[Rezension] Sarah Moss: Gezeitenwechsel
Sonntag, 10. März 2019
Neuerscheinung von Sarah Moss
Endlich ein neues Buch von Sarah Moss im Mareverlag. Bisher habe ich alle ihre Bücher, die auf Deutsch erschienen sind gelesen. Ich bewundere sie für ihre Themenvielfalt. So ist auch ihr neuestes Werk wieder ganz anders als die anderen.
Eine ganz normale Familie
Eine ganz normale Familie. Vater, Mutter, 2 Töchter. Was heute aber immer noch nicht normal ist: Vater Adam ist Hausmann. Promovierter Hausmann. Emma, Mutter und Ehefrau, ist Allgemeinmedizinerin und im Vollzeitjob für das Einkommen der Familie verantwortlich. Adam ist Historiker und arbeitet stundenweise an der Uni.
Miriam und Rose sind 15 und 7 Jahre alt.
Es ist etwas passiert
Eines Tages erhält Adam einen Anruf aus der Schule. „Es ist etwas passiert“. Tochter Miriam hatte einen Herzstillstand, konnte aber von einem Lehrer reanimiert werden und ist wieder bei Bewusstsein.
Miriam kommt ins Krankenhaus und wird an Geräte angeschlossen. Sie wird von oben bis unten durchgecheckt. Was war der Auslöser? Warum hat ihr Herz plötzlich aufgehört zu schlagen? Und die drängendste Frage: kann das wieder passieren?
Das Leben der Familie Goldschmidt ändert sich vollständig. Mutter oder Vater sind ständig mit im Krankenhaus, um da zu sein wenn wieder etwas mit dem Herzen ist. Sie wechseln sich ab, denn auch Tochter Rose braucht Aufmerksamkeit und will versorgt werden. Und auch in Krisenzeiten muss man einkaufen, essen und Wäsche waschen.
Was passiert mit einer Familie, der so etwas widerfährt? Die händeringend auf Informationen der Untersuchungen wartet, wie geht das Leben weiter?
Die Mutter ist Ärztin
Sarah Moss hat geschickterweise eine Ärztin mit ins Spiel gebracht. Denken wir doch häufig, die Götter in Weiß wissen alles. Emma ist den Krankenhausalltag gewöhnt, kann die Untersuchungsergebnisse besser deuten als ihr Mann. Aber auch sie steht dem Phänomen „Herzstillstand“ hoffnungslos gegenüber.
Leider erfährt der Leser nicht viel von ihr. Wir erfahren die Geschichte von Adam, dem Vater. Seine Gedanken sind vielfältig und manchmal denke ich, er übertreibt, ist zu besorgt. Aber wer bin ich, das zu beurteilen. Wie würde ich in dieser Situation reagieren? Zum Glück weiß ich es nicht. Schon häufiger hatte ich das Gefühl, mir würde der Boden unter den Füßen weggezogen. aber jede Situation ist anders, immer wieder neu.
Mir persönlich hätte ein Perspektivwechsel gut gefallen. Mir war die Sicht auf die Geschehnisse zu einseitig. Wie erging es der überarbeiteten Mutter und vor allem wie verarbeitet eine 15jährige so einen Schicksalsschlag?
Die Kathedrale in Coventry
Es gibt eine zweite Erzählebene in diesem Buch.
Adam arbeitet an einem Projekt. Er forscht über die Kathedrale in Coventry. Diese ist im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. „Am Abend des 14. November 1940 wurde sie von Nazibombern plattgemacht und brannte ab, zusammen mit dem Rest der mittelalterlichen Stadt und 1824 Menschen , von denen die meisten in unterirdischen Luftschutzräumen begraben wurden.“
Diese Forschungsarbeiten lenken ab von der kritischen familiären Situation und lässt nicht nur Adam mehr Luft zum Atmen, sondern auch den Lesern. Man kann sich nicht stündlich mit der Frage, „was wäre wenn?“ auseinandersetzen.
Sarah Moss und das Meer
In Sarah Moss’ Büchern spielt das Meer häufig eine große Rolle. Daher mag ich ihre Bücher auch so sehr. In „Gezeitenwechsel“ habe ich das Meer sehr vermisst. Es spielt leider eine sehr untergeordnete Rolle, auch wenn der Titel etwas anderes suggeriert. Der Titel bezieht sich hier wohl nicht auf das Meer, sondern auf die Zeiten vor und nach der Katastrophe.
Fazit
„Gezeitenwechsel“ von Sarah Moss ist ein Roman zum Nachdenken. Die Tochter der Familie erleidet einen Herzstillstand und es kann niemand vorhersagen, ob das noch einmal passieren wird. Der Vater erzählt die Geschichte der Familie. Vom Krankenhausauftenthalt und den Auswirkungen des Ereignisses auf ihr weiteres Leben.
Am meisten geliebt habe ich folgende Bücher der Autorin: Schlaflos und Sommerhelle Nächte
Pingback: |Rezension| Gezeitenwechsel - Sarah Moss • Literatour.blog