Susanne Abel: Stay Away from Gretchen
Mittwoch, 31. August 2022

Eine unmögliche Liebe
Ich dachte, ich lese nichts mehr über den zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit. Irgendwie habe ich das Gefühl, schon alles zu wissen und ich irgendwann mal abschließen muss mit diesem Thema. Und da das Thema Krieg uns gerade alle so sehr beschäftigt, will ich darüber auch keine Bücher mehr lesen. Ein anderes hochgelobtes Buch habe ich kürzlich abgebrochen, weil es einfach nicht ging. Aber dieser Roman hat mich total in den Bann gezogen. Ich weiß wieder, was Leselust bedeutet. Und darüber bin ich „Stay away from Gretchen“ total dankbar.
Dieser Roman spielt auf zwei Zeitebenen. 2015. Als in Deutschland die große Flüchtlingswelle beginnt. Und, wen wundert es, von ca. 1940 bis in die Nachkriegszeit.
Der bekannte und weitgereiste Moderator Tom muss erkennen, dass seine Mutter Greta nicht mehr alleine leben kann und zeitweise unter Demenz leidet. Das wirft das Leben beider völlig durcheinander. Immer intensiver muss sich Tom kümmern. Dabei entdeckt er Dinge, die ihm neu sind und versucht intensiver in der Vergangenheit seiner Mutter zu stochern. Zu seinem Glück hat er dafür eine erfahrene Kollegin an seiner Seite, die das schon lange beruflich macht.
Flucht aus Ostpreußen
Die Mutter Greta ist im zweiten Weltkrieg aus Ostpreußen geflüchtet mit ihrer Mutter, Schwester und den Großeltern. Der Vater ist schon lange an der Front und sie haben schon lange nichts von ihm gehört. Sie verlieren sich auf der Flucht, aber in Heidelberg finden alle ein neues Zuhause, nur der Vater fehlt noch. Greta organisiert ihr Leben und beisst sich durch. Sie geht täglich auf den Schwarzmarkt und macht eines Tages Bekanntschaft mit dem schwarzen GI Robert Cooper. In der amerikanischen Besatzungszone gehören die amerikanischen Soldaten zum Alltag. Obwohl sie sich eigentlich von den Deutschen fernhalten sollen, gibt es unzählige Beziehungen zwischen Deutschen und Amerikanern. In der Regel Liebesbeziehungen.
So verliebt sich auch Greta in den schwarzen GI. Da er viel zum täglichen Leben beiträgt mit seinen Lebensmittelgaben, darf er bei Gretas Familie ein und aus gehen. Als sich allerdings Nachwuchs einstellt, ist die Begeisterung nicht groß.

Und nun beginnt in diesem Roman ein Thema, das mir bisher überhaupt nicht bewußt war, obwohl ich schon gefühlt alles über diese Zeit gelesen habe. Wie erging es den Paaren, die unverheiratet ein Mischlingskind hatten? Es war ja schon ein Makel, ein uneheliches Kind zu haben, aber dann auch noch ein schwarzes? Selbst wenn man heiraten wollte, ging das gar nicht, das das den US-Armee-Angehörigen nicht gestattet war.
Mischlingskinder
Viele Kinder landeten in Kinderheimen. Und so kümmerte sich irgendwann der Staat um diese Kinder. Eine Amerikanerin gründete eine Initiative, die Brown Baby Plan genannt wurde. Sie organisierte schwarze Adoptiveltern in den USA. Alle dachten, dass das für diese Kinder die beste Lösung wäre. Dort würden sie weniger auffallen als in Deutschland und vielleicht ein normales Leben führen können. Wir naiv man damals war!
Eine für alle gute Lösung gab es anscheinend nicht für diese Kinder und deren Eltern. Die GIs waren der Armee verpflichtet und als Schwarze durften sie in den USA keine Weißen heiraten. Die weißen Frauen in Deutschland wurden geächtet und konnten ihre Kinder teilweise nicht ernähren. Ein wirklich aussichtslose Sache. Und wie geht das Leben weiter, wenn einem ein Kind weggenommen wird, das geliebt wird von den Eltern?
Tom wird immer mehr in das frühere Leben seiner Mutter katapultiert und kommt zu spannenden Erkenntnissen.

Warum hat mir das Buch so gefallen?
Es ist relativ leicht geschrieben und so liest es sich auch. Es ist spannend und obendrein informativ. Ich habe nichts gewußt über diese Nachkriegskinder, die von vielen nicht gewollt waren. Mir war auch nicht bewußt, dass die schwarzen GI sich hier in Deutschland sehr wohl in ihrer Rolle fühlen konnten. Die Rassentrennung, die sie aus den USA kannten, gab es im Nachkriegsdeutschland nicht und sie konnten sich hier viel freier bewegen als in den USA. Und als Besatzungsmacht hatten sie ja noch zusätzliche Privilegien.
Die Umsetzung der Geschichte gefiel mir allerdings nicht immer. Leider musste die Autorin Stilmittel zu Hilfe nehmen, die ich besonders von Rosamunde Pilcher kenne. Aber irgendwas braucht es ja, um die Verstrickungen und Missverständnisse der Protagonisten hervorzurufen.
Wie ist es mit Euch? Habt ihr jemals von diesem Dilemma der Kinder von GIs und deutschen Frauen gehört?

Danke, dass du dieses Buch so ausführlich rezensiert hast.
Ich stand letztens schon davor, aber konnte mich dann doch nicht zum Kauf entschließen.
Jetzt bin ich sehr neugierig und finde es sehr spannend mehr über die Nachkriegszeit mal unter diesem Aspekt zu erfahren.
Dass die schwarzen GI‘s von der US-Army her, hier keine weißen Frauen heiraten durften , wusste ich z.B. nicht.
Danke für das Vorstellen!
LG, Monika
Liebe Monika,
schön, dass ich dich für das Buch begeistern konnte. Ich denke tatsächlich noch immer viel über dieses Buch nach, weil es mich doch sehr berührt hat.
Viel Spaß beim Lesen
Liebe Grüße Astrid