[Rezension] Julie Otsuka: Als der Kaiser ein Gott war
Sonntag, 22. September 2019
Der Debütroman von Julie Otsuka
Als Silvia ihre Neuerscheinungen für den September veröffentlichte hüpfte mein Herz, als ich las, dass es einen neuen Roman von dieser tollen Schriftstellerin geben wird. Noch vor dem Frühstück bestellte ich dieses Buch bei meinem Buchhändler.
„Wovon wir träumten“ habe ich auch nach 4 Jahren immer noch im Kopf. Es hat mich nachhaltig beeindruckt.
Nun ist also auch der Debütroman ins Deutsche übersetzt worden. Endlich!!
Geschichtliche Einordnung
Die Japaner bombardierten im Dezember 1941 Pearl Harbour auf Hawai. Einen Tag später traten die Amerikaner in den 2. Weltkrieg ein. Aus diesem Grunde wurden fortan sämtliche japanischstämmige Einwohner der USA zu Feinden erklärt.
Inhalt
Die namenlosen Protagonisten erzählen ihre Geschichte. Frühling 1942 in Berkeley, USA. Die Mutter (aus deren Sicht wird das erste Kapitel erzählt) will eines Tages lediglich ein Buch in die Leihbücherei zurückbringen. Auf dem Weg dorthin sieht sie überall die Evakuierungsbefehle für japanischstämmige Bürger. Sie sollen ihre Sachen packen und sich bereithalten. Sie können nicht viel mitnehmen. Tagelang ist die Mutter am Packen. Sie kauft Seife und Creme, ordnet das Haus, vergräbt das Silber im Garten und kümmert sich um die Haustiere. Man könnte meinen, sie fährt in einen langen Urlaub.
Auch die Kinder packen. Einen Koffer für jeden.
Der Vater ist schon vor Monaten mitten in der Nacht von FBI-Leuten abgeführt worden. Im Bademantel und in Pantoffeln. Die Familie erhält nur unbedeutende Nachrichten von ihm.
Im Zug nach Utah wird die Geschichte von der elfjährigen Tochter weitererzählt. Die Familie, die alle die gleiche Erkennungsnummer tragen, fährt tagelang von einem Sammellager an der Westküste in die Salzwüste von Utah. Die Rollos der Waggons müssen tagsüber geschlossen bleiben. Niemand soll sehen, dass sich Japaner in dem Zug befinden.
Das Camp
Im Spätsommer 1942 erreicht die Familie eine Teerpappe-Barackenstadt hinter Stacheldraht. Sie befinden sich in der staubigen Salzsteppe im Wüstenhochland. Es weht ein heißer Wind, Schatten gibt es nicht. Jede Familie bezieht ein kleines Zimmer. Dreimal am Tag ruft der Gong zum Essen. Mehr gibt es nicht zu tun.
Im Camp ist der 8jährige Junge mit dem Erzählen dran. Er spricht viel vom Vater, den er sehr vermisst. Zum Glück gibt es die Möglichkeit des Briefeschreibens. Aber was schreibt man, wenn den ganzen Tag nichts passiert?
Es gibt Sprachregelungen im Camp:
Hier sagen wir Speisesaal und nicht Kantine; Sicherheitsrat und nicht Lagerpolizei; Einwohner und nicht Evakuierte; und nicht zuletzt geistiges Klima und nicht Lagermoral
Drei Jahre verbringt die Familie eingesperrt in diesem Lager in einer Gegend, die zu ertragen sehr hart ist. Im Sommer ist es wahnsinnig heiß, immer trocken und windig. Im Winter wird es sehr kalt, der Wind treibt den Wüstensand in jede Ritze der Behausung und am Morgen wacht jeder mit knirschendem Sand im Mund auf.
Julie Otsuka braucht nicht viele Worte
Julia Otsuka erzählt ohne viele Worte. Dafür aber eindringlich. Das ganze Buch hat nicht einmal 200 Seiten und trotzdem passiert so viel. Sie beschreibt ein Kapitel der amerikanisch-japanischen Geschichte, die mir nicht präsent war. Die Japaner waren zu der Zeit nicht willkommen. Otsuka schafft es hervorragend, dass ich mich hineinversetzen kann in diese Zeit, in der die Japaner versuchten, nicht aufzufallen. Sich als Chinesen ausgaben und japanische Traditionen im Geheimen lebten. Nachdem die Amerikaner in den Krieg eintraten, ernteten die japanischstämmigen Bürger viel Hass, wurden bedroht und nicht nur die Kinder verstanden die Welt plötzlich nicht mehr. Als die Familie nach dem Krieg heimkehrte, hoffte sie, dass alles wieder so wird wie früher. Sie sehnten sich nach Normalität. Aber das war ihnen nicht vergönnt.
Wir wußten es nicht. Wir wollten es nicht wissen. Wir fragten nie. Alles, was wir nach unserer Rückkehr in die Welt wollten, war, zu vergessen. S. 170.
Die Geschichte dieses Buches basiert auf der eigenen Geschichte der japanischstämmigen Autorin. Ihr Großvater wurde als Spion vom FBI verhaftet und Ihre Großmutter mit ihrer Mutter und dem Onkel in einem Camp in der Wüste von Utah eingesperrt.
Cover
Das kleine Büchlein ist wunderschön geworden. Dieses Cover hätte ich in der Buchhandlung auch sofort in die Hand genommen.
Fazit
„Als der Kaiser ein Gott war“ von Julie Otsuka handelt von einer Zeit, als die Amerikaner in den 2. Weltkrieg einzogen und alle in den USA lebenden Japanischstämmigen Bewohner zum Feind erklärten. Am Beispiel einer Familie zeigt die Autorin, wie es den Japanern in der Zeit ergehen konnte. Wunderbar erzählt und leider heute genauso aktuell wie vor 75 Jahren.
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