85791-823-0256 Seitenenthält 30 Zeichnungen der Autorin |
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