Unglaublich! Schon 2 Jahre Sternenkindfotografin
Sonntag, 11. September 2022

Ein Erfahrungsbericht
Vor einiger Zeit habe ich euch von meinem Ehrenamt schon einmal erzählt. Daraufhin erreichten mich so unheimlich viele nette Nachrichten. Viele von Euch waren schon selbst einmal mit dem Thema Fehlgeburt/Todgeburt konfrontiert, einige kannten die Sternenkindfotografen aus eigener leidvoller Erfahrung. Diese ganzen Nachrichten haben mich sehr berührt und wenn ich mal denke, ich kann nicht mehr, dann denke ich daran und mache weiter. Weil es vielleicht sonst kein anderer zu euren Kindern schafft.
Wie ich zur Sternenkindfotografie kam, könnt ihr hier nachlesen.
Was ist passiert in den letzten zwei Jahren?
Wahnsinn! Ich mache dieses Ehrenamt tatsächlich schon über 2 Jahre. Über 50 Einsätze hatte ich bereits. Ich fahre in Krankenhäuser oder zu Bestattern. Ich treffe Sternenkinder, deren Eltern, Großeltern, Tanten, Onkels, Hebammen, Krankenschwestern, Seelsorger. Ich nehme die kleinen Mäuse in meine Hände, rede mit ihnen, kuschel sie ein wenig ein und fotografiere sie mit ihren persönlichen Dingen, wenn sie welche haben. Wenn nicht habe ich für jedes Sternenkind einen kleinen Teddy dabei und ein kleines Blümchen. Fast immer ist es eine emotionale Herausforderung.
Fotografieren unter Corona-Bedingungen
Corona stellt mich als Sternenkindfotografin vor große Herausforderungen. Ohne Impfung und tagesaktuellen Test geht gar nichts. Das ist für mein Zeitmanagement häufig ein Problem. Aber irgendwie schaffen wir Fotografen das dann doch immer. Wenn ein Sternenkind corona-positive Eltern hat, ist es sehr vom Krankenhaus abhängig, wie dann verfahren wird. Ich durfte einmal nur das Kind alleine fotografieren, in anderen Fällen wurden die Fotografen dann aber auch mit Schutzkleidung ausgestattet und durften auch die Eltern fotografieren.

Eine neue Organisation
In Hamburg ist ein neuer Verein gegründet worden. Einige Fotografen wünschten sich eine kleinere, intimere Organisation und so gründeten sie den Verein „Sternenkindfotografie e.V.“, in der sich von nun an alle engagierten Fotografen und Fotografinnen in Hamburg und Schleswig-Holstein zusammen getan haben. So auch ich. Der Übergang war etwas holprig, aber nun klappt das Zusammenspiel zwischen Krankenhäusern, Organisatoren und Fotografen sehr gut.
Spontanität
Die Sternenkindeinsätze kommen fast immer sehr spontan. Häufig am frühen Morgen, wenn in der Nacht ein Kind still geboren wurde. Aber auch tagsüber oder abends geht der Alarm am Handy. Obwohl ich das Geräusch inzwischen gut kenne, zucke ich jedes Mal zusammen und laufe zu meinem Handy, um zu schauen, ob ich evtl. los muss. Zum Glück wird in der letzten Zeit immer häufiger die Wassermethode bei den kleinen Sternenkindern angewendet, so dass wir nicht mehr ganz so schnell vor Ort sein müssen. Das macht die Suche nach einem Fotografen etwas einfacher. Aber trotzdem ist es manchmal nicht leicht, schnell jemanden zu finden. Jeder von uns hat einen ganz normalen Alltag mit Terminen und Verpflichtungen. Daher wünschen wir uns noch viel mehr engagierte Fotografen, die uns unterstützen.

Eine von vielen und von viel zu wenigen! Fotografen dringend gesucht!
Beim Verein „Sternenkindfotografie e.V.“ können interessierte Fotografen an einem Schnupper-Workshop teilnehmen und sich dort sehr intensiv mit dem Thema beschäftigen. Dort gibt es Informationen darüber, wie ihr so einen Einsatz emotional und fotografisch bewältigen könnt. Fragt mich gerne, wenn ihr Interesse habt und ihr aus Hamburg und Schleswig-Holstein kommt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man nie weiß, ob man das kann. Ihr müsst es ausprobieren.
Mein anstrengendster Tag als Sternenkindfotografin (Achtung: sehr, sehr bewegend)
Tja, das war der heilige Abend im letzten Jahr. Am 24. Dezember hatte ich gleich zwei Einsätze. Wie immer war das alles so nicht geplant. Schon eine Woche vor Weihnachten kam ein Call aus einem Krankenhaus, das nur ein paar km entfernt ist. Eine Einleitung! Niemand hätte gedacht, dass das Baby ein kleines Christkind werden würde.
Am 23. Dezember kommt am Nachmittag ein Call für einen Lebendeinsatz in Hamburg. Es ist sehr schlechtes Wetter und ich traue mich nicht auf die Strassen. Ich warte ja auch auf das kleine Mädchen und will ungern irgendwo im Schnee steckenbleiben. Für diesen Tag findet sich kein Fotograf mehr – es läuft gerade nicht rund in Hamburg. Ich habe eine sehr unruhige Nacht, denke immer an diesen Call – gerade an Weihnachten darf doch kein Kind unfotografiert bleiben. Um 7 Uhr rufe ich wie immer in den letzten Tagen im Krankenhaus bei der Einleitung an. „Hallo, hier ist Astrid, die Sternenkindfotografin“. Wieder die gleiche Auskunft „keine Änderung“! Wie sehr bin ich ständig in Gedanken bei dieser Mutter! Ok, dann eben in das andere Krankenhaus. Angerufen, noch schnell zum Testen und los geht es ins riesige Hamburger Klinikum.

Wie mag ein Einsatz an Weihnachten sein?
Ich kann es mir nicht vorstellen. Ich komme zu einem kleinen Jungen, der ein paar Tage alt ist und schon viel mitgemacht hat. Die Aussichten stehen nicht gut. Dieser kleine Mann merkt nicht, dass Weihnachten ist und ich habe es auch schon lange vergessen. Ich treffe auf tief traurige, aber sehr gefasste Eltern und wir machen Familenfotos – wie viele andere Familien an diesem Tag auch. Nur, dass es für diese Familie das erste und letzte Weihnachtsfest mit ihrem Neugeborenen ist. Auf dem Heimweg läuft laut „Halleluja“ im Radio. Unfassbar, wie passend das für mich ist.
Zu Hause angekommen beginnt mein typischer Heiligabend. Glühweintrinken mit den Nachbarn. Es mag für viele seltsam klingen, wie ich das nach so einem Einsatz kann, aber Ablenkung tut mir immer gut. Ein Glühweintrinken ohne Glühwein – vielleicht kommt ja noch das andere Sternenkind. Und wirklich – gerade als ich zum Aufwärmen wieder im warmen Haus bin, klingelt das Handy. Also fahre ich zum zweiten Einsatz an diesem besonderen Tag. Die Eltern des kleinen Mädchens haben hier einen Bericht geschrieben.
Heute ist Weihnachten
Zur Kaffeetafel bin ich wieder zu Hause und muss mich erst einmal erinnern, dass Weihnachten ist. Wie ich diesen Tag emotional geschafft habe, ist mir heute noch schleierhaft. Beide Kinder habe ich danach noch beim Bestatter fotografiert und bei einem sogar auch die Beerdigung. Das ging dann allerdings doch über meine Kräfte und danach brauchte ich eine Auszeit, um das ganze auch für mich zu verarbeiten und wieder bereit für neue Einsätze zu sein. Diese beiden Christkind-Sternenkinder werde ich wohl nie vergessen.
Warum mache ich das immer wieder?
Ich gebe zu, trotz der Routine, die ich im Laufe der Zeit entwickelt habe, fällt es mir immer noch häufig schwer, einen Call anzunehmen. Warum engagiere ich mich immer wieder für diese kleinen Menschen, die nicht die Chance haben, länger auf dieser Welt zu sein? Weil ich von vielen Müttern, Vätern, Omas und Opas und vielen anderen gehört habe, wie wichtig Erinnerungen sind. Und da die Sternenkinder und ihre Eltern so wenig Zeit miteinander haben, muss diese kurze Zeit in Bildern festgehalten werden. Für die Ewigkeit. Für die Zeiten der Trauer, um sie immer wieder in die Hand nehmen zu können. Und um das Sternenkind den Menschen zeigen zu können, die es nicht kennenlernen durften. Und ich mache das, weil ich es kann. Weil ich funktioniere, wenn ich erstmal ja zu einem Call gesagt habe.
Jedes Ehrenamt gibt dir selbst auch viel
Jeder Einsatz belastet meine Seele. Einer mehr, ein anderer weniger. Aber ich kann auch so viel bewegen. Ich bin eben nicht nur die Sternenkindfotografin. Häufig bin ich auch diejenige, die die Eltern motiviert, ihr Kind anzusehen. Sich dem Kind anzunähern, es anzufassen. Manchmal wollen die Eltern anfangs gar nicht bei dem Shooting dabei sein. Weil sie vielleicht noch unter Schock stehen. Aber wenn ich es dann schaffe, dass sie sich dem Kind nähern und es am Ende sogar Familienfotos gibt, gehe ich mit einem glücklichen Gefühl nach Hause.
Und was macht das mit mir?
Sehr viel! Ich gehe viel offener mit dem Tod um. Durch viele Gespräche ist mir klar geworden, dass wir den Tod viel mehr in unser Leben lassen müssen. Ich habe auch meine Naivität eingebüßt. Schwangerschaft ist nicht mehr die natürlichste Sache der Welt. Aber ich bin auch Informatikerin – natürlich weiß ich, dass die meisten Schwangerschaften gut gehen und Fehlgeburten in einer späten Schwangerschaftswoche oder gar eine Todgeburt – statistisch gesehen – relativ selten sind.
Als Sternenkindfotografin habe ich aber auch meine Liebe zur Peoplefotografie entdeckt und arbeite nun immer mehr als Fotografin. Ich weiß, wie wichtig Babybauchshootings sind und Newbornshootings sowieso. Es sind so wertvolle Erinnerungen, die man meist nicht nebenbei zuhause mit dem Handy festhalten kann.
Wenn es euch interessiert, hier gibt es noch einen Erfahrungsbericht von Eltern, deren kleine Tochter ich fotografieren durfte.
Ich weiß, wie schwierig dieses Thema ist, aber ich hoffe, ihr habt trotzdem bis hier gelesen. Danke dafür!

Liebsten Dank für die Einblicke;)
Irene