Thomas Melle: 3000 Euro
Donnerstag, 8. Januar 2015
Wenn Anton 3000 € zahlen könnte, würde er dem Gerichtstermin mit seiner Bank entgehen. Das perfide ist: verliert er den Prozess, muss er die Kosten des Verfahrens zahlen und seine Schulden vervielfachen sich. Dann wäre er ganz am Ende. Jetzt ist er nur am Ende.
Er ist in einem Wohnheim untergekommen und schläft trotzdem oft auf der Straße. Er hat Freunde und eine Sozialarbeiterin, die ihm helfen, das Geld bekommt er aber nicht zusammen.
Dabei war sein Leben früher so toll! Super Abi, nur klasse Noten im Jura-Grundstudium. Dann der Absturz: Party, Konto hier, Kreditkarte da, Clubs, Reisen.
Und plötzlich steht er vor einem ruinierten Leben.
Denise ist auch nicht happy, kommt aber zurecht. Als alleineerziehende, oft überforderte Mutter und Kassiererin in einem Discounter kann sie sich keine großen Sprünge leisten, hat aber alles, was sie braucht. Da sie aber vor allem von einer New York Reise träumt, spielt sie in drei Pornos mit. Jetzt wartet sie auf die Bezahlung: 3000€.
Die zwei lernen sich kennen, mögen sich und kommen sich näher. Reicht diese Nähe, um sich gegenseitig zu retten?
Zwei ganz normale Leben in Deutschland. Menschen, die ich täglich treffe, mit denen ich aber eigentlich nix zu tun habe. Leben, in denen 3000 € viel bis alles entscheiden können.
Für die eine steht der Betrag für die Erfüllung eines Traums, für den anderen stellt er die Rettung dar.
Ein Traum, für dessen Verwirklichung eine Frau Grenzen überschreiten muss, die sie fast in eine Depression stürzen. Was würde ich auf mich nehmen, um mir eine Extravaganz leisten zu können? Kann mir das nicht auch passieren?
Ein paar Fehler und alles geht den Bach runter. Was bleibt von einem Leben, das so strahlend war und dann in der Gosse endet? Wie vielen geht es hier, im reichen Deutschland, nicht ähnlich?
Anton klappert im Buch viele seiner ehemaligen Bezugspersonen ab. Nur wenige stehen noch zu ihm. Würde ich es tun? Würde ich meinen Traum für einen Fast-Penner opfern?
Das Buch regt mich an, mein eigenes Leben und auch meine Beziehungen zu anderen Menschen zu reflektieren.
Die Empfindungen der Protagonisten werden schlüssig dargestellt. Die Sprache ist modern, schnell, hart, passt durchaus zum Thema.
Zum Gewinner des deutschen Buchpreises hätte ich es auch nicht gewählt, aber Shortlist ist schon ein ziemlicher Achtungserfolg (und das mit einem Buch, das NICHT in der ehemaligen DDR spielt…)
Thomas Melle: 3000 Euro, Rowohlt Berlin, 978-3871347771, gebunden, 208 Seiten, 18,95€
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