Susan Hill: Stummes Echo
Mittwoch, 17. April 2019
Wo liegt die Wahrheit? [Rezension]
Eine Bauernfamilie lebt auf ihrem Hof „The Beacon“ im Norden Englands ein einfaches, hartes Leben. Die vier Kinder May, Frank, Colin und Berenice wachsen unbeschwert auf. Oder doch nicht? Frank schreibt Jahre später ein Buch über diese Kindheit. Dieses Buch beschreibt eine ganz andere Kindheit voller Misshandlungen. Beschreibt es die eigentliche Wahrheit?
Trotzdem gelesen
Dieses Buch ist klasse, atmosphärisch sehr dicht. Ich habe es an einem Tag gelesen. Trotzdem fand ich keinen Weg in eine Buchbesprechung. Mir fehlten die Worte. Deshalb fange ich mal ganz am Anfang an: Warum habe ich dieses Buch gelesen?
Als ich das Frühjahrsprogramm der Verlage durchstöberte, habe ich begonnen den Klappentext von „Stilles Echo“ zu lesen. Doch schon beim zweiten Halbsatz „vom Wind umtost“ habe ich mir das nächste Buch angesehen. Das Cover ist zwar optisch ansprechend, aber nichtssagend. Also nicht gerade Liebe auf den ersten Blick. Doch das Buch fand doch noch seinen Weg zu mir.
Mein Mann liest/hört regelmäßig die Buchtipps von WDR2, die unter anderem von Christine Westermann gegeben werden. Er sagte: das ist doch was für dich, oder? Nun bin ich mit Westermanns Buchtipps nicht immer glücklich, ich habe schon Bücher entsetzlich gefunden, die sie in den höchsten Tönen lobt. In einem Lesekreis habe ich Bekannte, die ein Buch nur deshalb nicht lesen würden, weil sie es empfiehlt. Sowas finde ich blödsinnig. Hängt doch zu oft meine Reaktion auf ein Buch von der Situation ab, in der ich es las.
In diesem Fall machte mich die Besprechung eindeutig neugierig.
Stimmen zum Buch
Frau Westermann schrieb über Stummes Echo:
Wie kann es sein, fragen sie sich, dass einer von ihnen so ganz andere Erinnerungen hat? Wer macht sich was vor? Wer lügt? Und warum?
Das Erinnerungen sich im Laufe der Zeit verändern und zudem sehr subjektiv sind, das stelle ich bei jeder Familienfeier fest. Diese Sätze machten mich sehr neugierig. Dann schrieb sie noch, dass sie durch ihre Buchhändlerin auf den Roman aufmerksam gemacht wurde. Diese sage dazu
Zunächst war es der Titel. Stummes Echo. Als wolle man etwas ungehört machen, was aber dringend gesagt werden muss.
Ich war angefixt und habe das Buch noch am selben Tag bestellt (nein, nicht beim größten Versandhändler…).
Nachdem ich das Buch schon gelesen hatte und mit meinem Unvermögen einen Post darüber zu schreiben rang, kam auf dem Blog We read Indie eine Rezension von Nicole Seifert ins Netz. Der Titel trifft meine Empfindungen zum Buch ganz gut: „Von der Unmöglichkeit des Ausbrechens“.
May
Sie ist die älteste der vier Geschwister und eigentlich die Hauptperson des kurzen Romans. Sie war sehr gut in der Schule, durfte auf die weiterführende Schule gehen und bekam dann auch ein Stipendium für ein Studium in London. Doch sie bekam dort, fern von der Heimat, dem Hof, dem Dorf, dem Hügel „The Beacon“ Panikattacken. Und kehrte mit leeren Händen zurück. Sie bleibt daraufhin für immer auf dem Hof, erlebt den Tod des Vaters, das Ende der Landwirtschaft dort und pflegt am Ende die Mutter, bis diese starb.
Alter
In der Zeit, in der das Buch spielt ist May in meinem Alter und hat folgende Gedanken:
Sie war fünfzig und fühlte sich älter, fühlte sich tausend Jahre alt. Was würde jetzt aus ihrem Leben werden?
Obwohl mein Leben bisher ganz anders verlief als das von May, habe ich auch manchmal dieses Gefühl alt und am Ende zu sein. Mein Leben ist ausgefüllt mir zwei Kindern die auf einem guten Weg in ein eigenständiges Leben sind, einem Partner, mit dem ich mich gut verstehe und einem Job, der sehr abwechslungsreich ist. Trotzdem gibt es diese Momente…
Doch ich bin nicht unglücklich, das ganz und gar nicht. Und erstaunlicherweise auch May nicht:
Dennoch war May nicht unglücklich. Sie mochte es, wenn das Leben gleichförmig und ereignislos war, sie brauchte den immer gleichen Tagesablauf und das Wissen, dass es Frühling und Winter gab, dass es früh dunkel wurde und spät, und das helle Licht am Morgen und die langen Abende im Sommer … Nichts störte das Gleichmaß ihrer Tage oder die Stille, in der sie vergingen.
Auch ich brauche die Regelmäßigkeit, die Rituale, das Vergehen der Jahreszeiten um mich sicher zu fühlen. Dazwischen gerne Zeiten der Aufregung, Vorfreude und Unterbrechung. Doch kehre ich gerne in mein geregeltes Leben zurück. Deshalb konnte ich mich irgendwie in May hineinfühlen, obwohl ich ihr Leben nicht geschenkt haben möchte.
Der Schrank unter der Stiege
Frank war immer der Außenseiter der Familie. Er ging früh eigene Wege und brach den Kontakt mit dem Rest der Familie ab. Er heiratete, machte Karriere und war finanziell unabhängig. Und dann schreibt er dieses Buch. Niemand zweifelt daran, dass die dort beschriebene schreckliche Kindheit der Wahrheit entsprach.
So behauptet er im Buch einem einem kleinen Schrnak unter der Treppe eingesperrt worden zu sein (ja, ich habe dabei an Harry Potter gedacht). Frank benutzte die realen Namen der Familie. Das Buch wird ein Riesenerfolg und seine Geschwister werden von allen Menschen die sie kennen mit anderen Augen angesehen. Wie konnten sie nur? Was für Monster! Selbst seine Familienmitglieder bekommen Zweifel: konnte Frank es so erlebt haben? Was wirklich passiert ist fragte auch ich mich. Für die Antwort musst du das Buch lesen!
Fazit
Stummes Echo ist ein atmosphärisch dichtes Buch. Susann Hill schafft es auf nur etwa 160 Seiten die Essenz einer Familie, einer dörflichen Gesellschaft und ganz verschiedene Lebensentwürfe zusammenzufassen. Ich kannte sie bisher nur als Krimiautorin und bin froh, dass ich auf dieses Buch (trotz des Klappentextes 😉) aufmerksam wurde.
Das Unvermögen eine Rezension zu schreiben, das kann ich mir bei dir gar nicht vorstellen. Und du hast eine perfekte Kurve hingelegt. Ich muss leider nachher zu meinem Buchdealer gehen und es mir mal ansehen. (Ich mag auch lieber meinen kleinen Buchhändler)
Schöne Feiertage
Andrea
Hallo Andrea,
Ich sitze andauernd hier und weiß nicht ich schreiben soll.
Deshalb werden so viele gelesene Bücher erst gar nicht besprochen.
Mal sehen, ob das Buch noch den Web zu dir findet.
Alles Gute
Silvia
Hallo Silvia,
optisch würde ich das Buch sicher nicht in die Hand nehmen und wäre wahrscheinlich daran vorbei gelaufen.
Deine Rezension klingt aber interessant und ich werde es mir sichr mal näher anschauen.
Liebe Grüße
Lilly
Hallo Lily,
dann haben wir vielleicht einen ähnlichen Covergeschmack?
Viele liebe Grüße
Silvia
Liebe Silvia,
Heute stand ich im Buchladen gerade davor und habe mich für einen anderen Roman entschieden, leider! Danke für diese tolle und persönliche Rezension. Kann vieles was Du schreibst nachvollziehen und werde das Buch sicher lesen.
Schade, dass das Cover nicht wirklich gelungen ist.
Liebe Grüße
Isabel
Hallo Isabel,
Mich würde wirklich interessieren, was sich der Verlag bei dem Cover gedacht.
Viele liebe Grüße
Silvia
Hallo Silvia!
Das klingt nach einem sehr kontroversen Buch, was mich direkt angesprochen hat. Interessanterweise hätte ich im Buchladen wohl gerade aufgrund des Covers zugegriffen. Ich find es schlicht, aber auf neugierig machende Weise. So unterschiedlich können die Geschmäcker sein 😀
Vielen Dank für das vorstellen, ist auf jeden Fall notiert 🙂
Liebe Grüße!
Gabriela
#litnetzwerk
Hallo Gabriela,
schön, das das Cover auch gefällt. Was ich sehr schöne finde ( außer dem Inhalt) ist der Leineneinband. Es fühlt sich sehr schön an.
Viele liebe Grüße
Silvia
Hallo,
Das Buch steht auch auf meiner Leseliste. Meiner Kollegin hat es so gut gefallen und das Cover ist auch wirklich sehr schlicht aber shön.
Ich wollte dir außerdem kurz mitteilen, dass ich gern durch deine älteren Beiträge geblättert wäre, aber das leider nicht funktioniert hat.
Wenn ich auf der Blogstartseite nach ganz unten scrolle und dann eine Seite zurück blättern wollte / oder Seite 2/3 angeklickt habe, bin ich immer wieder auf Seite 1 gelandet! Leider weiß ich keine Lösung für das Problem, aber vielleicht kannst du dir an anderer Stelle Hilfe besorgen, wenn du es selbst nicht gelöst bekommst.
Liebe Grüße
Chrissi
Hallo Chrissi,
vielen Dank für deine Rückmeldung.
Viele liebe Grüße
Silvia