[Rezension] Claretta Cerio: Mit Bedenken versetzt
Sonntag, 16. September 2018
Neuauflage nach 20 Jahren
Endlich ist es mir mal wieder passiert. Ich habe ein eBook gelesen und bin so begeistert davon, dass ich es auf jeden Fall in gedruckter Form im Regal stehen haben möchte.
Bei den Neuerscheinungen meiner Onleihe, die übrigens „Onleihe zwischen den Meeren“ heißt, bin ich auf dieses Buch aufmerksam geworden. Wie kann das passieren, dass ich erst so spät von einer Neuerscheinung etwas mitkriege. Täglich erreichen mich Buchmails, Buchfotos oder Neuerscheinungsbeiträge auf vielen Blogs und keiner erwähnt dieses Buch?
Auf Sylt lebt die Autorin und Reiseführerin Silke von Bremen. Sie hat eine alte Ausgabe dieses Buches gefunden, war genauso begeistert wie ich und hat sich sehr darum bemüht, dass dieses Buch neu aufgelegt wird.
Worum geht es in „Mit Bedenken versetzt“?
Die Autorin Claretta Cerio erzählt ihre eigene Lebensgeschichte. Die ist so ungewöhnlich und spannend, dass sie ein Buch darüber schreiben konnte, dass lediglich bis zu ihrem Schulabschluss geht.
Claretta Cerio wird 1927 auf der Insel Capri geboren. Aufwachsen tut sie auf der Insel Sylt. Ihre Mutter (halb deutsch, halb italienisch) heiratet einen Deutschen, der von Sylt kommt und dort mit seiner Familie leben möchte.
So erreicht Claretta mit nur wenigen Wochen die Insel Sylt, die für sie Heimat wird. Sie bekommt noch drei jüngere Geschwister und so ist die Kindheit anfangs sehr heimelig und schön. Der Großvater ist ein strenger Mann, nur bei seinen Enkeln ist er liebevoll und kümmert sich rührend um sie. Erst siebenjährig muss sie mit ansehen, wie ihr Vater nach langer Krankheit stirbt und fortan ohne Vater aufwachsen. Die Mutter, anfangs sehr zurückhaltend in der fremden Umgebung, führt den Kaffeegarten des Vaters alleine weiter.
Die Kinder werden teilweise von Kindermädchen erzogen, die jedoch häufig wechseln.
Als der Krieg ausbricht, zieht die Mutter mit den Kindern nach Capri, da sie nicht weiß, was kommt.
Claretta wird anfangs privat unterrichtet, später kommt sie auf die deutsche Schule nach Rom, bis die Kriegswirren diese Schule schließt. Später eröffnet eine neue Schule in Meran, auf die sie mit ihren Geschwistern gehen kann. Gegen Ende des Krieges werden die Schüler häufig zu anderen Arbeiten herangezogen, wenn Arbeitskräfte benötigt werden. Insgesamt hat Claretta viele Schulen, Schulformen und Lehrer gehabt, so dass eine allgemeine Schulbildung herausfordernd war. Daher auch der Titel „Mit Bedenken versetzt“ In den letzten Zeugnissen steht immer dieser Satz.
Italienisch oder Deutsch?
Die Familie, obwohl italienischstämmig, hat die deutsche Staatsangehörigkeit, was das Leben gerade im Krieg sehr schwer macht. Aber auch vor dem Krieg wurden sie auf Sylt als „schrecklich italienisch“ bezeichnet.
Wir wurden stets aufgefordert, unsere „deutsche Mentalität“ oder unsere „italienischen Manieren“ abzulegen, je nachdem.
Wer schon einmal auf Sylt war, kann sich dieses Leben kaum vorstellen. Jemand, der italienische Wurzeln hat und häufig auf Capri lebt, soll sich auf Sylt heimisch fühlen. Ja, das scheint zu gehen, wobei das Wort Heimat für die Familie Cerio ein undefinierbarer Begriff war.
Clarettas Opa hat den Sylter „Wiedermanns Wiener Kaffeegarten“ eröffnet, den der Vater weitergeführt hat. Der Opa hat die Friesischen Kekse erfunden, die auch heute noch als Sylter Spezialität gelten. Leider hatte Claretta eine strenge Mutter, die den Kinder jeglichen Süßigkeiten verbot.
Fazit
Für mich ist Claretta Cerios Buch „Mit Bedenken versetzt“ ein Schatz. Jeder Syltliebhaber wird seine Freude an dem Buch haben. So eine aufregende Kindheit erleben wohl die wenigsten Menschen.
Das hört sich ja nach einer sehr wirren, turbulenten Geschichte an. Da stellen sich mir viele Fragen.
ich werde es wohl bei Gelegenheit mal lesen müssen. Es passt vielleicht sogar zu dem Buch, das ich gerade gelesen habe: „Das Eidechsenkind“ von Vincenzo Todisco.
Beste Grüße aus Bonn (auf gerade Linie zwischen Capri und Sylt)
Erika
Liebe Erika,
für dich ist das sicher ein interessantes Buch. Das „Eidechsenkind“ hört sich sehr traurig an. Das ist dieses Buch nicht. Claretta Cerio war in beiden Ländern zu Hause und hat ihre Kindheit souverän gemeistert.
Viel Spaß bei der Lektüre.
Viele Grüße
Astrid
Manchmal rutschen einem die besten Bücher einfach unter den Augen durch, ohne das wir es merken. Dieses Buch scheint vielleicht genau das richtige Geschenk für eine Freundin zu sein, die Sylt über alles liebt.
Lieben Gruß
Andrea
(danke fürs mitmachen beim Buch des Monats)
Liebe Andrea,
ja, wenn Deine Freundin sich auch für Lebensgeschichten interessiert, wäre es sicher was für sie.
Wenn ich nächstes Jahr mal wieder auf Sylt bin, schaue ich mal wie die Buchhandlungen dieses Buch präsentieren.
Liebe Grüße
Astrid