Sternenkind-Fotografen – Mein neues Ehrenamt
Mittwoch, 7. Oktober 2020
Vom Brötchenschmieren zum Sternenkind-Fotografen
Seit ich Kinder habe, engagiere ich mich ehrenamtlich. Kindergarten, Schule. Irgendeinen Job hatte ich da immer. Als Elternvertreterin, kuchenbackende Mutter, Organisation bei einem großen Kinderkleidermarkt. In den letzten 8 Jahren habe ich in der Schulcafeteria hunderte, oder wahrscheinlich tausende von Brötchen geschmiert und verkauft. Schon als mein jüngerer Sohn in die Oberstufe kam, machte ich mir Gedanken, was ich nach seinem Abi machen würde.
Meine Wahl fiel auf die Gemeindebücherei, in der es einen Verein gibt, der unterstützt. Das sollte es werden. Je näher die Schulentlassung aber rückte, desto mehr merkte ich, dass es das nicht werden sollte. Irgendwie hatte ich das Gefühl, die Bücher brauchen mich nicht. Dafür aber die Sternenkinder – die brauchen dringend Sternenkind-Fotografen.
Die Sternenkind-Fotografen
Vor Jahren las ich schon von den Sternenkindern. Genauer gesagt von den Sternenkinderfotografen. Ich war sehr beeindruckt von dem Bericht. Es wurde beschrieben, wie Sternenkind-Fotografen Kinder ablichten, die es nicht ins Leben geschafft haben. Sei es, dass sie bereits im Mutterleib verstorben waren oder bei der Geburt verstarben. 600 Sternenkind-Fotografen sollte es insgesamt in Deutschland geben. Wow! So viele! Sehr schnell hatte ich den Artikel aber auch wieder vergessen. Ich dachte nämlich, 600 Fotografen sind ja mehr als genug!
Im Dezember letzten Jahres lernte ich bei einem Workshop eine Sternenkind-Fotografin kennen, die das Sternenkind-Thema nebenbei in die Runde warf. Da war es wieder! In der Pause vertiefte ich das Thema direkt mit ihr. Drei Wochen später hatte ich das Glück, einige der Hamburger Sternenkind-Fotografen kennenzulernen. Voller Ehrfurcht vor dieser Arbeit ging ich nach Hause und horchte in mich. Kann ich das auch? Will ich das? Das Thema setzte sich in mir fest.
Ich sprach mit meinem Mann und einigen Freundinnen über die Sternenkindfotografie. Und ich merkte, wie schwierig dieses Thema ist. Ein absolutes Tabuthema! In meinem Bekanntenkreis gab es immer mal Fehlgeburten, aber ich merke erst jetzt, dass das Umfeld das ziemlich schnell vergißt. Es ist ein Thema, welches ganz fix in der hintersten Schublade landet. Auch bei mir – das muss ich heute leider zugeben. Als mein erster Sohn geboren wurde, hatte ich eine freie Hebamme, die mich rundum versorgte. Ihr nächster Einsatz nach uns endete mit einer Todgeburt und ich kann mich noch gut an meine Dankbarkeit in dieser Zeit erinnern.
Sternenkind-Fotografen machen das erste und das letzte Bild
Viele fragen sich vielleicht, ob das wirklich sein muss. Ein Fotograf, der ins Krankenhaus kommt, um Bilder von einem sterbenden oder bereits verstorbenen Kind macht. Kann man das nicht selber, wenn man das denn möchte oder können nicht die Hebammen ein Foto machen? Klar ginge das. Aber es ist einfach ein großer Unterschied, ob da Handyfotos gemacht werden oder Profibilder entstehen. Die Eltern wünschen sich so sehr Bilder von ihrem Sternenkind, es ist das einzige, was ihnen bleibt für ihr weiteres Leben. Auch Sternenkindeltern möchten sich ein Foto aufhängen und es immer bei sich tragen. Wußtet ihr, dass die Idee, Sternenkinder zu fotografieren, gar nicht so neu ist? Um 1900 gab es die Post-Mortem-Fotografie bereits. Wenn ihr im Netz mal stöbert, findet ihr viele Familienfotos mit einem toten Kind. In den 1940er Jahren verschwand diese Art der Fotografie wieder. Totgeborende Kinder wurden den Eltern häufig nicht einmal gezeigt und verschwanden im „Sondermüll“. Man dachte, es wäre so einfacher für die Eltern. Heute ist die wissenschaftliche Meinung eine andere – wie gut!
Der erste Einsatz als Sternenkind-Fotografin
Wie ging es bei mir weiter? Es hat ein paar Monate gedauert, bis ich mich wirklich bei „Dein Sternenkind“ bewarb. Die Zusage kam dann quasi zeitgleich mit dem Abizeugnis meines Sohnes. Ein paar Wochen dauerte es dann noch bis zum ersten Einsatz. Ein kleiner Junge lag auf der Intensivstation und hatte nur noch ein paar Stunden zu leben. Die Eltern wünschten sich Bilder solange er noch lebte. Es fand sich kein anderer Hamburger Sternenkind-Fotograf und so bin ich ins kalte Wasser gesprungen. Gewünscht hatte ich mir einen vermeintlich leichteren Einsatz. Mit Kind, aber ohne die trauernden Eltern. Wo ich in Ruhe meine Fotos machen könnte, ohne Zeitdruck und vielen Augenpaare, die genau hinschauen, was ich da mache. Aber es kommt ja immer anders als man denkt. So hatte ich einen kleinen süßen Säugling vor mir mit Eltern und interessierten Krankenschwestern, die mir über die Schulter schauten. Aber mir zum Glück auch viel halfen.
Inzwischen habe ich gelernt, dass jeder Einsatz anders ist. Und dass es nicht immer um Fehlgeburten oder bei der Geburt verstorbener Kinder geht. Aber ich glaube, dass zu beschreiben, würde den Rahmen dieses Blogbeitrags sprengen. Wenn ihr mehr über mein neues Ehrenamt als Sternenkindfotografin wissen wollt, schreibt mir gerne. Fotografen werden übrigens immer gesucht – 600 ist zwar eine große Menge, aber in einigen Regionen Deutschlands gibt es trotzdem nicht genug. Und leider gibt es viel mehr Anfragen nach Fotografen als uns lieb ist.
Einmal fragte mich eine Mutter, warum ich das mache. Ich bin wirklich mit Herzblut Fotografin und wenn ich damit gutes tun kann, dann ist es diese Aufgabe. Und das mache ich sehr gerne. Für die Kinder, die nicht in Vergessenheit geraten sollen. Und für die Eltern, die eine Erinnerung brauchen für ihre Trauer.
Das könnte ich nicht!
Viele meiner Freunde sagen zu mir „Das könnte ich nicht!“ Das dachte ich natürlich anfangs auch. Wenn ich mich auf der Seite Dein-Sternenkind.eu umsah, ging das nie, ohne dass ein paar Tränen kullerten. Wie sollte ich da Eltern gegenüber treten, die gerade das Liebste auf der Welt verloren hatten, ohne selbst in Tränen auszubrechen? Ich weiß ehrlich gesagt nicht wie, aber es ist machbar. Natürlich habe auch ich immer mal zwischendurch einen dicken Kloß im Hals. Aber selbst wenn ich da mal meinen Gefühlen nachgeben werde, wäre das sicher nicht schlimm.
Mit den anderen Sternenkind-Fotografen kann ich mich super in einem Forum austauschen. Viele Fotografen schreiben Einsatzberichte, daraus kann ich viel lernen. Der Zusammenhalt untereinander ist wirklich klasse. Man merkt, dass wir alle ähnlich ticken. Ich fühle mich sehr gut aufgehoben und weiß, dass ich bei Problemen dort Hilfe finde. Die „Neuen“ werden mit Freude aufgenommen und vor dem ersten Einsatz gut vorbereitet. Ich freue mich sehr, dass ich diesen Schritt gewagt habe und hoffe, dass ich dieses Ehrenamt noch lange ausüben werde. Aber wer mich kennt weiß, dass ich eine treue Seele bin. Wenn ich mich erst einmal für etwas entschieden habe, ziehe ich das auch durch.
Habt ihr schon einmal von der Sternenkindfotografie gehört? Wollt ihr mehr darüber erfahren? Dann fragt mich einfach und schaut mal auf der Webseite der Sternenkindfotografen vorbei.
Moin Astrid!
Klasse, dass Du dieses Thema aufgegriffen hast und Dich so stark dafür interessierst.
Als eine ehemalige Mitarbeiterin von mir eine Fehlgeburt hatte, bekam ich ich ganz unvermittelt ein grässliches Bild von dem Leichnam.
Nicht nur, dass es mich unvermittelt traf, sondern es war auch noch äußerst dilletantisch aufgenommen worden.
So schlecht, daß es sich über lange Zeit in mein Hirn gebrannt hatte.
Ich kenne Dich als hervorragende Fotografin, die bei jedem Set äußerst akkurat und mit viel Vorbereitung und Liebe zum Detail arbeitet.
Daher bin ich fest davon überzeugt, dass Du auch dieses sensible Thema entsprechend recherchiert und vorbereitet hast.
Ich wünsche Dir die nötige Kraft und das nötige Einfühlungsvermögen bei der schwierigen Mission.
Hochzeitsgfotografe kann dagegen jeder.
Gruß Wolfgang
Danke für dieses tolle Lob, Wolfgang!
Es geht uns Fotografen auch darum, vorzeigbare Bilder von den Sternchen zu machen. Eben damit man sie auch zeigen kann und mag. Und damit niemand traumatisierte wird beim Anblick.
Und an Hochzeitsfotografie würde ich mich nicht rantrauen 😉
Hallo Astrid,
Deinen Bericht habe ich mit großer Hochachtung gelesen. Ich finde es gut, dass Du Dich an diese schwere Aufgabe dran traust. Wie wichtig Dein Einsatz ist, weiß ich, seit meine Schwiegertochter ein Sternenkind zur Welt bringen musste. Ich hoffe, dass Du vielen trauernden Eltern eine Erinnerung schenken kannst!
Herzliche Grüße
Gabriele
Lieben Dank Gabriele,
das tut mir sehr sehr leid mit Deinem Enkelkind. Ich hoffe, ihr habt auch von den Sternenkindfotografen gewußt und sie gerufen.Leider wissen immer noch nicht alle Krankenhäuser von uns. Auch deshalb habe ich hier darüber geschrieben.
Alles Gute für euch. Im Fokus stehen natürlich immer die Eltern, aber natürlich betrifft so ein Schicksal immer die ganze Familie.
Astrid
Liebe Astrid,
puh, mit Tränen und dickem Klos im Hals schreibe ich Dir die zeilen.
Ich kannte das mit der Sternenfotografie noch nicht. Ich habe mir auch die Seite angesehen und musste einfach weinen.
Doch ich finde es gut, wenn die Eltern das möchten und der Satz stimmt auch. Man fotografiert die Sternenkinder, die den Weg in die Welt nicht miterleben durften.
Abschied nehmen ist wichtig. Egal wie und Fotos sind wichtig. Ich selbst habe das nicht erleben müssen, aber meine Eltern sind sehr früh gestorben und viele Fotos habe ich von Ihnen. Ich bin froh über mein Hobby, obwohl ich mich nicht Fotografien nennen kann. Aber mit 9 Jahren bekam ich meine erste ritsch ratsch Kamera. Seit dem „Knipse“ ich. So sagte es eine Bekannte. Weil icht nicht so gut bin. Aber jedes Bild von meinen Eltern, von viel zu verstorbenen Menschen in meinem Umfeld sind für mich wichtig und so ist es für die Eltern der Sternenkinder auch wichtig.
Wäre ich eine so gute Fotografien wie Du. Dann würde ich mich auch bewerden.
Danke für diesen wunderbaren Artikel.
Liebe Grüße
elke von elkevoss.de
Liebe Elke,
spiel deine Fähigkeiten nicht so runter, was die Fotografie betrifft.
Wir machen alle Fortschritte im Laufe der Zeit. Ich bin immer wieder entsetzt, wie ich noch vor ein paar Jahren fotografiert habe. Vor einem Jahr hätte ich mich vermutlich auch noch nicht getraut, mich dort zu bewerben. Und auch deine Fotos verändern sich. Es ist wirklich nur eine Sache der Übung und der Reflexion. Und es braucht ein paar Menschen, die sich trauen, Deine Fotos ehrlich zu bewerten.
Aber egal von welcher Qualität Fotos sind. Erinnerungen sind sie immer und das ist so wichtig.
Liebe Grüße
Astrid